Betroffene berichten

Leben mit Parkinson: Der Kampf um die Normalität

Wien
16.12.2024 06:00

Wiens Alt-Bürgermeister Michael Häupl hat nun seine Parkinson-Erkrankung öffentlich gemacht. Was bedeutet die Diagnose Parkinson? Wir haben mit Betroffenen über das Leben mit der Krankheit sowie die Herausforderungen im Alltag gesprochen. 

Parkinson ist wie ein unsichtbarer Tanzpartner, der plötzlich das Leben übernimmt. Er zwingt zu neuen Schritten, die man nicht einstudiert hat, zu Rhythmen, die einen aus dem Gleichgewicht bringen. „Am Anfang dachte ich, mein Leben sei vorbei“, sagt Christa Knechtsberger, die rund um ihren 70. Geburtstag die Diagnose erhielt. Die ersten Anzeichen: eine unregelmäßige Schrittfolge, eine langsame linke Hand. Doch anstatt aufzugeben, entschied sie sich, diesen ungebetenen Tanzpartner zu zähmen. Heute, sieben Jahre später, sagt sie: „Ich bin diejenige, die den Takt angibt.“

„Für mich war das Leben kurz finster“
Doch der Weg zu dieser Einstellung war nicht einfach. Als Christa Knechtsberger die Diagnose Parkinson erhielt, war sie wie vor den Kopf gestoßen. „Für mich war es kurz finster. Doch dann habe ich gedacht: Darmkrebs oder Brustkrebs wäre schlimmer. Also mache ich das Beste daraus.“ Sie lebt heute ein aktives Leben. Radfahren, Schwimmen und regelmäßige Reha-Aufenthalte am Gmundnerberg halten sie fit. Knechtsberger: „Bewegung ist das Um und Auf.“ Die Krankheit beeinflusst ihren Alltag zwar, aber sie hat gelernt, mit den Einschränkungen umzugehen. „Es geht alles ein bisschen langsamer, aber das ist auch bei Menschen ohne Parkinson im Alter so“, sagt sie pragmatisch.

Nach Unfall bemerkt
Auch Eduard Leichtfried lebt seit einigen Jahren mit Parkinson. Bei ihm trat die Krankheit nach einem Verkehrsunfall ans Licht. „Plötzlich konnte ich meine rechte Hand nicht mehr richtig bewegen“, schildert er. Die Diagnose war ein Schock, doch wie Knechtsberger hat er sich entschieden, das Leben weiterhin aktiv zu gestalten.

hristian Pulpan, Obmann des Wiener Selbsthilfevereins, will noch mehr Angebote schaffen. (Bild: Philipp Stewart)
hristian Pulpan, Obmann des Wiener Selbsthilfevereins, will noch mehr Angebote schaffen.

Selbsthilfeverein

Der Selbsthilfeverein Wien will Betroffene und Angehörige mit Informationen, Mitmachprogrammen und regelmäßigen Treffen unterstützen. Auch ein weiterer Ausbau des Programms ist geplant. Infos auf www.parkinson-selbsthilfe.at

„Man muss sich nicht verstecken“
Als Gemeinderat in seiner Heimatgemeinde in Niederösterreich engagierte er sich über Jahre für soziale Projekte. „Man muss sich nicht verstecken“, sagt er. Seine Frau unterstützt ihn dabei, sich durch Tanzen und gezielte Übungen fit zu halten. „Es hilft, wenn man Beispiele wie Christa sieht. Das motiviert, selbst wieder mehr zu tun“, gibt er zu. Besonders angetan sind beide von krone.tv-Star Philipp Jelinek. Knechtsberger: „Ich mache die Übungen jeden Morgen mit und merke, wie gut es mir tut.“ Für viele Betroffene ist dieses niederschwellige Angebot ein wichtiger Beitrag zur Sturzprophylaxe und zum allgemeinen Wohlbefinden.

„Philipp bewegt“ auf krone.tv gehört für viele zum Fixtermin. (Bild: Urbantschitsch Mario/Mario Urbantschitsch)
„Philipp bewegt“ auf krone.tv gehört für viele zum Fixtermin.

Selbsthilfeverein bietet Mitmachprogramme an
Ein wichtiger Anker für viele Parkinson-Betroffene ist der Selbsthilfeverein. Christian Pulpan, der Obmann des Vereins, weiß um die Bedeutung von Gemeinschaft: „Viele Menschen ziehen sich nach der Diagnose zurück, dabei ist gerade das fatal. Wir müssen sie motivieren, aktiv zu bleiben.“ Der Verein bietet in Wien Bewegungs- und Mitmachprogramme an.

Daten und Fakten

  • Parkinson ist nach der Alzheimer-Demenz die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. In Österreich gibt es 20.000 bis 30.000 Betroffene.
  • Die Erkrankung tritt meist in der zweiten Lebenshälfte auf, kann jedoch auch jüngere Personen betreffen. Jährlich werden in Österreich rund 1600 Neuerkrankungen diagnostiziert.  
  • Prognosen zufolge könnte sich die Zahl der Betroffenen bis 2040 verdoppeln. 

Ausbau des Angebots
Knechtsberger selbst besucht regelmäßig Veranstaltungen und ist beeindruckt von der Kraft der Gemeinschaft. „Die Selbsthilfegruppen sind eine tolle Sache. Man fühlt sich verstanden und unterstützt.“ Doch nicht alle Gruppen sind leicht erreichbar, was für viele Betroffene eine Herausforderung darstellt. Hier setzt der Verein an, um flächendeckend Angebote zu schaffen. Pulpan arbeitet daran, die Selbsthilfegruppen in Wien weiter auszubauen. Besonders im 22. Bezirk plant er eine neue Anlaufstelle: „Nicht jeder kann weite Wege auf sich nehmen. Es ist wichtig, dass Betroffene wohnortnahe Angebote haben.“

Derzeit keine Heilung möglich
Trotz der Fortschritte in der Forschung bleibt Parkinson eine Krankheit mit vielen Facetten. „Die Medikamente bremsen die Symptome, aber Bewegung ist es, die den Alltag verbessert“, sagt Knechtsberger. Stürze gehören jedoch zu den größten Gefahren. „Ein falscher Schritt kann fatale Folgen haben“, warnt Pulpan. Deshalb haben viele Betroffene ihre Wohnungen barrierefrei gestaltet. Ebenerdige Duschen, breite Türen und Rollatoren gehören für viele zum Alltag.

Etwas mehr Unterstützung wäre hilfreich
Leichtfried denkt bereits über Umbauten nach. „Ich überlege, einen Lift einzubauen, damit ich auch in Zukunft mobil bleibe“, erzählt er. Solche Maßnahmen sind oft kostspielig, und Unterstützung gibt es meist erst ab einer höheren Pflegestufe. Dennoch betont er, wie wichtig es ist, frühzeitig vorzusorgen. „Man weiß, dass es nicht besser wird, aber man kann verhindern, dass es schlimmer wird.“ Christa Knechtsberger und Eduard Leichtfried leben vor, dass Parkinson kein Ende bedeutet. „Man braucht keine Angst haben“, sagt Knechtsberger. „Das Leben ist, was man daraus macht.“

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