Der Raiffeisen Bank International (RBI) droht in Russland mit dem anstehenden Urteil in einem milliardenschweren Rechtsstreit ein finanzieller Schlag. Am 25. Dezember – im orthodoxen Russland kein Feiertag – steht in Kaliningrad der nächste Gerichtstermin in dem Konflikt an. Die russische Investmentholding Rasperia fordert Schadenersatz von 1,9 Milliarden Euro.
Betroffen sind der Wiener Baukonzern Strabag, dessen österreichische Kernaktionäre sowie die russische RBI-Tochter.
Sollte die Klage Erfolg haben, dürfte dies die Bilanz der russischen RBI-Tochter erheblich belasten. Damit dürfte es dann auch Auswirkungen auf die konsolidierte Konzernbilanz der RBI haben, da entsprechende Rückstellungen erforderlich wären.
RBI: Schadenshöhe schwer abzuschätzen
Ob das Gericht an diesem Tag tatsächlich ein Urteil fällt oder erst später, bleibt abzuwarten. Im Bericht zum dritten Quartal erklärte die RBI, dass, sollte die Klage erfolgreich sein, dies „erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Bilanz“ hätte. Dennoch wurden im Berichtszeitraum keine Rückstellungen gebildet, da die Schadenshöhe schwer abzuschätzen sei, hieß es. Die Bank plant, gegen ein negatives Urteil juristisch vorzugehen, was eine Zahlung verzögern würde.
Die RBI sei sehr gut kapitalisiert und auf alle Eventualitäten vorbereitet, sagte zuletzt das RBI-Aufsichtsratsmitglied Michael Höllerer, Chef der RBI-Kernaktionärin Raiffeisenlandesbank Wien-Niederösterreich, im Ö1-Radio. Er hoffe, es würden sich wieder Türen öffnen, nachdem aus geopolitischen Gründen einige zugegangen waren.
EZB und US-Sanktionsbehörde machen Druck
Die RBI steht unter Druck der Europäischen Zentralbank (EZB) und der US-Sanktionsbehörde, ihre Russland-Aktivitäten zu reduzieren. Seit Kriegsbeginn in der Ukraine wurden Rückzugsoptionen geprüft, bisher ohne Erfolg. Zuletzt stellte RBI-Chef Johann Strobl einen Mehrheitsverkauf in Aussicht. Derzeit sind der Bank allerdings die Hände gebunden, weil das russische Gericht einen Verkauf der Tochter untersagt.
Die RBI ist nach eigenen Angaben nicht direkt in den Prozess involviert, ihr wird auch kein Fehlverhalten vorgeworfen. Die russische Tochter dürfte jedoch als Druckmittel in dem Verfahren eine Rolle spielen. Der Kern des Streits: Rasperia, die lange Zeit dem sanktionierten Oligarchen Oleg Deripaska zugerechnet wurde, wirft Strabag und deren Kernaktionären vor, dass ihre Anteile an dem Baukonzern durch die Sanktionen wertlos geworden seien. Rasperia hält 24,1 Prozent an der Strabag, nachdem sie durch eine Kapitalerhöhung unter die Sperrminorität verwässert wurde. Die russische RBI-Tochter wird in der Klage als mit den anderen Beklagten verbunden erwähnt, obwohl die Bank selbst keine Anteile an Strabag hält. Diese liegen bei einem der RBI-Kernaktionäre, der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien.
Die EZB hatte zuletzt neben der RBI die Bank-Austria-Mutter Unicredit angehalten, zusätzliches Kapital als Puffer gegen potenzielle Risiken aus ihrem Russland-Geschäft vorzuhalten. Ab 2025 würden die RBI-Kapitalanforderungen steigen, sagte ein Sprecher im November. Das dortige Geschäft sei zuletzt schon abgeschmolzen.
Gewinne in Russland eingefroren
Die RBI ist seit mehr als 30 Jahren in Russland tätig und zählt neben der italienischen UniCredit als größte westliche Bank in dem Land. Im Frühjahr musste das Finanzinstitut einen Plan aufgeben, über eine komplexe Transaktion Geld aus Russland zu transferieren. Die RBI erwirtschaftete in den ersten neun Monaten 2024 mehr als die Hälfte ihres Konzerngewinns von 2,1 Milliarden Euro in Russland. Aufgrund der Sanktionen kann die RBI nicht auf diese Mittel zugreifen. Einem Insider zufolge sind inzwischen fast sechs Milliarden Euro an Eigenkapital in Russland gebunden.
Konkret wollte die RBI den eingefrorenen Strabag-Anteil in Russland für rund 1,1 Milliarden Euro übernehmen. Welche Rolle Deripaska bei diesem Geschäft gespielt hätte, blieb unklar. Bis heute sind die Eigentümerverhältnisse nicht klar. Laut RBI-Chef Strobl hatte die Bank eine sanktionskonforme Lösung gefunden, musste das Vorhaben jedoch auf Druck des US-Finanzministeriums aufgeben. Einige der beteiligten Firmen wurden daraufhin wegen der mutmaßlichen Umgehung von Sanktionen sanktioniert.
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