Isikli Savas ist Rettungssanitäter beim Samariterbund. Menschen lernt er am schlimmsten Tag ihres Lebens kennen. Der „Krone“ erzählt er, wie er damit umgeht.
„Krone“: Herr Savas, was ist die wichtigste Eigenschaft als Rettungssanitäter?
Isikli Savas: Man muss sich in Menschen hineinversetzen können. Da hilft definitiv die Erfahrung, auch wie man mit jemandem spricht.
Sie sind also auch ein bisschen ein Psychologe?
Auf jeden Fall. Man braucht Fingerspitzengefühl. Manche Patienten verstehen einen Schmäh, andere wieder nicht. Das herauszufinden, kommt noch zur medizinischen Arbeit dazu.
Apropos medizinische Arbeit. Wird die Rettung wirklich nur in Notfällen gerufen?
Vielleicht nicht unbedingt nur für medizinische, sondern auch für psychologische. Natürlich rufen Personen die Rettung, weil sie sich einsam fühlen. Dann bleiben wir auch, reden, halten dem Menschen die Hand.
Macht Sie das traurig?
Traurig werden bringt nichts. Aber man denkt darüber nach, ob man helfen konnte. Generell bringt Mitleid niemanden weiter, Empathie aber ist wichtig. Soziale Indikationen gibt es sehr oft. Vor Jahren brachten wir einen älteren Herren mit dem Krankentransport heim. Dort hat er sich an seinen Tisch gesetzt, eine Kerze angezündet und gesagt: ,Das ist mein Weihnachten.‘ Da haben wir uns schwergetan, gleich die Wohnung zu verlassen. Wir sind noch 20 Minuten geblieben und haben uns unterhalten.
Gibt es Personen, die regelmäßig die Rettung rufen?
Ja, wir haben unsere Stammkunden. Wir gehen mit derselben Ernsthaftigkeit in jeden Einsatz. Es kann sein, dass fünfmal kein Notfall vorlag, es aber beim sechsten Mal so weit ist. Und nur weil es für uns kein Notfall ist, bedeutet es ja nicht, dass es sich für den Patienten nicht wie einer anfühlt.
Welche Einsätze sind Ihnen in Erinnerung geblieben?
In meinem ersten Jahr wurden wir vom Partner eines Ex-Models in die Wohnung gerufen. Die Frau war psychisch schwer angeschlagen. Damit ich sie dazu bewegen konnte mitzukommen, musste ich erst eine imaginäre Gestalt am Bett boxen. Danach wollte sie noch ihr Kokain mitnehmen, hat ihre Schuhe ausgeleert, und da kam tatsächlich weißes Pulver raus.
Was ist besonders schlimm?
Alle Einsätze mit Kindern. Oder wenn die Freundin vor ihrem Freund stirbt. Was soll man da sagen? Da ist weniger oft mehr.
Belastet Sie das zu Hause?
Nein. Man muss das ausblenden, sonst hat man kein Leben. Einsatz vorbei, Vorhang zu, nächster Einsatz. Es kann auch sein, dass ich um acht Uhr eine Leiche finde, die seit Wochen dort liegt, aber um 10 Uhr frühstücke ich trotzdem. Für viele klingt das kalt oder unmenschlich, aber sonst kann man den Job nicht machen.
Werden die Menschen schwieriger?
Die Geduld nimmt ab. Aber man darf sich nie auf dasselbe Niveau begeben, nichts persönlich nehmen.
Wie schalten Sie in Ihrer Freizeit ab?
Ich habe eine große Familie. Ich mache viel Sport, gehe ins Fitnessstudio. Das ist auch nötig, wenn man mal einen 100 Kilo schweren Mann nass aus der Wanne ziehen muss. Und ich liebe Fußball. Wenn ich am Ball bin, vergesse ich alle Sorgen.
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