ÖSV-Skibergsteiger Daniel Ganahl träumt von einem Start bei Olympia 2026. Bis er am 19. Juli bei einem Trainingsunfall schwerste Wirbel- und Gesichtsverletzungen erleidet, die Ärzte sein Leben in zwei Not-Operationen retten müssen. Die Schockdiagnose danach: Der 28-Jährige soll nie wieder laufen können. Doch es kommt ganz anders...
Rückblende: 19. Juli 2024, kurz vor 13 Uhr: Skibergsteiger Daniel Ganahl ist drei Tage nach seinem 28. Geburtstag mit dem Rennrad auf einer Trainingsfahrt im österreichisch-bayrischen Grenzgebiet unterwegs. Vom Rossfeld geht es hinunter nach Schönau am Königssee. Auf der schmalen, kurvigen Straße kommt ihm im Ortsteil Faselsberg eine 68-Jährige mit ihrem Pkw entgegen, biegt nach links ab. „Sie hat mich übersehen“, glaubt der Montafoner, der keine Erinnerungen an den Unfall hat. „Mir fehlen zehn Minuten davor.“ So kennt er den Hergang auch nur aus Erzählungen. „Ich konnte nicht mehr bremsen, krachte in die Beifahrerseite des Autos, flog über das Dach und landete acht, neun Meter weiter im Graben. Ich sei ansprechbar gewesen. Mein Gesicht war eingeschlagen. Dadurch hat man mich nur schlecht verstanden. Ich hätte nach Luft geschrien, da meine Luftröhre eingeblutet war“, gibt „Dani“ die schockierenden Ereignisse wieder.
Schwerste Gesichtsvereltzungen
Der sofort alarmierte Notarzt nimmt einen Luftröhrenschnitt vor, Ganahl wird nach der Erstversorgung in die Klinik nach Traunstein geflogen. „Mein Gesicht war komplett eingedrückt, die linke Gesichtshälfte um vier Zentimeter nach hinten verschoben“, beschreibt der Gaschurner das erste Röntgenbild, das er später zu sehen bekam. „Die Verletzungen waren so schwer, dass eine OP in Traunstein nicht möglich war und man mich weiter ins Unfallklinikum Murnau geflogen hat, wo ich dann notoperiert wurde.“ Der Eingriff gelingt – Ganahl überlebt. „Ein junger Arzt auf der Intensivstation hat zu meiner Freundin Tamara gesagt, dass sie noch nie wen gehabt hätten, der so einen Crash überlebt hat.“
Zweite Not-Operation
Am Morgen des 20. Juli, ein Samstag, holen ihn die Mediziner aus dem Tiefschlaf. Dabei tritt ein neues Problem auf. „Die Computertomografie meines Rückens war in Traunstein unauffällig. Das MRT in Murnau brachte aber ein anderes Ergebnis“, erinnert sich Daniel. „Der 5. und 6. Halswirbel waren kaputt, ebenso wie der 5., 6. und 7. Brustwirbel.“ Zudem waren die Dornfortsätze vom 1. bis zum 7. Brustwirbel zerschlagen. „Am schlimmsten war aber, dass es mir die Bandscheibe zwischen dem 5. und 6. Halswirbel ins Rückenmark gedrückt hat.“ Eine weitere Not-OP ist nötig.
Wenige Tage später eröffnen die Ärzte den Eltern, dass sie ihr Haus rollstuhlgerecht umbauen sollen, der Sohn werde nie wieder laufen können. „Das war für mein Umfeld schon hart. Ich selbst war zu dem Zeitpunkt noch so voller Medikamente, dass ich die Tragweite gar nicht verstanden habe“, gesteht der Heeressportler.
Wichtiger Rückhalt
Seine Situation wird ihm etwas später bewusst. „Da konnte ich meine linke Körperseite schon ein bisschen ansteuern“, erzählt Dani. „Es war noch keine Kraft da, es war auch nicht kontrolliert. Aber ich konnte meinen Arm bewegen. Da war für mich klar: Ganz egal was die Ärzte sagen, ich werde wieder laufen. Das beweise ich ihnen.“ Fünf Wochen nach der OP hat Ganahl ein Schlüsselerlebnis: „Ich wurde in ein Gerät eingespannt, in dem ich ohne Gewicht Laufbewegungen machen konnte. Für mich ein großes Aha-Erlebnis, nachdem es steil bergauf gegangen ist.“
Unterstützt von seiner Tamara, die jeden Nachmittag zu ihm in die Klinik kommt, beginnt er für seinen Traum zu kämpfen. „Ich bin brutal dankbar, dass sie mich so unterstützt hat. Das ist nicht selbstverständlich“, streut er der 29-jährigen, selbst Ultraläuferin, Rosen. „In Murnau kommt jeden Tag ein neuer Querschnittpatient dazu, da ist es schwer, dass sich das Personal mehr Zeit für jeden einzelnen nimmt. Dank Tamara hatte ich die persönliche Ansprache, die es gebraucht hat.“
Eine spezielle Betreuung – die wirkt. Am 1. September postet Ganahl ein Video auf Instagram, das zeigt, wie er – noch mit Halskrause – im Park der Murnauer Klinik selbstständig einen leichten Anstieg hinaufgeht. „Das war das erste Mal, dass ich ohne Hilfe 100 Meter gelaufen bin“, erinnert sich Dani. „Ein unglaublich schönes Gefühl. Noch schöner war es dann aber, als ich auch andere Sachen wieder allein machen konnte. Etwa, als ich nicht mehr gefüttert werden musste, mich selbst wieder waschen konnte. Scheinbar normale Sachen, bei denen ich aber lange auf fremde Hilfe angewiesen war.“
„Ich will es versuchen“
Nach zwei Monaten in Murnau wird er zur Reha nach Bad Häring verlegt. „Zu diesem Zeitpunkt war für mich ausgeschlossen, dass ich jemals wieder Leistungssport betreibe. Da ging mir nach 100 Höhenmetern der Saft aus“, gibt Ganahl zu, der in den kommenden zweieinhalb Monaten über sich hinauswächst. „Für viele Patienten ist die Reha-Zeit sehr anstrengend. Für mich war es ein Segen daran arbeiten zu dürfen, wieder fit zu werden. Als Leistungssportler war ich es immer gewohnt, einen Trainingsplan zu haben, den ich abarbeiten kann. So gesehen war die Reha nichts anderes.“
Am 28. November ist es soweit: 132 Tage nach seinem Unfall darf er heim ins Montafon. „Ich bin schon wieder so fit, dass ich versuchen möchte, den Weg zurück in den Leistungssport zu gehen“, erzählt Ganahl. „Ich habe zwar noch Probleme mit meinem Trizeps und zwei, drei andere kleine Sachen. Allerdings sind die Knochen verheilt und mittlerweile gehe ich auch schon wieder Skitouren.“
Am liebsten mit seiner Tamara, der er inzwischen einen Heiratsantrag gemacht hat. „Und sie hat Ja gesagt“, grinst Daniel, der dank seiner neuen Zahnimplantate auch wieder strahlend lächeln kann.
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