Live in Wien & Ebensee

Phil Shoenfelt: „Rock‘n‘Roll ist Atem und Blut“

Musik
07.01.2025 09:00

Als junger Mann zog der Brite Phil Shoenfelt aus, um in New York das Wesen von Punk und New Wave zu inhalieren. Nach wilden Jahren im „Big Apple“ wurde er im schönen Prag sesshaft und erfreut seither auch das österreichische Publikum mit seinen Songs. Dieser Tage kommt er wieder nach Wien und Ebensee. Eine kurze Bestandsaufnahme.

(Bild: kmm)

Vor nicht allzu langer Zeit waren Stehkonzerte eine begehrte Seltenheit. Vor ein bisschen mehr als vier Jahren macht die frische Corona-Pandemie gerade ihre erste Sommerpause und Kulturveranstaltungen wurden - heute schon gar nicht mehr vorstellbar – maskiert und sitzend verfolgt. Als Phil Shoenfeldt mit seiner Band Dim Locator die Bretter des Pratersternlokals Flucc Wanne betrat, hielt es keinen mehr auf den Sesseln und die Post-Punk-Rockshow wurde zu einer noch heute feurigen Erinnerung des Widerstands im Kleinen. Mit dabei hätte auch Nick-Cave-Kompagnon Kristof Hahn sein sollen, der einst an der komplizierten Anreise scheiterte. Das Anpassen an unterschiedliche Regeln und Gesetze in unterschiedlichen Ländern war mühsam – Shoenfelt aber auch egal. „Das ist Rock’n’Roll“, erzählte er damals der „Krone“ im Interview, „unser Atem und unser Blut. Wir hatten mit dem Veranstalter einen Doordeal. Wäre niemand gekommen, hätten wir nichts verdient. Aber so ist Punkrock. Da muss man durch.“

Im wilden New York
Shoenfelt ist in der Wiener Alternative-Musikszene kein Unbekannter und kann durchaus als Legende bezeichnet werden. Geboren in der semiattraktiven britischen Industriestadt Bradford zog er früh nach New York, weil er sich von der taufrischen Punk- und New-Wave-Welle mitreißen ließ. Nach ersten Projekten gründete er dort 1981 die Post-Punk-Band Khmer Rouge mit Scratchy Myers (dem Tour-DJ von The Clash) und Marcia Schofield, die später am Keyboard von The Fall Karriere machen sollte. Khmer Rouge waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort, wurden Stammgäste des Kultklubs CBGB’s und eröffneten Konzertabende für Größen wie Nico, Alan Vega, The Gun Club, Tom Verlaine oder auch The Clash. Vom Aufkommen des Indie- und Goth-Rock animiert, veröffentlichte Shoenfelt auch Solowerke, in seiner alten Heimat Großbritannien erfüllte sich sein Lebenstraum und er fungierte als Opener für Konzert von Nick Cave And The Bad Seeds. Für die tschechische Version von Caves Buch „And The Ass Saw The Angel“ schrieb Shoenfelt das Vorwort.

„Im Leben sind nur zwei Dinge essenziell wichtig“, sprach uns Shoenfelt ins Diktiergerät, „die Liebe – egal, ob für Frau, Freunde oder Familie - und der Rock’n’Roll. Es ist wichtig, dass man sich die Energie für eine Punkrock-Show so lange wie möglich erhält.“ Dass Shoenfelt mittlerweile zum Stammgast in den hiesigen Underground-Clubs wurde, liegt an einer elementaren geografischen Veränderung. 1994 spielte er in Prag, verliebte sich in die Stadt und verwurzelte sich dort. Mittlerweile lebt er knapp 30 Jahre, also fast sein halbes Leben, die viereinhalb Autostunden nördlich von Wien und hat von dort aus etliche Projekte gestartet. Während die 2020 im Flucc aufgetretenen Dim Locator (benannt nach einem Song von The Birthday Party) mittlerweile auf Eis liegen, ist er mit seiner bereits vor drei Dekaden formierten Stammcombo Southern Cross in Hochform – wie zum Beispiel das Album „The Bell Ringer“ bewies und die anstehenden Live-Konzerte in Wien und Ebensee beweisen werden.

Künstlerischer Tausendsassa
So etwas wie die Corona-Pandemie flößte Shoenfelt vor ein paar Jahren definitiv keine Angst mehr ein. „Ich habe jahrelang in New York gelebt, als die AIDS-Problematik am Gipfel war. Ich hatte ungeschützten Sex und nahm haufenweise Drogen. Damals habe ich mir mehr Sorgen um mein Leben gemacht als ich es heute tue.“ Neben der Musik hat sich Shoenfelt von Tschechien aus immer wieder als Autor hervorgetan, ein berühmtes Werk ist die 2001 erschienene Semi-Autobiografie „Junkie Love“, in der er sehr offen mit seiner wilden Vergangenheit umgeht. Shoenfelt mag zwar nie breitenwirksame Bekanntheit erlangt haben, ist aber im alternativen Post-Punk- und Rock-Sektor eine Fixkonstante, die auf ein treues Stammpublikum bauen darf. Das Schreiben lässt ihn nicht los. „Ich war zwischen den späten 70er- und Mitte der 80er-Jahre in New York – in den kreativ besten Tagen der Stadt. Diese Erlebnisse schreibe ich auch gerade nieder.“

Anfang 2020 veröffentlichte Shoenfelt das Soloalbum „Cassandra Lied“, auf dem er sich mit seinen inneren Dämonen auseinandersetzte. „Ich will mich nicht in Details verlieren, hatte aber zwischen 2016 und 2018 eine ziemlich harte Zeit. Eine Beziehung ging in die Brüche und viele andere Dinge sind passiert, die mich herausgefordert haben. Die Texte auf dem Album sind sehr speziell und mir fiel erst später auf, was ich alles darin verarbeitet hatte. Das war ein bisschen wie bei Nietzsche. Alles sehr wahnhaft und wirr, zuweilen auch prophetisch.“ Vor „Cassandra Lied“ schrieb Shoenfelt fünf Jahre lang an Songs, die er beschissen fand und immer wieder in die Tonne kippte. „Dieses Album brachte mich aber wieder auf die Spur. Ich habe gelernt, dass ich mich nicht zu neuen Songs drängen kann, sondern abwarten muss, bis die Kreativität einschlägt.“ Kurz vor Weihnachten feierte Phil Shoenfelt seinen 72. Geburtstag - an ein Ende ist deshalb noch lange nicht zu denken. Rock’n’Roll kennt keine Pension.

Live in Wien und Ebensee
Am 17. Jänner sind Phil Shoenfelt & Southern Cross mit ihren alten Freunden, den Tiroler Punk-Legenden Intimspray, live im Wiener Chelsea zu sehen. Am 18. Jänner konzertiert Shoenfelt mit seiner Band dann auch noch im Kino Ebensee. Karten sind für beide Gigs noch zu haben.

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