Falsche Rechnung

Armutskonferenz kritisiert Sozialfonds-Kürzungen

Vorarlberg
17.12.2024 13:36

Michael Diettrich wirft der Vorarlberger Landesregierung vor, tatsächlich gesunkene Ausgaben des Sozialfonds als Steigerungen zu verkaufen, um damit Einsparungen zu argumentieren. 

Wer Michael Diettrich kennt, weiß, dass er kein Blatt vor den Mund nimmt. Nicht umsonst ist er bei dem einen oder anderen Politiker deswegen gefürchtet. Aktuell kritisiert der Sprecher der Vorarlberger Armutskonferenz die Bestrebungen der Landespolitik, die Ausgaben im Sozialbereich zu drosseln. „Hinter kaum noch vorgehaltener Hand war bisher schon davon die Rede, dass die neue Landesregierung im Sozialbereich 8 bis 10 Prozent einsparen will. In einem Schreiben der Sozialabteilung an Sozialinstitutionen werden nun erste Kürzungen eingefordert und mit Kostensteigerungen im Sozialfonds in Höhe von 30 Prozent seit 2019 begründet“, heißt es in einer Aussendung Diettrichs.

Ausgaben gesunken
Die Armutskonferenz hat deswegen die Ausgaben des Sozialfonds genau unter die Lupe genommen und nachgerechnet – und kommt zu einem ganz anderen Ergebnis als die Politik: „De facto sind die Sozialfondsausgaben seit 2019 gesunken,“ erklärt Diettrich. Die Analyse der Rechnungsabschlüsse des Sozialfonds der Jahre 2019 bis 2023 habe ergeben, dass in diesem Zeitraum die Ausgaben nominell um 20,3 Prozent gestiegen sind. Allerdings, so argumentiert Diettrich, sage diese Zahl über die tatsächlichen Steigerungen nichts aus, weil dabei die Inflation nicht berücksichtigt worden sei: „Nicht umsonst wird in der Ökonomie das Wirtschaftswachstum inflationsbereinigt ausgewiesen, weil Inflation kein wirklicher Leistungszuwachs ist. Das nennt man dann bezeichnenderweise das ’reale Wachstum’. Genauso ist auch bei den Sozialausgaben zu verfahren. Die Realität ist dann, dass von den 20,3 Prozent Ausgabensteigerung im Sozialfonds allein gut 17 Prozent auf die Inflation der beiden Jahre 2022 und 2023 zurückzuführen sind.“

Inflationsbereinigt sei deshalb seit 2019 ein Rückgang der Ausgaben im Sozialfonds um 1,4 Prozent zu verzeichnen. Diettrich hat auch bei den einzelnen Posten im Sozialfonds nachgerechnet – nur bei einem einzigen kam es zu tatsächlichen Steigerungen, alle anderen Bereiche weisen Rückgänge auf:

Bei der Senioren- und Pflegevorsorge, dem größten Posten im Sozialfonds, kam es zu einem Rückgang von 1,1 Prozent. Erklärbar wird dieser überraschende Rückgang durch Personalmangel und der damit einhergehenden Unterbelegung von Pflegeeinrichtungen.

Der Bereich Chancengleichheit (Inklusion, Sucht, Sozialpsychiatrie) verzeichnet mit 3,9 Prozent den stärksten Rückgang seit 2019.

Die Kinder- und Jugendhilfe weist einen Rückgang von 0,5 Prozent auf.

Ukrainische Flüchtlinge
Die Existenzsicherung (Sozialhilfe, Flüchtlingshilfe und Wohnungslosenhilfe) ist der einzige Bereich mit einem tatsächlichen Ausgabenanstieg von 10,9 Prozent. Der Anstieg geht auf die massiven Steigerungen der Flüchtlingshilfe in den Jahren 2022 und 2023 zurück und wird in den Rechnungsabschlüssen mit der starken Zuwanderung ukrainischer Flüchtlinge begründet.

Zitat Icon

Die Ausgabensteigerungen im Sozialfonds sind ein vorgeschobenes Argument. Tatsächlich ist es kein sozialpolitisches Problem, sondern ein Problem der Finanzierungsaufteilung zwischen Land und Gemeinden.

Michael Diettrich

Gemeinden zu stark belastet
Zudem merkt Diettrich an, dass das Land durch die Ausgaben für den Sozialfonds nicht stärker belastet wurde, sondern geringer. Äußert problematisch sieht er die Verpflichtung der Gemeinden, den Sozialfonds zu 40 Prozent (60 übernimmt das Land) zu finanzieren, da sich die Einnahmensituation der Kommunen kontinuierlich verschlechtert. Diettrich ist daher für die Neuregelung dieser Finanzierungsaufteilung. Für das Land sei aber genau das ein Tabuthema und schiebe deshalb „Ausgabensteigerung vor, die es gar nicht gibt. 

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Vorarlberg-Krone
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