Seit 60 Jahren zieht Maria Puchleitner alle Register der Kirchenorgel in Straden. Für die 90-jährige Organistin ist der Heilige Abend mit „Stille Nacht, Heilige Nacht“ stets die emotionale Krönung im Kirchenjahr.
Von weitem tönt Orgelmusik aus der Pfarrkirche am Himmelsberg in Straden. Mit dicker Winterjacke sitzt Maria Puchleitner an der Kirchenorgel und stimmt sich auf die bevorstehenden Weihnachtsfeiertage ein. „Wollen’s das Stille Nacht hören“, flüstert die leidenschaftliche Organistin, die kürzlich ihren 90sten Geburtstag auch als Institution unter den steirischen Kirchenmusikern feierte. „Ich muss das „Stille Nacht“ immer üben, weil alle genau hinhören und ich mir keinen Patzer erlauben darf.“
„Bin ein geborener Notnagel“
Die Tochter eines niederösterreichischen Fleischhauers kam als Jugendliche in die Südoststeiermark und aus purem Zufall an die Kirchenorgel. „Ich bin ein geborener Notnagel. Der Pfarrer hat gewusst, dass ich Klavierspielen kann und bat mich, bei einem Begräbnis für die erkrankte Organistin einzuspringen“, erinnert sich die Südoststeirerin an ihre Premiere an der restaurierungsbedürftigen Orgel.
Unvergessen bleibt auch die strenge Ansage des damaligen Pfarrers. „Auf den Posten als Organistin brauchen’s nicht hoffen, hat er gesagt! Jetzt sitze ich noch immer da und das sind mittlerweile gute 50 Jahre“.
Es sind Jahrzehnte des Umbruchs in der Kirche, der auch am Dienstplan sichtbar wird. Heute spielt die Kirchendienerin regelmäßig drei Messen pro Wochen, zudem anfallende Begräbnisse. Früher hat es mit dem Karfreitag nur einen „orgelfreien Tag“ im Jahr gegeben, täglich gab es mehrere Messen. „Als der Pfarrer in Straden noch von zwei Kaplänen unterstützt wurde, hat es täglich drei Messfeiern am Tag gegeben, in der Adventzeit auch täglich eine Rorate. Die Frauen haben sich im schneereichen Winter Handtücher um die Beine gebunden, um sich vor der Kälte und Nässe zu schützen“, erzählt die rüstige Pensionistin von kargen Zeiten, wo sich der Pfarrer Sorgen um den Stromverbrauch der Orgel machte. „Da hat er g’schaut, als ich ihm belegen konnte, dass die Orgel nicht mehr Strom als ein Bügeleisen braucht“.
Zuverlässigkeit in Person
Seit fast 60 Jahren ist die engagierte Organistin die Zuverlässigkeit in Person – sogar hochschwanger saß sie einst am Instrument. Kein Wehwehchen kann sie stoppen, auch in anderen Pfarren hilft sie gerne und oft aus. „Wenn man mich braucht, bin ich da. Ich habe erst ein einziges Mal einen Kirchendienst verschlafen, da bin ich erst beim Gloria an der Orgel gesessen“.
Die Orgel ist die Königin der Instrumente, das mit Händen und Füßen zum Klingen gebracht wird und das fordert eine besondere Koordination. Und von ihrem Orgelsitz lässt sich die Dame nicht leicht entthronen. „Da müsste ich schon umfallen oder auf der Intensivstation liegen. Es juckt noch so sehr in den Fingern und die Freude am Spielen ist noch größer geworden“, gesteht die Südoststeirerin.
Ganz besonders freut sie sich auch heute noch auf die Weihnachtsmette, wenn es in der Kirche dunkel wird und erwartungsvoll „Stille Nacht, Heilige Nacht“ erklingt. „Das weltberühmte Weihnachtslied ist aus der Not herausgeschrieben worden, weil damals 1818 in Oberndorf die Kirchenorgel kaputt war. Über 200 Jahre später habe ich noch immer Gänsehaut, wenn ich das schönste und unverzichtbarste aller Weihnachtslieder spielen darf. Nur mit diesem Lied ist für mich richtig Weihnachten“.
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