Schneckenvertilger

“Rent an Ent”: Clevere Idee oder Stress für die Tiere?

Tierecke
07.06.2013 14:13
Alle Jahre wieder zählt die schleimige Schneckenplage zu den größten Ärgernissen von Gartenbesitzern. Bei den vielfältigen Möglichkeiten der Bekämpfung scheint eine ganz besonders sympathisch zu sein und auf den ersten Blick auch einleuchtend: Hinter dem klingenden Projekt-Namen "Rent an Ent" steht die Idee, indische Laufenten als Schneckenvertilger saisonal zu mieten und so den ungebetenen Gästen chemiefrei, dafür aber umso nachhaltiger, den Garaus zu machen. Doch es gibt zunehmend Kritik an dieser Methode.

Bereits Ende der 90er-Jahre entstand in Österreich bei der niederösterreichischen "die umweltberatung" die Idee, indische Laufenten als natürliche Schneckenbekämpfer einzusetzen. Gartenexpertin Elisabeth Koppensteiner dazu: "Meine Motivation war es, nachhaltige ökologische Möglichkeiten anstelle der gebräuchlichen Giftbomben aufzuzeigen. Indische Laufenten, zu deren bevorzugten Delikatessen die Nacktschnecke zählt, waren damals in Österreich noch eher unbekannt."

Aus der Idee entstand ein Projekt und aus dem Projekt ein Trend, der sich mittlerweile auch in der Schweiz und in Deutschland wiederfindet. 1999 erhielt "die umweltberatung" für "Rent an Ent" den europäischen Umweltpreis der Henry Ford Foundation.

So funktioniert's
Die Idee von "Rent an Ent" ist einfach: Laufentenzüchter verleihen saisonal mindestens zwei Laufenten. Die erforderliche Unterkunft für die tierischen Sommergäste wird beigestellt – je nach Vermieter abhängig vom einfachen Drahtkäfig bis hin zum schmucken Holzheim.

Die Enten werden in der Früh in den Garten gelassen und am Abend wieder eingesammelt. Als Zusatzfutter benötigen sie meist nur eine Handvoll Körner. Ausreichend Wasser zum Trinken und zur Pflege ist wichtig. Das Wasserbecken sollte mindestens so groß sein, dass die Laufenten ganz untertauchen können. 

Die Mietdauer beginnt ab zwei Wochen und kann bis zu einem Jahr betragen. Viele der Mieter behalten die Tiere aber ganz, was ebenfalls möglich ist. "Natürlich kann man nicht nachprüfen, wie genau einzelne Laufenten-Vermieter ihre Kunden über artgerechte Haltung aufklären und bei der Vergabe auch genau darauf achten. Ich gehe davon aus, dass jedem klar ist - Vermieter wie Mieter -, dass es sich bei den Laufenten nicht um Schnecken-Fressmaschinen, sondern um lebendige Tiere handelt, auf deren Wohl Rücksicht zu nehmen ist", so Koppensteiner.

"Enten sind nichts für den Schrebergarten"
Genau an diesem Wohlergehen der Laufenten im Rahmen von "Rent an Ent" zweifeln aber so manche Laufenten-Züchter. "Würden Sie Ihre Katze leihweise für die Mäusejagd hergeben?", fragt etwa Björn Clauss aus Deutschland provokant.

Clauss - passionierter indischer Laufentenzüchter und Autor mehrerer Fachbücher, darunter ein Ratgeber zur artgerechten Haltung der indischen Laufenten - sieht nicht nur das Wohl der Enten gefährdet, sondern auch den erzielbaren Nutzen bei einem kurzfristigen Laufenten-Gastspiel.

Zunächst betont Enten-Fachmann Clauss, dass Enten durch den Ortswechsel sehr wohl verstört würden – das Argument vieler Vermieter, dass die "Enten sowieso lieber unter sich bleiben und ihnen daher nur ihr gewohntes Zuhause wichtig wäre", kann Clauss aus jahrelanger Kenntnis der liebenswerten Tiere nicht nachvollziehen. "Laufenten bauen sehr wohl Bindungen zu den Menschen auf. Und auch ein Ortswechsel stellt zunächst einmal Stress für die Enten dar, sie sind Gewohnheitstiere."

Auch das im besten Fall beigegebene dreiseitige Merkblatt, erscheint dem Fachmann mehr als dürftig: "Auf die Eigenschaften und Bedürfnisse der Watschler wird dabei nicht ausreichend eingegangen. Mag sein, dass ein Teil der Tiere liebgewonnen und behalten wird, aber ein nicht unerheblicher Teil der Tiere wird leiden, wenn die Motivation der Ausleiher nur darin besteht , die Gartenschnecken schnellstmöglich loszuwerden."

Das brauchen die Tiere
Clauss bringt die wichtigsten Grundbedürfnisse auf den Punkt: Tägliche zuverlässige Versorgung morgens und abends, Unterbringung in einem mardersicheren Holzstall, ausreichender Auslauf (etwa 500 Quadratmeter für ein Entenpaar) und eine Schwimmgelegenheit – "bloßes Untertauchen ist zu wenig". Aber Achtung: Ein normaler Gartenteich wird binnen kürzester Zeit zur stinkenden Brühe, ein Gartenbiotop ist binnen eines Tages so gut wie ruiniert – "da sind die Enten gnadenlos", so Clauss.

Befinden sich Hunde oder Katzen im Haushalt, müssen die Tiere vorsichtig (und hoffentlich erfolgreich!) aneinander gewöhnt werden. Auch Kindern sollte behutsam der Umgang mit den neuen Hausgästen beigebracht werden.

Vor deren Ankunft muss der Garten übrigens "entensicher" gemacht werden: Mindestens ein halbes Jahr organische Düngung, zuverlässige Einzäunung und sicherheitshalber auch die Anlegung von Hochbeeten, denn "Enten fressen unter Umständen nicht nur die Schnecke am Salat, sondern auch gleich den Salat selbst", so Clauss. Berücksichtigen muss man auch, dass die Laufenten Gras und Pflänzchen zerstören können – und in der ersten Zeit "alles fressen, was da kriecht und fleucht. Das bisherige Ökosystem wird also erstmals zerstört. Eine Miete macht meiner Ansicht nach überhaupt keinen Sinn. Enten sind liebenswerte und drollige Kerlchen. Wer die Möglichkeit dazu hat, kann sich die Anschaffung und Haltung überlegen. Eine Arbeitsersparnis bei der Schneckenbekämpfung bringen Enten schon aufgrund des Mehraufwands für die Entenbetreuung sicher nicht, sie machen aber viel Freude", so Clauss.

Achtung: Enten können ziemlich laut werden – Nachbarn! Zusätzlich sollte man sich vor Anschaffung von Laufenten über die jeweils geltenden regionalen Bestimmungen (eventuell: Meldepflicht, Auflagen zur artgerechten Haltung etc.) beim zuständigen Amtstierarzt erkundigen!

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