Amokfahrt in Magdeburg

Haftbefehl: Psychiater muss jetzt in U-Haft

Ausland
22.12.2024 09:14

Nach der entsetzlichen Todesfahrt am Weihnachtsmarkt in Magdeburg muss der Tatverdächtige in Untersuchungshaft – die Staatsanwaltschaft Magdeburg beantragte einen Haftbefehl gegen den 50-Jährigen.

Er müsse wegen des Vorwurfs des fünffachen Mordes, mehrfachen versuchten Mordes und mehrfacher gefährlicher Körperverletzung in Untersuchungshaft, teilte die Polizei am frühen Sonntagmorgen mit. Am Samstag gedachten zahlreiche Menschen im Dom der Opfer. Fünf Menschen starben: vier Frauen und ein Bub.

Das Auto war am Freitagabend mit hoher Geschwindigkeit in die Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt gerast. Nach Behördenangaben wurden vier Frauen im Alter von 45, 52, 67 und 75 Jahren sowie ein neunjähriger Bub getötet. Weitere 200 Menschen wurden verletzt. Viele von ihnen erlitten schwere und schwerste Verletzungen, deswegen könnte die Zahl der Todesopfer weiter steigen. Der Verdächtige ist ein als Islam-Kritiker bekannter Arzt aus Bernburg, der aus Saudi-Arabien stammt und seit 2006 in Deutschland lebt.

Suche nach dem Tatmotiv
Der Leitende Oberstaatsanwalt Horst Walter Nopens hatte am Samstag über das mögliche Motiv des mutmaßlichen Täters gesprochen - es könnte Unzufriedenheit über den Umgang mit Flüchtlingen in Deutschland gewesen sein. In sozialen Netzwerken präsentierte sich der Festgenommene als vehementer Kritiker des Islams und des repressiven Machtapparats in Saudi-Arabien. Zugleich setzte er sich für die Belange vor allem von Frauen aus seinem erzkonservativ geprägten Heimatland ein. In sozialen Medien und Interviews erhob er zuletzt teils wirr formulierte Vorwürfe gegen deutsche Behörden und hielt ihnen unter anderem vor, nicht genug gegen Islamismus zu unternehmen.

Der Andrang beim Gedenkgottesdienst in Magdebrug war enorm. (Bild: ASSOCIATED PRESS)
Der Andrang beim Gedenkgottesdienst in Magdebrug war enorm.
(Bild: ASSOCIATED PRESS)

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sagt der Tatverdächtige über sich selbst, er sei früher Muslim gewesen, habe sich inzwischen aber vom Glauben abgewandt. Im Februar 2016 stellte er einen Asylantrag, der im Juli desselben Jahres positiv beschieden wurde. Der saudische Staatsbürger erhielt damals Asyl als politisch Verfolgter.

Erst vor rund zehn Tagen veröffentlichte die amerikanische Plattform „RAIR“, die sich selbst als antimuslimische Graswurzel-Organisation beschreibt, ein mehr als 45 Minuten langes Interview mit dem Arzt. Darin warf er der deutschen Polizei vor, das Leben saudischer Asylsuchender, die sich vom Islam losgesagt hätten, gezielt zu zerstören. Zudem präsentierte er sich als Fan von X-Inhaber Elon Musk, der inzwischen Positionen der amerikanischen Rechten vertritt, und der AfD, die die gleichen Ziele wie er verfolge. Gleichzeitig bezeichnete er sich aber politisch als links.

Im Gedenken an die Opfer werden Blumen und Stofftiere niedergelegt. (Bild: ASSOCIATED PRESS)
Im Gedenken an die Opfer werden Blumen und Stofftiere niedergelegt.

BKA: Kein Hinweis auf islamistisch motivierten Anschlag
BKA-Chef Holger Münch erklärte im ZDF-„heute journal“, es gebe – anders als bei ähnlichen Taten in der Vergangenheit – keinen Hinweis auf einen islamistisch motivierten Anschlag. Auch der Generalbundesanwalt sage noch nicht eindeutig, wie der Sachverhalt einzuordnen sei. Der Tatverdächtige habe eine islamfeindliche Einstellung, er habe sich auch mit rechtsextremen Plattformen beschäftigt, so der Chef des Bundeskriminalamts. Es sei aber noch nicht abschließend möglich zu sagen, dass die Tat politisch motiviert gewesen sei.

Diskutiert wird nun wie häufig in solchen Fällen die Frage, ob die Sicherheitsbehörden nicht früher hätten handeln können oder müssen. Der Terrorismusexperte Peter Neumann sagte im ZDF, der Tatverdächtige habe nicht in ein bestimmtes Raster gepasst. „Er war eben kein typischer Islamist. Er war ein Saudi, der sich gegen den Islam gewendet hat. Das passt für Behörden nicht so richtig in die gängigen Schemata rein.“ Zudem habe man heute eine Flut von Informationen von Tausenden von Leuten, die im Internet ähnliche Botschaften sendeten. „Und es ist ganz, ganz schwierig zu unterscheiden: Wer meint es ernst, und wer ist nur auf dem Internet und macht Sprüche?“

Wie konnte das Auto auf den Adventmarkt gelangen?
Der mutmaßliche Täter soll mit seinem Wagen über einen Flucht- und Rettungsweg auf den Weihnachtsmarkt gelangt sein, wie Magdeburgs Polizeiinspektions-Direktor Tom-Oliver Langhans berichtete. Diskutiert wurde danach, ob der Markt ausreichend geschützt war. Ronni Krug, Beigeordneter für Personal, Bürgerservice und Ordnung der Stadt, sagte dazu: Das Sicherheitskonzept für den Markt sei „nach bestem Wissen und Gewissen“ erstellt und zuletzt im November verschärft worden.

Der Extremismus-Experte Hans-Jakob Schindler äußerte in den ARD-„Tagesthemen“ hingegen Zweifel am Magdeburger Sicherheitskonzept. Es sei seit Jahren bekannt, dass Fahrzeuge und Menschenansammlungen eine sehr gefährliche Kombination darstellten. Es sei daher „schwer zu erklären, wieso es einem Fahrzeug gelungen ist, auf einen Weihnachtsmarkt in Deutschland zu gelangen.“

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