Anna Gasser:

„Für mich unvorstellbar, wenn ich ein Baby hätte“

Wintersport
26.12.2024 06:53

Snowboard-Doppelolympiasiegerin Anna Gasser hat sich über Weihnachten zwei Tage Pause gegönnt, nun nimmt sie die Vorbereitung auf die Heim-Weltcups im Big Air in Klagenfurt (5.1.) und auf dem Kreischberg (11.1.) wieder auf. Die Familienplanung muss indes noch etwas warten: „Für mich wäre es unvorstellbar, wenn ich ein Baby hätte, dass ich noch dieses Risiko eingehe.“

Anna Gasser und ihr Partner Clemens Millauer genießen noch ihre Freiheit. Zudem freut sich die 33-jährige Kärntnerin, dass es bis zu den Winterspielen 2026 in Italien nicht mehr zu lange dauert.

Wie wichtig ist Ihnen Weihnachten daheim?
Anna Gasser: „Sehr wichtig, da kann ich bei meiner Familie Energie aufladen. Es ist ein Luxus, dass die Trainingsmöglichkeit am Kreischberg nur eine gute Stunde von daheim weg ist. Da kann ich im eigenen Bett schlafen, sehe meine Familie, meine Schwester, da kommen wir alle zusammen. Ich war erst einmal an Weihnachten nicht daheim. Das war aus finanziellen Gründen. Für die Olympia-Qualifikation 2014 war ich noch in keinem ÖSV-Team, da ging sich das nicht aus, zu Weihnachten aus den USA heimzufliegen. Gott sei Dank bin ich jetzt in der Lage, dass ich mir das immer leisten kann.“

Anna Gasser (Bild: APA/AFP/WANG Zhao)
Anna Gasser

Die Vorfreude auf gleich zwei Heimevents hintereinander mit Klagenfurt und Kreischberg muss groß sein.
„Das ist richtig cool. Und wir haben sogar drei Heimevents, denn wir haben im März noch einen Slopestyle im Absolut Park in Flachauwinkl dazubekommen. Ich kann es gar nicht glauben, drei Heimweltcups innerhalb von einer Stunde von da, wo ich wohne.“

Bei Ihnen bekommt man mit, dass für Sie Snowboard nicht nur Contest bedeutet, sondern auch Lifestyle. Wie wichtig ist Ihnen diese Kombination?
„Snowboard ist nicht nur ein Spitzen-, sondern auch Lifestyle-Sport. Das übt auf die jungen Leute Faszination aus. Wir werden dem Snowboarden auf alle Fälle verbunden bleiben, auch wenn wir keine Bewerbe mehr fahren. Bei einem Skispringer ist das vielleicht anders.“

Die Anna, die die Öffentlichkeit zu sehen bekommt, ist das immer die echte Anna, oder gibt es Seiten, die Sie nicht so von sich zeigen?
„Ich glaube, ich bin immer sehr authentisch. Ich hoffe, die Leute merken das, dass das alles echt ist. Ich habe ja auch einmal zu einer Doku mit Red Bull Ja gesagt. Da sieht man schon sehr viel Privates. Ich gehe mit Medien eher locker um. Dadurch, dass Snowboard nicht gerade der größte Mainstream-Sport ist, verbinde ich Medien immer mit etwas Positivem, ich gebe gern Interviews. Wenn ich aber zum Beispiel Charity Work mache oder spende, das will ich nicht den Medien sagen. Das mache ich nicht, um Aufmerksamkeit zu kriegen, denn das mache ich für wen anders. Im Grunde glaube ich, dass ich in meiner ganzen Karriere ziemlich gleich geblieben bin. Ein bisschen erwachsener bin ich geworden, aber das ist ja gut.“

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Wenn ich aber zum Beispiel Charity Work mache oder spende, das will ich nicht den Medien sagen. Das mache ich nicht, um Aufmerksamkeit zu kriegen, denn das mache ich für wen anders.

Anna Gasser

Sie sind seit vielen Jahren mit Clemens Millauer liiert, wie Sie ein Snowboarder. Inwieweit spielt das Leistungsdenken in der privaten Beziehung eine Rolle, also wie gut wer ist?
„Für unsere Beziehung spielt es keine Rolle, ob einer gewinnt oder nicht. Aber wenn Sport deine Leidenschaft und dein Beruf ist, wenn dann jemand enttäuscht ist, dann leidet der andere mit. Oder wenn die Laune mal schlecht ist, weil etwas nicht hinhaut. Man teilt dann ein bisschen mehr, oder vielleicht versteht man auch mehr. Man ist immer so gut gelaunt, wie die Leistung am Snowboard war. Damit wissen wir beide gut umzugehen. Wir sind so gut eingespielt, dass jeder weiß, wann er den anderen in Ruhe lassen soll.“

Clemens Millauer und Anna Gasser (Bild: GEPA)
Clemens Millauer und Anna Gasser

Bis Olympia 2026 ist es nur noch etwas mehr als ein Jahr. Beginnt die Vorfreude da schon, oder ist das Büchlein mit den Hausaufgaben noch so voll, dass die Winterspiele fast zu schnell daherkommen?
„Beides ein bisschen. Natürlich weiß ich, dass noch viel zu tun ist, auch bei den Tricks, dass ich vorne dabei bin. Andererseits bin ich nicht mehr die Jüngste und es wird immer zäher. Mit den Jungen auf diesem sportlich hohen Level mitzufahren, da gehe ich schon ans Limit. Wären noch zwei, drei Jahre, wäre das zu weit weg für mich. Das Freestyle ist schon so professionell und so eine hohe Leistungsdichte, das ist ein Zwölfmonate-Rund-um-die-Uhr-Job, wo man sich fast keine Pausen mehr erlauben kann. Und der Körper wird ja auch nicht jünger. Für mich ist es gut, dass Olympia bald ist, da sehe ich mich noch drüber. Ich bin 33, ich bin eh schon die Älteste. In meinem Sport ist es nicht vorstellbar, so lange zu fahren wie zum Beispiel im Parallel-Sport.“

Anna Gasser (Bild: GEPA pictures)
Anna Gasser

Blickt man auf die Startlisten muss man sagen, dass die Zukunft der Freestyle-Disziplinen nicht in Gefahr scheint.
„Als ich begonnen habe, war die Dichte im Big Air noch kleiner, weil die Mädels noch nicht in der Lage waren, so große Sprünge zu springen. Mittlerweile ist der Nachwuchs so stark geworden und die Dichte so hoch. Für den Sport hätte ich mir nichts Schöneres wünschen können. Ich freue mich, dass wir auch Nachwuchs in Österreich haben. In Klagenfurt sind wir vier Starterinnen. Das ist schön, da kann ich was zurückgeben oder eine Mentorin sein. Für mich schließt sich da ein bisschen ein Kreis. Für mich ist das eine runde Sache. Ich bin die Älteste, aber ich bin sehr inspiriert von der neuen Generation. Ich habe vollen Respekt und mittlerweile kann ich mir etwas von den jungen Japanerinnen abschauen, von der Neuseeländerin. Ich bin mit der Lage glücklich. Es wäre nicht gut und nicht normal, wenn ich nach zehn Jahren noch unangefochten auf der Nummer eins wäre.“

Anna Gasser (Bild: GEPA pictures)
Anna Gasser

Noch sind Sie aktiv, aber für später: Comebacks sind derzeit modern, Stichwort Marcel Hirscher oder Lindsey Vonn.
„Wenn ich ein Jahr nicht mehr trainieren würde, könnte ich nicht mehr einsteigen, weil sich das so schnell weiterentwickelt. Für mich sind die ganzen Comebacks unvorstellbar. Ich weiß, was es schon für einen Unterschied macht, wenn ich einmal zwei, drei Monate verletzt bin. Wie lange ich brauche, dass ich wieder aufhole und dabei bin. Aber wir sind ein Freestyle-Sport, das ist schwer mit Rennfahren zu vergleichen. Vor allem mit der Abfahrt, da ist sehr viel Routine im Spiel.

Marcel Hirscher (Bild: Birbaumer Christof)
Marcel Hirscher
Lindsey Vonn (Bild: GEPA)
Lindsey Vonn

Weil Sie es mehrfach angesprochen haben. Inwiefern wirkt sich bei Ihnen das Alter aus?
„Ich sehe es schon ein, dass ich körperlich nicht mehr die gleichen Voraussetzungen wie eine 16-Jährige habe. Wenn es mich einmal haut (ein Sturz/Anm.), braucht mein Körper schon länger. Er hat schon zehn Jahre von diesem Sport auf dem höchsten Niveau gemacht, was eh schon ein Wahnsinn ist, wo ich sage, Gott sei Dank funktioniert mein Körper, wie er funktioniert. Ich bin mir bewusst, dass ich anders trainieren muss wie ein 15-jähriges Mädel. Ich kann meine Routine spielen lassen, das ist ein Pluspunkt. Ich weiß, wie ich wegspringe, wie ich mich drehe, wie ich falle, wann ich riskiere. Das kann ich alles einfließen lassen. Aber ich kann nicht mehr die gleichen Stürze einfahren wie mit 15 oder 16. In Sachen Quantität bin ich unseren jungen Mädels nichts hintennach. Aber ich probiere meine Basis so zu perfektionieren, dass ich dann weniger Risiko habe, wenn ich den nächsten Schritt gehe. Wo eine Junge einen Seven macht und dann sagt, sie probiert gleich einen Zehner, dann mache ich einen Seven zwanzig Mal und wenn der perfekt ist, dann probiere ich den schwereren Trick. Als ich jung war, war ich arg unterwegs, jetzt ist das Risikomanagement ein anderes.“

Anna Gasser (Bild: GEPA pictures)
Anna Gasser

Man hat gelesen, dass die Zukunft Haus, Familie, Hund bringen darf.
„Ich will Familie, aber das kann auch ein bisschen später sein. Jetzt kann ich das Leben noch so genießen, ich bin so frei, der Clemens auch. Dafür sind wir dankbar. Für mich wäre es unvorstellbar, wenn ich ein Baby hätte, dass ich noch dieses Risiko eingehe. Aber das ist eine private Entscheidung von jedem selbst. Wenn ich mich entscheide, eine Familie zu gründen, will ich nicht mehr den Stress des Profisports. Ich will mich hundert Prozent bereitfühlen und nicht glauben, dass ich deshalb meine Karriere früher beendet habe. In zwei Jahren habe ich hoffentlich immer noch Zeit, das haben wir schon geplant. 35 ist eigentlich ein gutes Alter.“

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(Bild: KMM)



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