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Zwei mal freiwillig

Warum die Briten schon drei „Brexits“ erlebten

Dreimal gab es einen folgenreichen Bruch mit Europa: König Heinrich VIII. brach mit dem Kontinent, weil ihm der Papst eine Eheannullierung verweigerte. Napoleon drängte Großbritannien mit einer Wirtschaftsblockade aus Europa. Und 2016 trat das Vereinigte Königreich aus der EU aus.

Erster Brexit 1534 – Ein Wendepunkt in der englischen Geschichte 

Den ersten Brexit hatte König Heinrich VIII. (1491-1547) vollzogen. Er ist bis heute nicht nur Großbritanniens berühmtester Monarch, sondern auch weit über dessen Grenzen hinaus als jener König bekannt, der sechs Ehefrauen hatte, von denen er zwei enthaupten ließ und drei verstieß.

Der Bruch mit Europa kam bereits mit der ersten Ehefrau: Katharina von Aragon verfehlte ihre wichtigste Aufgabe als Frau an der Seite eines Königs, denn sie schaffte es nicht, einen männlichen Erben zu gebären. Nach der Geburt einer Tochter und mehreren Fehlgeburten – und auch, nachdem sich Heinrich in Anne Boleyn, eine Frau aus dem Gefolge Katharinas, verschaut hatte – riss dem König die Geduld.

Eine neue Frau musste her, eine, die ihm endlich den ausständigen Erben schenken konnte. Was aus heutiger Sicht grausam klingt, muss mit den Augen der Zeitgenossen Heinrichs betrachtet werden. Eine königliche Dynastie des 16. Jahrhunderts konnte ohne männlichen Erben nicht überleben, das weibliche Nachfolgerecht gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Heinrich VIII. bat also den Papst um eine Eheannullierung – und blitzte ab, was er nicht erwartet hatte. Denn Heinrich war stets ein treuer Gefolgsmann des Papstes gewesen und hatte die Reformation eifrig bekämpft.

König Heinrich VIII. sagte sich von Rom, und damit von Europa los. (Bild: akg-images / picturedesk.com)
König Heinrich VIII. sagte sich von Rom, und damit von Europa los.

Warum der Papst seinem loyalen Verbündeten eine Eheannullierung verweigert hatte – sonst hatte man aus politischer Kulanz recht leicht Gründe gefunden, eine bereits vollzogene Ehe zu annullieren – lag unter anderem auch daran, dass Katharinas Neffe der Habsburger Kaiser Karl V. war und sich der Papst ein Zerwürfnis mit dem Kaiser nicht leisten konnte, war doch die Reformation im Reich bereits im vollen Gange. Der erzürnte Heinrich VIII. setzte nun einen Schritt, der die Geschichte seines Landes nachhaltig ändern sollte: Er brach mit Rom – was damals einem Bruch mit Europa gleichkam.

Mit der „Suprematsakte“ von 1534 wurde Heinrich VIII. zum Oberhaupt der Kirche in England erklärt und die anglikanische Staatskirche geschaffen. Die Trennung von der römisch-katholischen Kirche und vom Papsttum – und damit von Europa – war vollzogen. Wirtschafts- und außenpolitisch orientierte sich Heinrich VIII. nun neu und setzte zukunftsweisende Schritte für das Königreich. Er ließ die bis dato bescheidene englische Flotte massiv ausbauen, um neue Märkte zu erschließen, und setzt damit die Initialzündung zum Aufstieg der Briten zur Weltmacht. Das Geld für diese Aufrüstung hatte er übrigens aus der Konfiskation der Kirchengüter, die ein Vermögen in die Staatskasse gespült hatte.

Zweiter Brexit 1806 – Handelsblockade führt zu kultureller Hochblüte 

Aus Wut über „dieses Volk der Krämer“, wie er die wirtschaftlich höchst erfolgreichen Briten beschimpfte, verhängte Kaiser Napoleon (1796-1821)  eine Wirtschaftsblockade über Großbritannien. Militärisch konnte Napoleon die Briten nicht besiegen, das war spätestens nach der Schmach der Seeschlacht von Trafalgar 1805 endgültig klar, als die Royal Navy unter Horatio Nelson den Franzosen eine bittere Niederlage zufügte. Nun versuchte Napoleon Großbritannien wirtschaftlich in die Knie zu zwingen, und zwar mit der 1806 beschlossenen „Kontinentalsperre“.

Napoleon warf die Briten aus Kontinentaleuropa. (Bild: akg-images / picturedesk.com)
Napoleon warf die Briten aus Kontinentaleuropa.

Großbritannien sollte keinerlei Handel mehr mit Europa treiben können. Napoleon untersagte den europäischen Staaten – die er fast alle direkt oder indirekt durch Vasallen beherrschte  –, britische Produkte zu kaufen, zu fördern oder mit ihnen zu handeln. Das bedeutete praktisch einen „Rauswurf“ aus Europa, denn trotz militärischer Auseinandersetzungen war Großbritannien wirtschaftlich stets engstens mit Kontinentaleuropa verflochten gewesen. Die Kontinentalsperre wurde für Napoleon jedoch zum Flop. Sie schadete weniger den Briten als den Kontinentaleuropäern, die britische Insel hatte sich längst außereuropäische Absatzmärkte gesichert. So war die Kontinentalsperre bereits 1813 wieder Geschichte – wie auch Napoleon, der kurz darauf entmachtet wurde.

Einen interessanten Effekt brachte die napoleonische Blockadepolitik aber kulturell: Sie beendete den traditionell starken Einfluss der französischen Kultur und Lebensart auf die britischen Inseln, die sich mangels dieses Austausches verstärkt den eigenen Wurzeln zuwandten. Das führte zu einer Hochblüte der britischen Kunst und Kultur in den verschiedensten Bereichen wie Literatur, in den bildenden Künsten, oder etwa in der heute so berühmten englischen Gartenkunst.

Dritter Brexit 2016 – Das Königreich stimmt für einen Austritt aus der EU

Im Jahr 1973 war Großbritannien der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beigetreten. 67 Prozent der Briten hatten zwei Jahre später diesen Schritt in einer Volksabstimmung bestätigt. Dennoch blieb das Verhältnis Großbritanniens zum europäischen Einigungsprozess zwiespältig.

Schon 1984 erreichte Margaret Thatcher (1925-2013)  mit dem berühmten Spruch „I want my money back“ den bis zuletzt gültigen und einzigartigen „Britenrabatt“ bei den Beitragszahlungen zur Europäischen Gemeinschaft. Dem Euro und dem Schengenraum trat Großbritannien nie bei.

Margaret Thatcher verhandelte den „Britenrabatt“. (Bild: APA/AFP/STEVE WILKINSON)
Margaret Thatcher verhandelte den „Britenrabatt“.

Zuletzt hatten die Briten sogar noch eine besondere Ausnahmegenehmigung von der Personenfreizügigkeit in der EU ausverhandelt, um die Einwanderung aus anderen EU-Ländern verringern zu können. Dazu kam es aber nun nicht mehr. Am 23. Juni 2016 stimmten 51,89 Prozent der Wähler für den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union.  

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