(Bild: KMM)

Zu viel gerodet

Wo ist der Wald geblieben? Wann Naturschutz begann

Ohne Nachhaltigkeit kein Wachstum – das erkannte man bereits im Mittelalter. Als sich der Waldbestand durch massives Städtewachstum auf ein Drittel reduzierte, wurden um 1400 die ersten Waldschutzgesetze erlassen.

Ohne Holz hätte es keinen Fortschritt, keinen Wohlstand und keine europäische Erfolgsgeschichte gegeben. Holz war bis zum Beginn der Industriellen Revolution der wichtigste Rohstoff dieses Kontinents. Von ressourcenschonendem Umgang konnte aber lange keine Rede sein – bis der Waldbestand so dramatisch reduziert wurde, dass man in Mitteleuropa erstmals Gesetze zum Schutz des Waldes erließ.

Zur Vorgeschichte: Mitteleuropa war zur Zeit der germanischen Völker noch ein einziger Wald, der zu neunzig Prozent des Landes bedeckte. Der römische Historiker Tacitus (ungefähr 58-120 n. Chr.), dessen Schrift „Germania“ zu den wichtigsten – wenn auch idealisierenden – Quellen über Leben und Sitten der Germanen zählt, berichtet von großen, dunklen Wäldern, so dicht und finster, dass sich die Römer ihnen lieber fernhielten.

Man brauchte 300 große, alte Eichen für einen großen Dachstuhl

Hätte man einen Bewohner Mitteleuropas aus der Zeit von Tacitus in eine Zeitmaschine gesetzt und ihn ins Hochmittelalter verfrachtet, wäre seine erste Frage beim Aussteigen wohl gewesen: Wo ist der Wald geblieben? Denn 1000 Jahre später, Mitte des 11. Jahrhunderts, war der Waldbestand bereits auf ein Drittel reduziert. Der Grund? Es war die Zeit, als sich die Städte entwickelten, sich neue Berufe herausbildeten und die Bevölkerungszahlen in Mitteleuropa massiv anstiegen. Für all das brauchte man Holz in großen Mengen, schließlich wünschten sich die Menschen ein Dach über dem Kopf, mussten heizen und benötigten Materialien, um ihrer Arbeit nachzugehen. Das dafür nötige Holz holte man sich für lange Zeit bedenkenlos aus dem Wald.

Bis ins Mittelalter war Europa von dichten Wäldern bedeckt. (Bild: akg-images / picturedesk.com)
Bis ins Mittelalter war Europa von dichten Wäldern bedeckt.

Wie viel Holz dieser Innovationsschub verschlang, kann man erahnen, wenn man sich eine mittelalterliche Stadt und die Wirtschaft der damaligen Zeit vorstellt: Die Häuser waren aus Holz – da fällt bei einer Stadt mit rund 5000 Einwohnern schon viel an. Die Einrichtung – Betten, Truhen, Tische, Sessel, Wiegen, Schalen, Löffel, Becher etc. – war ebenfalls aus Holz. Selbst für den Bau der großen Steinbauten wie Kirchen und Kathedralen benötigte man Holz – allein der Dachstuhl einer Kathedrale verschlang rund 300 große, alte Eichen.

Der Handel boomte, und für den Handel brauchte man wiederum viel Holz. Unzählige Schiffe – aus Holz – waren in großer Zahl auf allen Flüssen zu finden, war doch der Transport zu Wasser der einfachste, schnellste und günstigste zu dieser Zeit. Und wie wurden Waren transportiert, vor allem die wichtigen Räucherprodukte? In Fässern – und dafür brauchte man große Mengen an Holz. Viel Holz verbrauchte man auch zum Heizen, nicht nur für den privaten Raum, sondern für das Gewerbe: Wer zur Erzeugung seiner Produkte backen, brennen oder schmelzen musste, brauchte übers Jahr gerechnet schon ordentliche Mengen Holz.

Für die Holzkohleproduktion wurden ganze Wälder abgefackelt

Die größten Waldfresser waren aber die Kohlenmeiler, die sich im Einzugsbereich aller großen Städte fanden: bedeckte Holzhaufen, die in Brand gesetzt wurden, um Holzkohle zu erzeugen. Für die Holzkohle, die vor allem Kalkbrennereien, Erzbergwerke und Salinen benötigten, die aber auch der begüterte Bürger für seinen Komfort begehrte, wurden ganze Wälder abgefackelt. Und natürlich wurde Holz auch in großen Mengen exportiert. Denn auch in den holzarmen Gegenden wollten die Menschen komfortabel wohnen und Handel treiben. Wer zu dieser Zeit mit Holz handelte, verdiente sich eine goldene Nase.

Es kam schließlich, wie es kommen musste: Der Wald, dem die Menschen in früheren Jahrhunderten unter viel Mühe und Schweiß ein bisschen Land für ein Häuschen und einen kleinen Acker abgerungen hatten, wurde durch das Wachstum im Hochmittelalter immer weiter dezimiert. Spät, aber doch erkannte man, dass jeglichem Wachstum ein Ende gesetzt würde, wenn man weiterhin bedenkenlos Raubbau am Wald betrieb. Denn der Wald konnte aus eigener Kraft nicht mehr so schnell nachwachsen, wie der Mensch ihn vernichtete.

Überall war Wald, er reichte bis an die Felder.  (Bild: picturedesk.com/akg-images / picturedesk.com)
Überall war Wald, er reichte bis an die Felder. 

Der Wald erholte sich nicht mehr – die Menschen mussten handeln

Und so entstanden im 14. Jahrhundert die ersten Waldschutzgesetze, die aus einer Mischung von Verboten und Nachhaltigkeitskonzepten bestanden. Eine der ersten Maßnahmen war, dass Holz nur mehr entsprechend seiner Qualität genutzt werden durfte: Edle Hölzer wie Eichen für Brennholz zu schlagen war nun streng verboten, nur Unterholz durfte für diesen Zweck noch verwendet werden. Die Menschen durften ihre Schweine, Ziegen und Schafe auch nicht mehr in den Wald treiben, sodass sich diese dort selbst bedienten und ihr Besitzer sich so Futterkosten sparte. Denn wenn die Schweine die Eicheln und Bucheckern aufwühlten und fraßen, konnten keine Bäume mehr nachwachsen. Die Schafe und Ziegen knabberten außerdem die jungen Sprossen ab. In Norddeutschland musste jeder Haus- und Grundbesitzer Laubbäume pflanzen, und die Obrigkeit begann mit der systematischen Aufforstung von zuvor gerodeten Gebieten. Generell durfte ab jetzt nicht mehr Holz gefällt werden als nachwachsen konnte.

Diese Verordnungen kamen nicht zu spät. Die Maßnahmen wirkten, der Wald erholte sich. Durch das frühe Bewusstsein, dass man der Natur nicht mehr entnehmen darf, als nachwächst, konnte ein Kollaps verhindert werden und das Wachstum weitergehen.

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