Entspannt und offen für die Fans. So präsentierte sich Austrias Erfolgs-Tormann Samuel Sahin-Radlinger bei einem vorweihnachtlichen Termin seines Ausstatters KEEPERsport. Im 11teamsports Store Wien nahm sich der 32-Jährige, der im Herbst die wenigsten Liga-Gegentore kassierte, auch Zeit für ein Interview mit der „Krone“.
Sammy, wie lässt sich mit ein wenig Abstand Austrias unglaublicher Erfolgslauf erklären?
Man darf nicht vergessen: Gleich zu Saisonbeginn war Feuer am Dach! Nach dem 0:1 gegen Blau-Weiß Linz und dem Ausscheiden im Europacup. Aber wir sind ruhig geblieben, haben an unseren Weg geglaubt. Und es ist etwas Großartiges entstanden. Der Zusammenhalt ist fantastisch. Jeden Tag, wenn wir unseren Arbeitstag um 8.30 Uhr in der Kabine starten, rennt der Schmäh.
Bist du besonders stolz, dass ihr die wenigsten Tore der Liga kassiert habt?
Das ist ein Kompliment ans ganze Team, vom Stürmer bis zum Tormann. Und hängt sicher auch mit Aleks Dragovic zusammen. Ein überragender Abwehrchef und Aufbauspieler.
Man sagt, dass Tormänner ein wenig speziell sind. Hast du auch Ticks?
Eigentlich nicht, aber vielleicht doch... Meinen Match-Handschuh muss ich im Abschlusstraining getragen haben, dann geh ich mit ihm unter die Dusche, reinige ihn ordentlich, trockne ihn dann. Und der Handschuh wird erst getauscht, wenn ich in einem Match ein Tor bekommen hab. Bei unseren Erfolgen im Herbst war der eine oder andere Handschuh schon am Limit, aber das war ja ein richtig gutes Zeichen! Und der Handschuh muss so wie die Schuhe hell sein, am besten weiß. Dunkel geht gar nicht. Und am liebsten spiele ich, wenn es richtig schüttet, richtig dreckig ist. Also ja, auch ich hab meine Tormann-Ticks anscheinend...
Und auch dein Weg zum Profi-Tormann war durchaus ungewöhnlich...
Bis 15 war ich in Ried Feldspieler, da war als rechter Mittelfeldspieler David Beckham mein Vorbild. Dann wurde ein Tormann gebraucht. Mit 17 hab ich mein Profi-Debüt bei St. Florian in der Regionalliga gegeben, dann hat sich auch das österreichische U21-Nationalteam interessiert, da dachte ich mir: Okay, das könnte etwas werden mit einer Profikarriere. Mit 18 war ich plötzlich in Hannover! Beim Vierten der deutschen Bundesliga, Halbfinalisten der Europa League. Mit Stars wie Emanuel Pogatetz oder Jan Schlaudraff. Sportlich war Hannover kompliziert, ich bin relativ wenig zu Spieleinsätzen gekommen. Aber es war extrem cool und lehrreich. Und die Basis für meine weiteren Stationen in Deutschland, Norwegen, England, den Niederlanden und Österreich.
Wer war der bisher unangenehmste Gegenspieler?
Erling Haaland, ganz klar. In meiner Zeit bei Brann Bergen hatten wir einen super Saisonstart. Dann kam das Spiel gegen Molde. Wir hörten, dass die einen 17-jährigen Superstürmer haben. Und dann hat mir Haaland innerhalb von 21 Minuten vier Tore gemacht. Die Bilder bekomme ich noch heute ab und zu auf Instagram serviert (lacht). Trotzdem war‘s richtig cool in Norwegen, unser erster Sohn ist dort zur Welt gekommen. Und je älter er wird, umso stolzer ist er, dass er ein Wikinger ist (lacht).
Deine sportlichen Wünsche und Ziele für 2025?
Gleich unser Start ins Jahr wird knackig: Zweimal gegen Sturm, dann das Derby, dann Salzburg. Da wollen wir zeigen, dass wir zu Recht da oben sind. Klar ist, dass es gegen jeden Gegner in dieser Liga hundert Prozent brauchen wird. Es gibt definitiv keinen leichten Gegner. Richtig taugen würde mir auch, wenn Ried aufsteigen würde. Mit der Austria gegen das Team aus meiner Geburtsstadt, das wäre ein Traum.
Wie wichtig ist für einen Tormann eigentlich mittlerweile die spielerische, fußballerische Komponente?
Das kommt natürlich auf den Trainer an. Ich hatte auch Trainer, deren Motto war: Nur hoch und weit bringt Sicherheit! Aber bei der Austria ist das anders unter Trainer Stephan Helm. Da soll ich natürlich beim Spielaufbau helfen. Ederson bin ich keiner, aber meine Vergangenheit als Feldspieler hilft mir eigentlich.
Was hilft einem Tormann gegen Nervosität?
Zu Beginn meiner Karriere war ich vor Spielen extrem nervös, das legt sich im Laufe der Jahre natürlich. Es ist halt einfach unser Schicksal, dass die Fehler eines Tormanns extrem bestraft werden. Fehler passieren den Besten der Welt. Wichtig ist, privat einen Anker zu haben. Und wichtig ist auch, nicht zu viel über Fehler nachzudenken. Nach vorne blicken und weiter geht‘s im nächsten Training und im nächsten Match. Manchen Tormännern hilft die Arbeit mit einem Mentaltrainer, ich brauche das ehrlich gesagt nicht wirklich. Außer mit meinem Onkel, der ist Coach im Business Bereich, mit ihm unterhalte ich mich gerne unf oft. Ein wichtiger Puzzleteil für das Mentale ist für mich auch die Visualisierung. Das vor Augen halten von guten, positiven, starken Aktionen. Und während des Spiels pushe ich mich, in dem ich lautstark mit meinen Vorderleuten kommuniziere. Auch, wenn sie mich im vollen Stadion oft gar nicht hören können (lacht). Aber es hilft mir, ich hab dann oft tagelang keine Stimme.
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