„Krone“-Interview

Pia Hierzegger: „Gut, dass es Landkrimis gibt“

Unterhaltung
07.01.2025 08:00

Wenn Pia Hierzegger Landkrimis inszeniert, dann wird es düster. Nach ihrem Debüt „Waidmannsdank“ (noch immer der quotenstärkste Landkrimi aller Zeiten) gibt es heute die Premiere ihres Kärntner Zweitwerks „Bis in die Seele ist mir kalt“ (ORF1, 20.15 Uhr), der bereits den „Deutschen Fernsehkrimipreis 2024“ abräumte. Im Interview gibt uns die Grazerin nähere Einblicke in das neue Werk.

„Krone“: Frau Hierzegger, „Bis in die Seele ist mir kalt“ ist ein wundervoller, aber auch sehr kühler und intensiver Kärntner Landkrimi. „Waidmannsdank“, Ihr erster Landkrimi, für den Sie auch schon das Drehbuch geschrieben haben, war einer der erfolgreichsten überhaupt. Hatten Sie diesen Erfolg ein bisschen drohend im Hinterkopf für die neue Produktion?
Pia Hierzegger:
 Für mich war das eigentlich kein Stress, eher noch für die Produktion. „Bis in die Seele ist mir kalt“ war eigentlich ein Zufallsprodukt. Während Corona war Zeit zum Schreiben da und ich kenne die Gegend um den Ossiacher See ziemlich gut. So ist es zum zweiten Teil gekommen.

Was hat Sie denn dazu animiert, den beschaulichen Ossiacher See in eine so dunkle Szenerie zu betten?
„Waidmannsdank“ haben wir im Herbst gedreht und da schien dauernd die Sonne. Also haben wir den neuen Film in den Winter gelegt, weil es für einen Krimi gut passt, wenn das Drumherum etwas düsterer ist. Am Ende war es dann doch wärmer als gedacht, aber das sieht man im Film nicht.

Was war denn der Grundstock für das Drehbuch? Womit haben Sie ursprünglich angefangen?
Mit dem Produzenten Gerald Podgornig habe ich schon sehr früh über ein mögliches Thema gesprochen und wir waren uns schnell einig, dass wir etwas über ältere Menschen und Pflege machen wollen. Am Ossiacher See ist es oft tatsächlich so, dass ältere Menschen, die allein wohnen, abgeschnitten sind, weil es in manchen Orten keine Infrastruktur mehr gibt. Der Rest der Geschichte hat sich dann darauf aufgebaut.

Alterseinsamkeit im abgekapselten, ländlichen Raum ist das Hauptthema des Films. Es geht aber auch um die auseinanderklaffende Schere zwischen Arm und Reich und um die Rolle der Frau in dieser Gesellschaft, weil der Film von verschiedenen starken Frauenfiguren getragen wird. Wollten Sie den Finger auf verschiedene Probleme in der Gesellschaft legen?
Das hat sich eher aus dem ursprünglichen Ansatz heraus ergeben. Wir haben die zwei Ermittlerinnen aus „Waidmannsdank“, das waren die konstanten Figuren. Mit dem Rauchenberger haben wir einen weiteren Streifenpolizisten dabei, der eine funktionierende Beziehung führt. So entsteht eine gesellschaftliche Vielfalt. Im Mittelpunkt stehen ältere Leute, die fast nichts mehr essen oder nicht mehr selbst kochen können, auf der anderen Seite kriegt Rauchenberger von seiner Frau dauernd was zu essen mit. Es ging uns darum, die Gegensätze herauszuarbeiten. Wenn man zum Beispiel einen politisch eher rechtsgerichteten Menschen in der Handlung hat, baut man eine Figur ein, die den herausfordert – bei uns ein Arzt mit ägyptischen Wurzeln. Was zieht sich an? Was stößt sich ab? Ohne aufgesetzt zu wirken. Die klassischen Klischees vom Landleben zu verhindern, war das Schwierigste.

In der Figur der Ute Patterer wird hervorgekehrt, wie man durch Schicksalsschläge und falsche Entscheidungen in eine soziale Abwärtsspirale gerät, die zu einer Ohnmacht führt, aus der man sich dann plötzlich nicht mehr heraussieht.
Genau. Diese Person ist ganz sicher nicht von Grund auf mit einer kriminellen Energie ausgestattet, aber ihre Ziele und Pläne werden über den Haufen geworfen und sie versucht dann krampfhaft zu retten, was noch zu retten ist.

Der Ossiacher See ist trotz allem eine schöne und malerische Gegend. War es Ihnen wichtig, gerade diesen Ort so düster und unzugänglich zu zeichnen?
So rosig ist es dort eigentlich gar nicht. Der Tourismus hat in den 80er- und 90er-Jahren wesentlich besser funktioniert und als die Flüge immer billiger wurden, ging dort vieles zurück. In Sattendorf ist die Polizei stationiert, aber da gibt es in Wirklichkeit nichts mehr. Kein Lokal, kein Geschäft, gar nichts. Die wenigen älteren Menschen, die dort leben, sind ziemlich abgeschnitten und die Reichen kaufen sich die Häuser direkt am See, wo sonst keiner mehr hin darf. Die Rolle von Fritz Karl als Immobilienmakler ist auch deshalb wichtig, weil die Bauspekulanten dort alle schönen Plätze zubauen, während abseits davon alles zugrunde geht. Das ist alles nicht erfunden, nur verkauft man üblicherweise nur, was ins Bild passt. In alten Tourismusbroschüren hat man zum Beispiel das Steinhaus von Günther Domenig wegretuschiert.

Die Polizistin Martina Schober (Jutta Fastian) hat mit ihren ganz eigenen Dämonen zu kämpfen. (Bild: ORF)
Die Polizistin Martina Schober (Jutta Fastian) hat mit ihren ganz eigenen Dämonen zu kämpfen.

Wenn man so ein Drehbuch schreibt, wo man viele gängige Klischees bewusst umschiffen will, ist wohl gerade das eines der schwersten Dinge …
Das ist wirklich schwierig. Man schaut sich ja auch vieles von anderen Produktionen ab, um sich inspirieren zu lassen, will aber nicht kopieren. Es ist wichtig zu wissen, wie die Situation am jeweiligen Schauplatz ist und das fiel mir ein bisschen leichter, weil ich die Gegend dort tatsächlich gut kenne. Trotz Sehgewohnheiten, nicht die Fernsehrealität von anderen zu übernehmen, ist schwer.

Die von Ihnen angesprochene Figur des Rauchenberger ist im Endeffekt die einzige, die Humor in die triste Umgebung bringt. Braucht man diese Auflockerung in den Landkrimis?
Ich finde, man kann auch gut über die Figur des Mario lachen oder auch über die zwei Polizistinnen, aber die sind natürlich nicht nur lustig. Auch Linde Prelog als Frau Gritznigg ist durchaus lustig. Es geht mir nicht darum, dass ich beim Schreiben des Drehbuchs Punchlines einbaue, sondern Momente einbaue, in denen sich das Publikum wiedererkennt. Man lacht mitunter auch über die Figuren, weil man diese Situationen ähnlich selbst erlebt hat oder einem eine Figur ein bisschen leidtut. Das ist das liebevolle darüber lachen und nicht das Auslachen.

Linde Prelog war für die gesamte Produktion sicher ein absolutes Geschenk.
Sie ist wahnsinnig flexibel und ist eine dieser Schauspielerinnen, wo man sofort merkt, sie liebt ihren Beruf, spielt gerne mit den anderen und probiert verschiedene Versionen aus. Sie hat die Dinge irrsinnig schnell umgesetzt.

Wenn man sich den Film ansieht, denkt man am Ende erst einmal, dass es eigentlich nur Verlierer gibt. Ich würde nicht sagen, dass in der Szenerie jemand gut aussteigt.
Immobilienmakler Fuhrmann ist steinreich und kann sich im Prinzip alles leisten, aber die Liebe kann er sich nicht kaufen. Ob er also wirklich glücklich mit seinem Leben ist, bleibt fraglich. Ich glaube ja, wir zeigen Leute, denen es gar nicht so schlecht geht wie vielen anderen Menschen in der Realität. Das Leben ist aber weder nur rosig, noch nur schlecht. So würde ich gerne Geschichten erzählen. „Bis in die Seele ist mir kalt“ ist der Versuch, möglichst unterschiedliche, facettenreiche Figuren zu zeigen. Es ist schwierig, weil man in einer 90-Minuten-Produktion nur wenige Aspekte einer Figur herzeigen kann. In einer Serie, wo man lange mit einer Figur mitgehen kann, ist das leichter. Dafür sind andere Dinge wieder schwieriger.

Wie wichtig ist Ihnen denn die Charakterzeichnung der einzelnen Figuren im Direktvergleich zum Plot des Films?
Das liegt immer daran, was einen selbst mehr interessiert. Mich interessieren immer die Figuren am meisten und der Krimi ist eher Nebensache. Andererseits ist er die Form, an der ich alles aufhänge. Ich würde jedenfalls nicht auf die Idee kommen, einen Krimi zu schreiben, bei dem mich die Figuren nicht interessieren.

Erleichtert es die Produktion eines Films, wenn man einigen Personen vor und hinter der Kamera schon einmal davor zusammengearbeitet hat – und dann auch noch sehr erfolgreich?
Die Kostümbildnerin etwa hat schon bei „Waidmannsdank“ mitgearbeitet und kennt den Stil der Figuren, kann darauf aufbauen und weiterentwickeln. Es ist immer toll, wenn man die Abläufe im Großen und Ganzen kennt, weil man dann nicht wieder eine ganze Woche braucht, bis sich alle aneinander gewöhnt haben, bis es richtig losgeht. Das Team war absolut großartig und das ist ein Geschenk.

Ute Patterer (Alicia von Rittberg) beliefert ältere Menschen wie Frau Gritznigg (Linde Prelog) mit Lebensmittel. (Bild: ORF)
Ute Patterer (Alicia von Rittberg) beliefert ältere Menschen wie Frau Gritznigg (Linde Prelog) mit Lebensmittel.

Beim „Deutschen Fernsehkrimipreis 2024“ wurde „Bis in die Seele ist mir kalt“ mit dem Hauptpreis und mit dem „Sonderpreis beste Darstellerin“ für Linde Prelog ausgezeichnet. Was bedeutet Ihnen das?
Da im Jahr davor ein österreichischer Film gewann, waren wir eigentlich felsenfest davon überzeugt, dass in diesem Jahr nichts zu holen sein würde. Es kam ein bisschen überraschend und wir waren irrsinnig begeistert, dass es geklappt hat – wir waren bei der Premiere auch selbst vor Ort. Dass Linde dann auch noch den Darstellerpreis bekommen hat, hat die Freude natürlich erhöht. Es ist hochverdient. Der Preis waren übrigens 1000 Flaschen Wein. Wir haben sie aber noch nicht bekommen und wissen auch nicht, wo sie derzeit untergebracht sind. Ein lustiges Geschenk, das wir dann natürlich untereinander aufteilen.

Die Popularität von Landkrimis ist hierzulande ungebrochen. Egal in welchem Bundesland ermittelt wird – die Leute sind immer voller Feuereifer mit dabei. Schauen Sie sich selbst auch andere Landkrimis an?
Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie viele ich mir ansehen würde, wenn ich nicht selbst in die Reihe involviert wäre. Ich schaue mir aber schon einige an und erinnere mich etwa an jene von Marie Kreuzer oder den einen, den damals Michi Glawogger gedreht hat – „Die Frau mit einem Schuh“. Es interessiert mich vor allem bei Leuten, die normalerweise Kino machen und dann die Chance haben, so einen Film fürs Fernsehen zu inszenieren. Was mir sehr gefällt ist, dass es keine stringente Handlung geben muss. Man muss also nicht mit einem Mord beginnen und die klassische Krimistruktur durchführen, sondern hat sehr viel Freiheit. Außerdem lernt man viele verschiedene Gegenden und Menschen kennen. Es ist gut, dass es die Landkrimis gibt.

Ihr nächstes Drehbuch für einen dritten Kärntner Landkrimi ist bereits vorbestellt? Arbeiten Sie schon aktiv daran?
Ich arbeite gerade an einer Idee, aber das ganze Prozedere dauert immer sehr lange. Es ist aber ziemlich fix, dass wir den Krimi 2025 drehen wollen. Es ist also Stress wie immer. (lacht)

Wie sieht es bei Ihnen ansonsten für 2025 aus? Was ist schon alles spruchreif bzw. wo sind die Planungen und Vorbereitungen bereits weit vorangeschritten?
Im Frühjahr kommt mit „Altweibersommer“ mein erster Kinofilm raus, bei dem ich das Drehbuch geschrieben und Regie geführt habe. Ursula Strauss, Diana Amft und ich spielen drei Frauen, die so alt sind, wie wir eben sind. „Rauchenberger“ Clemens Berndorff ist auch wieder dabei – und spielt dort lustigerweise erneut einen Polizisten. Aber es ist kein Krimi. Ansonsten arbeite ich viel in Graz am Theater am Bahnhof. Im Raum steht auch eine Verfilmung von Tonio Schachingers Roman „Nicht wie ihr“. Ein großartiges Buch über einen Profifußballer, das ich jetzt einmal als Drehbuch adaptiert habe. Mal sehen, ob es auch gefördert wird. Es wäre auf jeden Fall großartig.

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