Ex-Häftling in Syrien:
„Unsere Knochen sind aus dem Gelenk gesprungen“
Mehmet Ertürk ist nach fast 21 Jahren Haft aus einem syrischen Gefängnis freigekommen. Er hat eingefallene Wangen, die Hälfte seiner Zähne fehlt. „Es war Folter, ständig Folter“, erzählte er nun in einem Interview. Die Wärter hätten ihm etwa mit einem Knüppel auf den Mund geschlagen.
Der 53-jährige Türke saß bis vor Kurzem in einem unterirdischen Verlies in Damaskus. Dass seine Haftstrafe wegen Schmuggels eigentlich 2019 zu Ende gehen sollte, kümmerte die Gefängnisbehörden nicht. Die Wärter seien brutal und gnadenlos gewesen, sagte Ertürk. „Tagsüber war es strengstens verboten, zu sprechen, es gab Kakerlaken im Essen. Es war feucht, es stank wie am Klo.“ Immer wieder habe es Tage „ohne Kleidung oder Wasser oder Essen“ gegeben.
Leichen „in Abfallbehälter geworfen“
In eine Zelle, die für 20 Menschen ausgelegt war, seien 115 bis 120 gesteckt worden. Viele seien verhungert, ihre Leichen „in Abfallbehälter geworfen“ worden. „Einem Gefangenen haben sie kochend heißes Wasser über den Hals gegossen. Das Fleisch von seinem Hals ist heruntergerutscht“, erinnerte sich Ertürk zurück.
„Unsere Knochen sind aus dem Gelenk gesprungen, wenn sie mit Hämmern auf unsere Handgelenke geschlagen haben.“ Ihm selbst sei wegen seiner Nationalität Medizin vorenthalten worden. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte den syrischen Machthaber Assad zu Beginn des Bürgerkriegs zum Rücktritt aufgefordert. „Wir Türken sind deshalb viel gefoltert worden.“
Wir wussten nicht, was draußen passiert. Ich dachte, das ist mein Ende.
Mehmet Ertürk über seine Befreiung
Auf Tod gehofft
Ertürks Hoffnungslosigkeit war so groß, dass er sich den Tod wünschte. „Sie haben uns in einen neuen Gefängnistrakt gebracht und ich sah ein Seil von der Decke hängen und dachte: Gott sei Dank, ich bin gerettet.“
In der Nacht, in der er frei kam, hörte der vierfache Vater Schüsse und begann zu beten: „Wir wussten nicht, was draußen passiert. Ich dachte, das ist mein Ende.“ Schließlich hörte er laute Hammerschläge, innerhalb weniger Minuten hätten die islamistischen Kämpfer die Gefängnistore aufgebrochen und die Häftlinge befreit.
Nun ist Ertürk wieder in sein Heimatdorf zu seiner Familie zurückgekehrt. Dieses liegt nur zehn Minuten von der syrischen Grenze entfernt. „Meine Familie dachte, ich bin tot“, sagte der 53-Jährige. „Wir hatten keine Hoffnung“, bestätigte Ehefrau Hatice. Bei der Inhaftierung war die jüngste Tochter Etürks gerade einmal ein halbes Jahr alt.
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