In der ORF-Premiere von „Wie kommen wir da wieder raus?“ (20.15 Uhr, ORF 1) muss eine bunt zusammengewürfelte Patchwork-Familie mit sich und ihren Problemen klarkommen. Dabei ist Chaos vorprogrammiert. Regisseurin und Drehbuchautorin Eva Spreitzhofer gab uns Einblicke in das Werk.
Weihnachten, das jährliche Fest der Liebe und des besinnlichen Zusammenkommens. Besonders spannend sind diese Treffen besonders dann, wenn verschiedene Typen und Kulturen aufeinandertreffen. Bei der atheistischen Chirurgin Wanda (Caroline Peters) und ihrem Tony (Marcel Mohab) gibt es wieder ein prickelndes Patchwork-Familientreffen am Rande der Covid-Pandemie. Während Wandas Vater (Walter Sittler) als Schwurbler öffentlich gegen Corona demonstriert und vom Fest ausgeladen wird, brechen in der Wiener Wohnung beim Familientreffen alte und neue Wunden auf. Die Teilzeit zum Islam konvertierte Tochter Nina (Chantal Zitzenbacher) fühlt sich im falschen Körper und plant eine Transition. Sissy (Hilde Dalik) verärgert die Familie mit einer Überdosis Esoterik, Tonys Bruder Peter (Michael Ostrowski) erweist sich als beratungsresistenter Chauvinist und rund um den Weihnachtsbaum beginnen die Dialoge zu eskalieren.
Dichte Themenfülle
Mit der ORF-Premiere von „Wie kommen wir da wieder raus?“ (20.15 Uhr, ORF 1) sticht Regisseurin und Drehbuchautorin Eva Spreitzhofer wieder humorig-geschickt in ein Wespennest aus verschiedenen Tabuthemen. Wie schon beim 2018 gefertigten Überraschungserfolg „Womit haben wir das verdient?“ geht auch diese weihnachtliche Familienkomödie dorthin, wo es heute vielen Menschen wehtut: in die Bereiche von Toleranz, Akzeptanz und Diskurs. „Beim ersten Film gab es ein klares Thema“, erklärt Spreitzhofer im „Krone“-Interview, „eine junge Frau setzt sich ein Kopftuch auf und tritt zum Islam über und die ganze Familie steht kopf. Dieses Mal ging es eher um die Fülle der Themen, die uns überfordern. Es geht um Klimakleber, Transgender, veganes Essen und Corona. Als ich das einer meiner Töchter erzählt habe, hat sie mich gefragt, ob ich alle Shitstorms der Welt auf mich vereinen möchte.“
Obwohl das leidige Thema Corona heute schon vielen zum Hals raushängt, ist die Grunderzählung über verschiedene Meinungen und Ansichten, die an einem festlichen Abend zusammentreffen, zeitlos. „Das Rezept in meinen Filmen ist immer, dass die Leute sich eineinhalb Stunden lang mit manchen Figuren identifizieren können, mit anderen weniger, aber auch ihre eigene Realität erkennen und darüber lachen können.“ Gerade im Zeitalter der Empörungsgesellschaft tänzelt man dabei schnell auf besonders dünnem Eis. „Ich recherchiere sehr genau und achte auf alle Details, damit alles seine Richtigkeit hat. Wir bilden im Prinzip die Realität ab. Unabhängig von politischen Themen ist Weihnachten eine Zeit, wo viele Konflikte aufbrechen. In jeder herkömmlichen Familie hast du Leute, mit denen du auskommen musst, auch wenn du sie dir nicht ausgesucht hast. Das ist doch ein schönes Bild für die Welt. Wir müssen achtsam sein für das, was gerade passiert, wer welche Interessen vertritt und wie wir auch mit unterschiedlichen Ansichten gemeinsam gut leben können.“
Grenzen werden gezogen
„Wie kommen wir da wieder raus?“ ist zwar ein filmisches Plädoyer für die Gemeinschaft, zieht aber auch klare Trennlinien. Etwa, wenn es um Rechtsextremismus oder wissenschaftsfeindliches Corona-Geschwurbel geht. „Wenn jemand über andere Dinge lacht als ich, muss ich das aushalten. Was ich nicht aushalte, ist, wenn jemand die Demokratie zerstören will. Deshalb ist der schwer nach rechts abgedriftete Vater von Wanda beim gemeinsamen Fest auch nicht eingeladen. Manchmal muss man den Leuten auch die Grenzen aufzeigen. Insofern ist auch die Rolle von Michael Ostrowski im Film sehr wichtig. Er hat schwierige Ansichten, aber auch etwas Liebenswertes an sich und zaubert etwa sehr gerne. Mir ist es wichtig, Komödien zu machen, in denen man komplexe politische Themen abhandeln kann.“
Der Film lebt einmal mehr von einem ausgezeichneten Cast und einer sprudelnden, sehr spannenden Dialoglastigkeit. „Es sieht im Film wie ein leichtes Ping-Pong-Spiel aus, aber in Wirklichkeit war das harte Arbeit und wir mussten mit zwei Kameras drehen. Hier lässt sich wenig improvisieren und man muss immer wieder dasselbe sagen, weil sonst die Reaktionen nicht stimmen. Wir hatten intern aber großen Spaß, denn Drehzeit ist Lebenszeit und wir müssen uns eine gute Zeit machen, weil man nie genau weiß, was am Ende rauskommt. Es haben Superstars wie Simon Schwarz oder Caroline Peters neben Newcomern wie Felix Rank auf Augenhöhe agiert. Das war absolut großartig.“ „Wie kommen wir da wieder raus?“ kann man auch als verfilmtes Zeitdokument sehen. „Es geht nicht darum, dass wir uns jetzt wieder Corona anschauen müssen, sondern uns gewahr wird, dass die Zeit vorbei ist und wir heute über vieles darüber lachen können. Ich finde es spannend, auch aus heutiger Sicht einen Blick darauf zu werfen.“
Dritter Teil in Vorbereitung
Spreitzhofer ist selbst Atheistin und hat genau darauf geachtet, sich dem Thema Religion mit dem dargebotenen Ernst anzunehmen. „Mir persönlich ist Religion egal, aber sie interessiert mich dort, wo sie in die Gesellschaft reinschwappt. Mein Blick war der feministische darauf und da haben alle Religionen ein sehr problematisches Bild. Ich möchte mit dem Film eine möglichst große Zielgruppe erreichen und mir war auch wichtig, dass alle Figuren ernst genommen werden. Dass sich auch jene Menschen den Film anschauen, die ganz andere Meinungen vertreten.“ Die Reaktionen des Publikums waren schon im Kino gut. „Viele Leute haben nach der Premiere gesagt, das wäre der neue ,Single Bells‘ – das ist eigentlich das größte Kompliment.“ Raum für weitere Geschichten sind da. „Ich hoffe, ich bin mit dem dritten Teil etwas schneller“, lacht die gebürtige Grazerin, „lustig wäre vielleicht ein Hochzeitsfilm, der wiederum einen Kulturclash bearbeitet.“ Derzeit ist „Wie kommen wir da wieder raus?“ als Theaterversion am Landestheater Niederösterreich in St. Pölten zu sehen. „Das Thema funktioniert auch hier perfekt.“
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