Das Jahr 2024 wird leider auch durch Vandalenakte gegen Kunstwerke in Erinnerung bleiben. In Linz gab es insgesamt drei Attacken. Für die meisten Diskussionen sorgte die Zerstörung einer Statue der gebärenden Jungfrau Maria im Linzer Mariendom. Im kommenden Jahr könnte es ein Wiedersehen mit der Figur geben. Und: Ein weiterer Vandalenakt in der Kirche wurde jetzt bekannt.
Ein heißer Juli 2024: Kurz nach der Aufstellung einer Statue der gebärenden Maria in der Turmkapelle des Linzer Mariendoms wurde der geschnitzten Figur der Kopf abgesägt. „Der Angriff hatte nicht nur mit der christlichen Figur der Maria zu tun, sondern insgesamt mit der Darstellung von Geburt“, sagt Martina Gelsinger, Kunstreferentin der Diözese Linz, rückblickend im „Krone“-Gespräch.
Frauen im Moment des Gebärens zählen auch heute noch zu den großen Tabus, das die hochästhetische Figur der Künstlerin Esther Strauß offenbar gebrochen hatte. Der Vandalenakt sorgte für ein großes Medienecho und wochenlang für Diskussionen, nicht nur in kirchlichen Kreisen, weiß Gelsinger.
Breite Aufarbeitung steht noch aus
Zwei Tatverdächtige wurden vor kurzem entlastet, wir haben darüber berichtet. Der Schock über die Attacke braucht noch Aufarbeitung: „Es gibt den Wunsch, dass die Figur noch einmal in Linz gezeigt wird, natürlich im Kontext mit dem Vorfall, denn das alles ist nun auch für die Kunstgeschichte interessant“, sagt Gelsinger.
Noch eine Zerstörung im Mariendom
Die Figur war in der Reihe „DonnaStage“ im Mariendom zu sehen, die „Öffnung und Bewegung in der Kirche“ signalisierte, was aber noch einmal einen Dämpfer bekam. Vor kurzem gab es wieder einen Vandalenakt, wie die „Krone“ erfuhr: Die Künstlerin Bernadette Huber ließ in einer Bildschirmskulptur ungewöhnliche Familienbilder aus der Kunstgeschichte ablaufen – von Rubens bis Valie Export. „Das Bildschirmdisplay wurde zerstört. Aber die Installation wurde rasch repariert.“
Dritter Vandalismusakt
Vor Maria Empfängnis am 8. Dezember wurde die Glastür der (aufgelassenen) Marienkapelle am Linzer OK Platz zertrümmert. Dahinter waren „Sex Dolls“ von Pussy-Riot-Mitbegründerin Nadya Tolokonnikova ausgestellt. Wieder eine Kunstattacke. Die „Sex Dolls“-Installation wird nun so bald wie möglich an ihren ursprünglichen Standort zurückkehren.
Kommentar: Skandale als Kunst-Booster
Kunstzerstörung schreibt manchmal Kunstgeschichte. So erinnert man sich an eine Putzfrau, die 1986 die berühmte „Fettecke“ von Joseph Beuys wegschrubbte. Vor vier Jahren brach ein Tourist einer Statue beim Selfieschießen zwei Zehen ab. Beides passierte aus Unwissen und Versehen.
Rückschritt in dunkle Zeiten
Vieles geschieht aber absichtlich aus Intoleranz, politischem Hass und Dummheit. Böse Erinnerungen tauchen auf. In der Nazizeit wurden Kunstschaffende als „entartet“ verfemt, verfolgt, ihre Kunst zerstört und gestohlen. In der Nachkriegszeit gab es in Österreich auch Aufreger, zugleich festigten diese das Bekenntnis zur Freiheit der Kunst. Diese ist übrigens in der Verfassung verankert!
Kunst ist frei von politischer Vereinnahmung und Zensur. Nun kehrt anno 2024 mit der Enthauptung einer gebärenden Frau – freilich nur eine Skulptur – etwas zurück, dass man lange überwunden glaubte: der brutale Angriff auf eben diese Freiheit der Kunst. Und: Bei den drei Vandalismusakten in Linz handelt es sich um Angriffe auf Kunstwerke, die Frauen geschaffen haben. Auch das sollte zu denken geben.
Kunst braucht Aufmerksamkeit
Die andere Seite: Die Attacke auf die Marienfigur wurde zum wahren PR-Booster für die Künstlerin, sogar der britische Guardian widmete ihr einen Bericht. Choreographin Doris Uhlich überprüfte mit dem Pudertanz die gesellschaftliche Toleranz – und befeuerte wochenlang die Medien, siehe auch unser Rückblick auf krone.at „Kultur und Freizeit“. Sie freute sich: „Endlich raus aus der Kulturblase!“ Ja, Skandale können den Wert von Kunstschaffenden am Kunstmarkt richtig hochschrauben, das muss man ehrlich zugeben.
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