Politische Macht haben die Tennos, die japanischen Kaiser, schon seit Jahrhunderten nicht mehr, ihre Autorität und ihre Bedeutung für Japans Identität bestehen aber bis heute.
Die Zahlen und zeitlichen Dimensionen sind für westliche Maßstäbe unglaublich: Der erste Tenno bestieg 660 v. Christi den Thron. Wir sprechen also von über 2600 Jahren Erbfolge, Japan hat damit die älteste Dynastie der Welt. Ebenso erwähnenswert: Japans Kaiser mussten nie Erfahrungen mit Revolutionen, Palastrevolten oder Staatsstreichen machen, das Amt und die Würde des Kaisers wurden niemals infrage gestellt.
Neben dem Prinzip, dass der Tenno immer als heilig galt – erst 1945 erklärte sich Kaiser Hirohito (1901-1989) zum „menschlichen Wesen“ –, ist diese ungewöhnlich lange Dauer des Kaisertums auch in der Tatsache begründet, dass Japans Kaiser schon seit Jahrhunderten keine politische Macht ausüben. Zu einem Zeitpunkt, als sich Europas alte und große Dynastien wie die Habsburger oder die Bourbonen erst nachhaltig etablierten, waren die Tennos in Japan längst in höhere, unpolitische Sphären aufgestiegen.
Symbol für die nationale Einheit Japans und spirituelles Oberhaupt
Seit dem 12. Jahrhundert lag die tatsächliche Macht im Staat in den Händen der Shogune, der einflussreichen kriegerischen Stammesfürsten. Alle staatliche Gewalt leitete sich zwar von den Kaisern ab, sie übten sie aber nicht aus, sondern garantierten lediglich die Aufrechterhaltung des bestehenden gesellschaftlichen und politischen Systems.
Die Rolle des Tennos im modernen Japan wurde in der neuen japanischen Verfassung von 1947 genau festgelegt: Der Tenno ist das Symbol für die nationale Einheit Japans und spirituelles Oberhaupt des Landes. Der japanische Kaiser und der Shintoismus – die Staatsreligion Japans – sind somit offiziell die wichtigsten moralischen Fundamente der japanischen Identität.
Die kaiserliche Familie wird hermetisch abgeschottet
Auch Kaiser Nahurito, der am 1. Mai 2019 den Chrysanthementhron bestieg, übernimmt, wie schon seine Vorgänger, diese Rolle: Als Symbol des Staates und der Einheit des Landes muss er als Person völlig hinter seinem Amt zurücktreten. Hinzu kommt ein überaus striktes Zeremoniell, gegen das sogar das äußerst strenge spanische Hofzeremoniell der Habsburger wie ein Wellness-Programm anmutet. Tausende Beamte des berühmt-berüchtigten „Hofamtes“ wachen darüber, dass die kaiserliche Familie hermetisch abgeschottet wird. Ein Kontakt mit der Außenwelt oder das Bekanntwerden von persönlichen Angelegenheiten würde die Aura des Kaiserhauses zerstören.
Dieses jahrhundertealte, knöcherne Zeremoniell hat auch die Brautsuche des heutigen Tenno Naruhito beeinträchtigt. Betrachten viele Frauen in der westlichen Welt eine Heirat mit einem europäischen Royal als modernes Märchen, ist es in Japan genau umgekehrt. Ein Leben rund um den Chrysanthementhron gilt unter den modernen Japanerinnen als nicht erstrebenswert.
Keine Privilegien, dafür völliger Verzicht auf persönliche Freiheit
Denn anders als bei den Royals in Europa, erwartet kaiserliche Bräute in Japan keine Privilegien, sondern der völlige Verzicht auf persönliche Freiheit. Jetsetleben und Partys sind für das Paar auf dem Chrysanthementhron tabu, jeder Auftritt wird bis ins letzte Detail vom Hofamt choreografiert. Was es für eine moderne Frau bedeutet, ins japanische Kaiserhaus einzuheiraten, konnte man in unserer modernen Mediengesellschaft am Beispiel von Masako, der Ehefrau Kaiser Nahuritos, erfahren. Der ehemaligen Top-Diplomatin, die 1993 den damaligen Kronprinzen geheiratet hat, sah man deutlich an, wie sehr sie darunter litt, als moderne Frau in einem goldenen Käfig, mit einem strengen Hofamt im Nacken, zu leben.
Als traurige Prinzessin wurde sie weltweit bekannt, im deutschsprachigen Raum zog man schnell die Parallele zu Kaiserin Elisabeth von Österreich. Modernität wird es im Kaiserpalast in Tokio auch weiterhin nicht geben. Die einzige Tochter des Kaiserpaares folgt ihrem Vater nicht auf den Thron folgen, die Thronfolge wird auf den Neffen des Kaisers übergehen – eine Frau auf dem Chrysanthementhron gilt beim Hofamt bis heute als undenkbar.
Kommentare
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.