Hitlers „Nero-Befehl“

Hollywoodreife Rettung im Jahr 1945

Nachrichten
20.12.2024 08:00

Um die mehr als 9000 geraubten Kunstwerke zu vernichten, welche die Nationalsozialisten im Salzbergwerk Altaussee lagerten, wurden Fliegerbomben in die Stollen gebracht.  Hannes Androsch über Salinenarbeiter, die eine Sprengung vereitelten und so milliardenschwere Kunstschätze retteten.

Im Jahr 2014 machte Hollywoodstar George Clooney mit dem Film „Monuments Men – Ungewöhnliche Helden“ die Spezialaktion zur Sicherung des berüchtigten Nazi-Schatzes im Salzbergwerk Altaussee weltweit bekannt. Der Film erzählt die wahre Geschichte der Spezialisten jener Einheit der U.S. Army, die zur Suche und zum Schutz der von der Wehrmacht verschleppten Kunstgüter eingesetzt worden war.

Ab 1943 hatten die Nationalsozialisten das Salzbergwerk Altaussee als Depot für ihre aus ganz Europa geraubten Kulturgüter adaptiert. Warum ausgerechnet Altaussee? „Weil sie hier ideale konservatorische Bedingungen vorfanden“, erzählt Hannes Androsch, dessen Salinen Austria die Stollen gehören.

Im Salzstollen waren die Kunstwerke vor Bombeneinschlägen sicher

„Es gab genug Platz – rund 40.000 Quadratmeter Lagerkapazität, verteilt über acht Werke. Dazu eine konstante Temperatur von acht Grad Celsius und eine hohe Luftfeuchtigkeit. Das Bergwerk bietet aufgrund der Überdeckung durch den Sandling außerdem maximale Sicherheit vor Bombeneinschlägen“, so Androsch weiter.

„Salzbaron“ Hannes Androsch erzählt von der Rettung des Schatzes.  (Bild: Zwefo)
„Salzbaron“ Hannes Androsch erzählt von der Rettung des Schatzes. 

Im Salzbergwerk Altaussee lagerten die Nazis über 6000 Gemälde, mehr als 2000 Zeichnungen, hunderte Skulpturen, Wandteppiche, antike Waffen und noch viel mehr. Hannes Androsch:  „Darunter waren Kunstwerke von Weltrang wie der weltberühmte „Genter Altar“ von Jan van Eyck, „Die Malkunst“ Jan Vermeers oder die Brügger Madonna Michelangelos“. 

Schätzwert der Kunstwerke: mehrere Milliarden US-Dollar. Um ein Haar wäre dieser Schatz in den letzten Kriegstagen vernichtet worden. Denn am 10. April 1945 ließ der Gauleiter im Reichsgau Oberdonau, August Eisgruber, verdächtige Kisten mit der Aufschrift „Vorsicht Marmor, nicht stürzen“ in das Altausseer Bergwerk bringen. Was sich darin befand? Hannes Androsch: „Acht Fliegerbomben mit je 500 Kilo wurden auf diese Art versteckt in das Altausseer Bergwerk gebracht.“

Die Fliegerbomben aus dem Salzstollen (Bild: picturedesk.com/General / TopFoto / picturedesk.com)
Die Fliegerbomben aus dem Salzstollen

Hitler befahl, die Kunstwerke zu vernichten 

Der Kriegsverlauf ließ die Verwirklichung der hochtrabenden Pläne, die die Nazis mit den zusammengeraubten Kunstgegenständen hatten, bekanntlich nicht mehr zu. Analog zu Hitlers Taktik der verbrannten Erde, der sich im berüchtigten „Nero-Befehl“ zu Zerstörungsmaßnahmen im Reichsgebiet manifestierte, wurde auch beschlossen, den Kunstschatz im Berg zur Gänze mit in den Untergang zu nehmen.

Tausende geraubte Kunstwerke wurden im Stollen versteckt.  (Bild: picturedesk.com/General / TopFoto / picturedesk.com)
Tausende geraubte Kunstwerke wurden im Stollen versteckt. 

Die regionalen NS-Größen hatten die Rechnung aber ohne den Wirt – in diesem Fall ohne die Salinenarbeiter – gemacht. Denn mittlerweile war die Nachricht von der geplanten Sprengung im Bergwerk bereits zur gesamten Salinenbelegschaft durchgedrungen, und die Arbeiter gingen auf die Suche nach den Bomben.

Hannes Androsch über die Rettungsaktion des Kunstschatzes: „In der Nacht vom 2. auf den 3. Mai 1945 fanden die Bergarbeiter Alois Raudaschl und Hermann König die Bomben, am Tag darauf wurden die Mitarbeiter von der Betriebsleitung über die Existenz der Sprengkörper im Bergwerk informiert. Daraufhin meldeten sich alle Arbeiter freiwillig zur Bewachung und zum Abtransport der Bomben.“

Was das „Postfräulein“ vom Telefonat des Gauleiters mithörte

Die Bergung der Bomben begann am 3. Mai um 20:15 Uhr. 13 Mann fuhren in den Berg und bargen sie. Die Salinenarbeiter deponierten die Bomben neben der alten Steinbergstraße und bedeckten sie mit Reisig. Über das eigenmächtige Vorgehen der Arbeiter war mittlerweile der Gauleiter informiert worden, der seinen Untergebenen telefonisch ausrichten ließ, die Bomben „unverzüglich“ wieder in den Berg zu bringen – der Inhalt dieses Telefonats wurde später von einem „Postfräulein“ wiedergegeben.

Gerettet: „Die Malkunst“ Jan Vermeer und viele andere Kunsterke  (Bild: picturedesk.com/General / TopFoto / picturedesk.com)
Gerettet: „Die Malkunst“ Jan Vermeer und viele andere Kunsterke 

Um die Kunstschätze zu schützen und zu verhindern, dass sie vor Eintreffen der U.S. Army entwendet oder doch noch beschädigt werden konnten, ließ die Salinendirektion die Zugänge zu den einzelnen Werken zusprengen. Der berüchtigte Raubschatz der Nazis wurde so vor der Vernichtung gerettet. Am 8. Mai 1945 besetzten Einheiten der U.S. Army Altaussee. Spezialisten der „Monuments, Fine Arts, and Archives Section“ der U.S. Army sichteten und bargen die NS-Raubkunst.

Die Kunstwerke wurden nach ihrer Rettung nach München gebracht. (Bild: picturedesk.com/Everett Collection / picturedesk.com)
Die Kunstwerke wurden nach ihrer Rettung nach München gebracht.

Der Großteil der geborgenen Kunstschätze wurde daraufhin zum Central Collecting Point nach München gebracht; die Zuordnung der Kunstschätze und die Retournierung zu ihren eigentlichen Besitzern sollten allerdings noch Jahre dauern. Hollywood setzte den Altauseer Salinenmitarbeitern ein spätes Denkmal.

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