Nach fast drei Jahren Krieg hat die Ukraine immer weniger Männer, die an die Front geschickt werden können. Die einen sind bereits gestorben, andere fliehen vor der Zwangsrekrutierung. Laut Berichten schließt sich kaum noch jemand freiwillig dem Heer an. Den Behörden wird nun vorgeworfen, Gewalt anzuwenden.
Wie n-tv am Mittwoch online berichtete, würden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Rekrutierungsbüros öffentliche Orte wie Nachtclubs oder Konzerte aufsuchen und dort systematisch Männer im wehrpflichtigen Alter festnehmen. Einige würden dann direkt in militärische Ausbildungslager gebracht werden, heißt es. In größeren Städten tauschen sich Ukrainer dem Bericht nach bereits in Chats aus, ob und wo die Behörden derzeit unterwegs sind.
„Sie fangen Menschen und schicken sie in den Krieg. Das ist Sklaverei“, sagte Sergey Jgorolskiy zu n-tv. Der 32-Jährige hält sich in Deutschland auf und absolviert dort eine Ausbildung zum Mechatroniker. Bis Sommer 2023 war er Student und Schauspieler in der Ukraine. Sein Weg nach Deutschland war illegal – Der Grenzschutz kontrolliert, dass Männer zwischen 18 und 60 Jahren, sprich im wehrfähigen Alter, nicht ausreisen.
Flucht durch Wälder und Berge
Um nicht in den Krieg ziehen zu müssen, nahm Jgorolskiy eine Flucht durch einen Fluss nahe der Grenze zu Moldawien und durch Wälder auf sich. Über Rumänien reiste er schließlich nach Deutschland ein. Seit Kriegsbeginn hätten 11.000 Ukrainer illegal die Grenze nach Rumänien überquert, berichtete die dortige Polizei.
Das Nachbarland ist auch über die Karpaten erreichbar. Durch diese Gebirgskette war der 23-jährige Architekt Bodgan Khorolski im vergangenen Sommer zu Fuß unterwegs. Er wählte weder Wanderrouten noch erzählte er seiner Familie von seinen Plänen. Diese hätte sonst wohl versucht, ihn abzuhalten, weil die Flucht zu gefährlich sei, sagte Khorolski. Rumäniens Behörden seien hilfsbereit gewesen, er sei von dort nach Belgien weitergereist.
Korrupte Grenzbeamte
Tausende ukrainische Männer fliehen vor der Zwangsrekrutierung in ihrem Land. Die Menschen würden sich „einfach nur noch leer“ fühlen, sagte Khorolski. Seiner Meinung nach ist das System korrupt und sollte nicht verteidigt werden. Damit bezieht sich der Ukrainer etwa auf Grenzbeamtinnen und Grenzbeamte. Wer ihnen 10.000 bis 15.000 Dollar zahle, könne das Land ohne Kontrolle verlassen. Die Regierung und die Oligarchinnen sowie Oligarchen hätten alles, „die Menschen nichts“, bestätigte Jgorolskiy. Söhne einflussreicher Männer könnten sich vom Dienst in der Armee freikaufen.
Die ukrainische Regierung versucht bereits, Männer im Ausland gezielt für den Krieg zurückzuholen. Ukrainische Botschaften und Konsulate wurden angewiesen, keine neuen Reisepässe mehr auszustellen. Die beiden Interviewten hatten sich vor ihrer Flucht noch neue Pässe beschafft. Bis März 2025 wird Ukrainerinnen und Ukrainern EU-weit jedenfalls noch ein Aufenthalt aus humanitären Gründen gewährt.
Wir haben schon mehr als 30.000 Migranten geschnappt, die die Staatsbürgerschaft erhalten haben und sich nicht ins Wehrdienstregister eintragen wollten.
Alexander Bastrykin, Chef des russischen Ermittlungskomitees
Russische Migranten an der Front
Dem Kriegsgegner Russland werden ebenfalls Zwangsrekrutierungen vorgeworfen. „Wir haben schon mehr als 30.000 Migranten geschnappt, die die Staatsbürgerschaft erhalten haben und sich nicht ins Wehrdienstregister eintragen wollten, und haben etwa 10.000 davon in die Zone der militärischen Spezialoperation geschickt“, sagte der Chef des russischen Ermittlungskomitees, Alexander Bastrykin. Dort ist etwa die Rede von Razzien in Betrieben mit Gastarbeitern. Freiwillige sollen unter anderem mit hohen Sofortprämien und einem vergleichsweise hohen Monatsgehalt gelockt werden.
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