„Wir sind das Volk!“

Heftige Reaktionen nach Amokfahrt in Magdeburg

Ausland
21.12.2024 17:11

Nach der Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz und Innenministerin Nancy Faeser gehen bei der Bevölkerung Magdeburgs die Wogen hoch. Beide Politiker wurden von der Menge übel beschimpft. Zum Ermittlungsstand des Anschlags und Motiv des Täters gibt es neue Details. Der mutmaßliche Täter Taleb A. soll noch am Samstag vernommen werden.

Magdeburg, die sonst durchaus lebendige Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts befindet sich seit der Todesfahrt des mutmaßlichen Täters Taleb. A in Schockstarre. Mindestens fünf Tote, dazu etliche Schwerverletzte, viele davon in Lebensgefahr.

Kanzler: „Hass darf nicht gewinnen“
Nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Freitagabend in Magdeburg ist die Trauer groß. Hass und Gewalt dürfen aber nicht gewinnen, mahnt Bundeskanzler Olaf Scholz bei seiner Rede am Samstagmittag am Tatort.

Im Gedenken an die Opfer hatte Scholz zuvor an der Johanniskirche Blumen niedergelegt. Gemeinsam mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), Bundesjustizminister Volker Wissing (parteilos), Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) sprach er mit dem sachsen-anhaltinischen Kabinett in der Staatskanzlei Magdeburg. In Begleitung von Ministerpräsident Reiner Haseloff besuchten die Politiker dann den Tatort und sprachen im Alten Rathaus mit Einsatzkräften.

Politiker wurden von Passanten ausgebuht
Bei dem Besuch des Tatorts sagte Scholz: „Wenn so ein schlimmes, furchtbares Ereignis geschieht, dann müssen wir als Land zusammenhalten, dass nicht der Hass uns bestimmt.“ Er wolle Magdeburg der Solidarität des ganzen Landes versichern.

Nach der Rede wurden die Politiker mit wüsten Beschimpfungen konfrontiert und von Passanten ausgebuht. „Volksverräterin!“, schleuderten die Bewohner Magdeburgs der Innenministerin Faeser entgegen. „Mörder!“ und „wir sind das Volk!“, riefen sie Scholz zu, als dieser den Tatort am Weihnachtsmarkt verließ. 

Tatverdächtiger steuerte Wagen über Flucht- und Rettungsweg
Am Samstagnachmittag gaben die Behörden Sachsen-Anhalts neue Details zum Ermittlungsstand bekannt. Laut Ronni Krug, Ordnungsbeigeordneter der Stadt Magdeburg, wurden fünf Menschen getötet und 205 Menschen verletzt. Davon seien 41 Menschen schwer und schwerst verletzt. Die Stadt habe noch vor der aktuellen Weihnachtssaison ihr Sicherheitskonzept überarbeitet, teilte Krug weiter mit. Damit habe man auf den Messerangriff auf einem Stadtfest in Solingen diesen Sommer reagiert. 

Trotzdem habe es der mutmaßliche Täter geschafft, den gemieteten BMW in die Menschenmenge zu steuern. Er soll über den Flucht- und Rettungsweg auf den zentralen Platz gelangt sein, auf dem der Weihnachtsmarkt stattfand. Die Fahrt habe rund drei Minuten bis zur Festnahme gedauert, sagte Tom-Oliver Langhans, Direktor der Polizeiinspektion Magdeburg. 

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Gegen den Täter ist hier mal ein Verfahren gelaufen, wie das bei vielen anderen Straftätern auch so ist. Aber wir hatten den jetzt nicht im Fokus, mit Blick darauf, dass er solche Straftaten begeht dieser Art und Güte. Das war mitnichten der Fall.

Horst Walter Nopens, Leitender Oberstaatsanwalt in Magdeburg

Die Staatsanwaltschaft hat erste Hinweise auf ein mögliches Motiv des Verdächtigen gegeben. „Er hat sich zum Tatmotiv geäußert“, sagte der verantwortliche Oberstaatsanwalt Horst Nopens am Samstag in Magdeburg. „Unzufriedenheit mit dem Umgang mit saudi-arabischen Flüchtlingen“ könne demnach der Hintergrund der Tat von Taleb A. gewesen sein. Die Behörden gehen von einem Einzeltäter aus. 

Die Ermittler sähen in der Tat einen Anschlag oder eine Amokfahrt, so Nopens weiter. Von einem Terroranschlag spreche er nicht – sollte sich der Anschlag als Terror herausstellen, werde die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe die Ermittlungen übernehmen. Diese prüft den Fall seit Freitagabend.

Ermittlungen zu möglicher Warnung aus Saudi-Arabien
Die Magdeburger Behörden erklärten, es gebe derzeit keine Hinweise darauf, dass Saudi-Arabien vor dem mutmaßlichen Täter gewarnt habe. Dies werde jedoch ermittelt, so Tom-Oliver Langhans, Direktor der Polizeiinspektion Magdeburg. Man arbeite dabei eng mit den zuständigen Sicherheitsbehörden zusammen.

Der Direktor der Polizeiinspektion Magdeburg, Tom-Oliver Langhans, erklärte, dass bereits vor einem Jahr eine Strafanzeige gegen A. eingegangen sei. Damals war geplant, eine Gefährderansprache bei A. durchzuführen, was nach aktuellem Stand jedoch nicht umgesetzt wurde. Zu den konkreten Vorwürfen von damals äußerte sich Langhans nicht.

Der festgenommene Mann wird noch am Samstagnachmittag vernommen. Der Beschuldigte soll nach Abschluss der Maßnahmen in Untersuchungshaft überstellt werden. Die Staatsanwaltschaft Magdeburg ermittelt nun gegen den mutmaßlichen Täter und 50-jährigen Arzt Taleb A. wegen fünffachen Mordes. Zudem wird dem Mann versuchter Mord in 205 Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung vorgeworfen.

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