Geruchlos, geschmacklos, unsichtbar – neue Drogen halten die Bediensteten der heimischen Justizanstalten auf Trab. Mit teilweise unkonventionellen Strategien will das Justizministerium dieser Gefahr Herr werden.
„Spice“, „Pinaca“ oder auch „Zombie-Droge“ genannt – diese illegale Substanz sorgt derzeit in den Anstalten für Alarm. Erst am Samstag berichteten wir über einen Insassen, der tot in seiner Zelle lag – Verdacht: Drogen-Überdosis.
„Es handelt sich um synthetische Cannabinoide. Diese fallen unter den Sammelbegriff ,Neue psychoaktive Substanzen’ (NPS). Sie haben nichts mit Cannabis zu tun, denn die Wirkung ist völlig anders“, erklärt Christian Fürbaß, der in der Generaldirektion des Justizministeriums für den Strafvollzug/Fachbereich Sicherheit und Extremismusprävention verantwortlich ist.
„Kick fällt schnell und kurz aus“
In der Regel werden diese synthetischen Cannabinoide geraucht. „Der Kick fällt dabei schnell und kurz aus, aber er ist intensiv. Anstatt zu dämpfen, pushen sie regelrecht auf. Der Suchtdruck ist extrem hoch, die Konsumenten werden fahrig“, weiß Fürbaß. Derartige Substanzen seien geruchlos, geschmacklos sowie auch unsichtbar. Und: Sie lassen sich sehr schwer dosieren.
„Viele glauben, dass nichts und niemand in unsere Gefängnisse hinein- oder hinauskommt – ein Irrgedanke. Wir haben etwa Besucher, externe Ausbildner kommen für Berufsausbildungen, es gibt Wäschereien und Küchenbetriebe, die entsprechend verpflegt werden müssen, und selbstverständlich auch Wareneinlieferungen für die anstaltsinternen Betriebe. Wenn die Tischlerei Holz oder die Schlosserei Metall benötigt, wird dies in das jeweilige Gefängnis geliefert. Allein in der Justizanstalt Graz-Karlau existieren 21 Arbeitsbetriebe. Hinzu kommen Ausgänge, die im Zuge von Vollzugslockerungen durchzuführen sind“, erklärt Fürbaß, „das sind alles Wege, mittels derer Gegenstände geschmuggelt werden können.“
Drohnen als Hilfsmittel
Auch Überwürfe – also das Werfen von Substanzen über die Gefängnismauern – werden nach wie vor praktiziert. „Mittlerweile wird vereinzelt versucht, Gegenstände sogar mittels Drohnen innerhalb der Gefängnismauern zu bringen. Das ist natürlich aufwendiger als ein aufgeschlitzter und mit Drogen befüllter Tennisball, aber es passiert.“
Mit diversen Bewältigungsmaßnahmen wolle man dieser Gefahr entgegentreten. „In den Anstalten gibt es tägliche Haftraumkontrollen, anlassbezogene Durchsuchungen und behördenübergreifende Schwerpunktaktionen. Hierbei werden wir von den Diensthundestaffeln der Landespolizeidirektionen sehr gut unterstützt“, betont der Experte.
Auch wir entwickeln uns weiter, denn diese Thematik sowie die Sicherheit für Bedienstete und Insassen ist uns ein ständiges Anliegen.
Oberstleutnant Christian Fürbaß
Zwischen 50 und 60 gemeinsame Durchsuchungen finden jährlich in allen heimischen Gefängnissen statt. In der Justizanstalt Innsbruck habe es am 29. November eine solche Schwerpunktaktion gegeben. „Sieben Diensthundeführer waren im Einsatz, einiges an illegalen Substanzen wurde entdeckt – die Aktion war erfolgreich“, sagt Fürbaß.
„Auf Kinderzeichnungen gesprüht“
Außerdem werden von den Sicherheitsbeauftragten Schwachstellen identifiziert. „Wir wissen etwa, dass synthetische Cannabinoide gerne auf Schriftstücke wie Kinderzeichnungen oder manipulierter Behördenpost gesprüht werden. Entdecken wir darauf verdächtige Ränder, geben einen Tropfen Wasser auf das Papier und die Struktur verändert sich dadurch, könnte das ein Indiz sein“, sagt der Experte.
Man habe auch schon die gesamte Insassenpost kopiert und die Originale einbehalten: „Das war ein irrsinniger Aufwand. Mittlerweile machen wir das zielgerichtet in konkreten Verdachtslagen.“ Und da illegale Substanzen auch auf Textilien angebracht werden können, werden einlangende Wäschestücke gewaschen, bevor diese an die Inhaftierten weitergegeben werden.
„Bedienstete künftig auch Drohnenpiloten“
Die moderne Technik spiele hierbei ebenfalls eine große Rolle – „um Suchtmittel zu identifizieren“, erklärt Fürbaß. Dazu zählen etwa Streifentests wie Harntests. Aktuell sei auch ein Ionen-Mobilitäts-Spektrometer in der JA Jakomini und der Grazer Karlau im Testbetrieb. In einem Pilotprojekt mit der Universität Graz wird mithilfe dieses Gerätes eine eigene Datenbank mit Inhaltsstoffen angelegt. Ausschnitte von verdächtigem Briefpapier oder Kleidung werden hineingelegt, gescannt und analysiert. „So ist rasch klar, womit man es zu tun hat“, betont Fürbaß die Vorzüge dieser Technik. Mitte Jänner 2025 soll diese Datenbank komplett fertiggestellt sein und über dutzende Substanzen verfügen.
„Bedienstete künftig auch Drohnenpiloten“
Auch bezüglich der Drohnen gehe man eigene Wege: „Wir planen, unsere Mitarbeiter als Drohnenpiloten auszubilden und sie dann zum Perimeterschutz an den Außengrenzen der Anstalten einzusetzen. Das ist gerade am Laufen.“
Illegale Substanzen werden innerhalb der Gefängnisse immer ein Thema sein. Fürbaß: „Dieser Bereich entwickelt sich weiter. Vor einigen Jahren haben uns noch Badesalze (Methamphetamine) extrem beschäftigt, derzeit sind es NPS’s und in wenigen Jahren wird es wieder etwas Neues sein. Aber Fakt ist: Auch wir entwickeln uns stetig weiter, denn diese Thematik sowie die Sicherheit für Bedienstete und Insassen ist uns ein grundlegendes und ständiges Anliegen.“
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