(Bild: KMM)

Landarzt warnte

Spanische Grippe: Wer war „Patient Null“?

Die Spanische Grippe kostete 1918 weltweit knapp 50 Millionen Menschen das Leben.  Bei einem Farmer aus Kansas, USA, trat erstmals der gefährlich mutierte Grippevirus auf. Erste Warnungen wurden nicht ernst genommen und eine hohe Mobilität zum Problem bei der Bekämpfung des Virus.

Man war so nah dran an Patient Null und hätte weltweit Millionen Tote verhindern können, hätte man die Warnung eines Landarztes aus dem US-Bundesstaat Kansas ernst genommen.

Ende Februar 1918 fiel dem Provinzarzt Loring Miner aus Kansas bei einem Soldaten der schwere Verlauf einer saisonalen Grippeerkrankung auf. Der Farmer war einer jener jungen Männer, die nach dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg 1917 eingezogen wurden. Der Erkrankte hielt sich in Fort Riley auf, einer Militärbasis der US Army im Nordosten des US-Bundesstaates Kansas.

Die Krankenstation von Fort Riley, Kansas, im Frühjahr 1918. Hunderte Rekruten hatten sich innerhalb weniger Tage mit dem aggressiven Grippevirus infiziert. (Bild: picturedesk.com/Science Photo Library / picturedesk.com)
Die Krankenstation von Fort Riley, Kansas, im Frühjahr 1918. Hunderte Rekruten hatten sich innerhalb weniger Tage mit dem aggressiven Grippevirus infiziert.

Symptome: Halsschmerzen, rasende Kopfschmerzen, Fieber über 40 Grad

Der Verlauf der Grippe war bei diesem jungen Rekruten ungewöhnlich heftig, dazu kam noch eine schwere Lungenentzündung. Heute weiß man: Der Farmer war „Patient Null“, jener Patient, bei dem der gefährlich mutierte Influenzavirus erstmals vom Tier – einem Huhn – auf den Menschen übergesprungen war. Der Fall war tragisch – was aber Dr. Loring Miner noch größere Sorgen bereitete, war die Tatsache, dass binnen weniger Tage plötzlich viele andere Soldaten ähnlich schwere Grippesymptome zeigten.

Unter den 56.000 Männern, die in Fort Riley auf engstem Raum untergebracht waren, hatten immer mehr die gleichen schlagartig einsetzenden Symptome: Halsschmerzen, rasende Kopfschmerzen, Fieber über 40 Grad. Schon im März 1918 wurden bereits Hunderte ins Camp-Spital überführt, bei allen wurde Lungenentzündung diagnostiziert; Dutzende vor wenigen Tagen noch kerngesunde Männer starben.

Erkrankte wurden von anderen Patienten isoliert, in ihrer Nähe trug man Schutzmasken.  (Bild: picturedesk.com/Everett Collection / picturedesk.com)
Erkrankte wurden von anderen Patienten isoliert, in ihrer Nähe trug man Schutzmasken. 

Nur die spanische Presse berichtete über die mysteriöse Krankheit

Loring Miner sandte einen Bericht an den Public Health Service, die zuständige Behörde im US-Gesundheitsministerium. Experten, um diesen eigenartig schnellen Verlauf der Grippewelle in Kansas zu untersuchen, wurden jedoch nicht geschickt. Die US-Regierung hatte angesichts zwei Millionen mobilisierter Soldaten und der Gefahren, die ihnen auf Europas Schlachtfeldern drohten, andere Sorgen als eine Handvoll bedauerlicher Grippeopfer. Außerdem schien sich das Problem glücklicherweise von selbst zu lösen: Innerhalb eines Monats ebbte diese Grippewelle in Fort Riley ab. Die Todesrate sank dramatisch, ebenso die Zahl der Neuerkrankungen. Der böse Spuk war vorbei, so dachte man.

Doch der Spuk war noch längst nicht vorbei, er hatte sich nur verlagert. Bevor man das Ausmaß der hohen Ansteckungsrate überhaupt realisierte, wurden die Soldaten bereits in andere Camps verlegt und steckten dort noch mehr Menschen an – ab dem späten Frühjahr 1918 hatte die Grippewelle die USA bereits fest im Griff.

„Globalisierungsfaktor“ Erster Weltkrieg: Das Virus breitete sich aus

Von den US-Camps kam das Virus mit Gruppentransportern nach Europa, wo es in überfüllten Lagern einen idealen Nährboden fand. „Spanische“ Grippe wurde die Viruserkrankung hier genannt. Nicht, weil in Spanien die ersten dokumentierten Fälle auftraten, sondern weil die spanische Presse die Einzige war, die ohne Zensur darüber berichten konnte. Dass eine wesentlich aggressivere Influenzawelle unter den Soldaten wütete als die sonst übliche saisonale Grippe, wollte man von Seiten der kriegsführenden Staaten nicht an die große Glocke hängen.

Schutzmasken gehörten in den USA nach dem Ausbruch der Spanischen Grippe zum Alltag.  (Bild: picturedesk.com/Science Source / PhotoResearchers / picturedesk.com)
Schutzmasken gehörten in den USA nach dem Ausbruch der Spanischen Grippe zum Alltag. 

Dass sich das neue Virus so schnell über den Erdball verbreiten konnte, hatte neben seiner Aggressivität mit dem „Globalisierungsfaktor“ des Ersten Weltkriegs zu tun. Ganze Jahrgänge an Männern verschiedener Länder wurden zusammen getrommelt auf engstem Raum untergebracht und auf andere Kontinente verschifft. In den Massenunterkünften herrschten ideale Bedingungen für Tröpfchen- und Kontaktinfektionen. Im Sommer 1918 begann das große Sterben auf beiden Seiten des Atlantiks.

Die klassischen Opfer der Spanischen Grippe waren aber nicht die Alten, Kranken und Jüngsten, sondern die 20- bis 40-Jährigen. Das Kriegsende und die damit einhergehende Demobilisierung im Herbst 1918 waren ein weiterer Schub für die Ausbreitung der Spanischen Grippe. Mit den Massenbewegungen, die nun einsetzten, kam das Virus schließlich auch in die entlegensten Winkel der Erde. Medizinhistoriker schätzen, dass an die 50 Millionen Menschen der Spanischen Grippe zum Opfer fielen.

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare
Eingeloggt als 
Nicht der richtige User? Logout

Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.



Kostenlose Spiele
Vorteilswelt