Nach 100 verlorenen Tagen will Herbert Kickl schnell Koalitionsverhandlungen starten. Allerdings verlangt er von der ÖVP eine Änderung des Polit-Stils. Schon am Mittwoch soll das erste Treffen mit Christian Stocker stattfinden.
Eines war bei Kickls erstem Auftritt, nachdem er in der Hofburg den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten hatte, spürbar: Die FPÖ traut der ÖVP (noch) keinen Millimeter über den Weg. Vertrauliche Gespräche in kleinen Runden sollen eine Annäherung – mehr noch: eine Basis – für die „Koalition eines neuen Typus“, wie Kickl es nennt, bringen. Sein Ziel sei es, „Österreich ehrlich zu regieren“.
Nach 100 verlorenen Tagen werde man „rasch Klarheit“ brauchen, ob eine Koalition möglich sei, so Kickl bei seiner Pressekonferenz. Dafür werde es Änderungen in der ÖVP und Geschlossenheit brauchen: „Wenn das nicht gewährleistet ist, dann war es das schon wieder.“ Die FPÖ sei für Neuwahlen gerüstet.
Blaues Verhandlungsteam wiederbelebt
Erster Schritt in Richtung Koalitionsbildung sollen Vieraugengespräche zwischen Kickl und dem neuen ÖVP-Chef Christian Stocker sein. Das erste Treffen soll bereits am Mittwoch stattfinden. Der blaue Parteivorstand gab dafür grünes Licht. In der freiheitlichen Präsidiumssitzung wiederbelebt wurde auch das Verhandlungsteam, das bereits für die ersten – gescheiterten – Gespräche mit der ÖVP aufgestellt worden war. Diesem gehören neben Kickl die beiden Generalsekretäre Michael Schnedlitz und Christian Hafenecker an. Dazu kommen Klubdirektor Norbert Nemeth, der Klubobmann im niederösterreichischen Landtag Reinhard Teufel, die Abgeordnete Susanne Fürst sowie Manager Arnold Schiefer.
Kickl fällt es nicht leicht, mit der ÖVP zu sprechen
Kickl betonte in seiner Pressekonferenz, dass er nicht in die Vergangenheit schaue, sondern in die Zukunft. Nachtragend zu sein, führe zu nichts, auch wenn er die Skepsis mancher Warner gegenüber der Volkspartei verstehe: „Ich habe ja zuerst auch gedacht, ich höre nicht richtig“, meinte der FPÖ-Chef zum Schwenk der ÖVP in Richtung Freiheitliche.
Dass er nun mit der Volkspartei rede, sei auch für ihn nicht leicht. Gleichzeitig richtete er an die ÖVP die Forderung, dass diese erkennen müsse, wer stärkste Partei geworden ist und wer am 2. Platz gelandet sei.
Seine Rede war auch mit der einen oder anderen Warnung gespickt. Eine nur verbale Neupositionierung der ÖVP reicht Kickl nicht. „Es braucht auch die Einsicht.“ Er wolle nun „keine Spielchen, keine Tricks, keine Sabotage, keine Quertreiberei, keine Politik des Machterhalts“, skizzierte Kickl, wie er sich die Zusammenarbeit vorstellt.
Das blaue Misstrauen gegenüber der ÖVP hat eine sehr lange Historie. Schon für die Spaltung in FPÖ und BZÖ Anfang der 2000er-Jahre in Knittelfeld machte damals Kickl die Volkspartei unter Kanzler Wolfgang Schüssel mitverantwortlich.
Spätestens 2019 erlebte der FPÖ-Chef die nächste Enttäuschung: Nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos verlangte ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, den damaligen Innenminister Kickl aus seinem Amt zu entlassen. So kam es auch.
ÖVP demonstriert eine gewisse Gelassenheit
In der ÖVP sieht man diese Warnungen mit einer gewissen professionellen Gelassenheit. Es sei klar, dass Kickl nach dem Scheitern der Regierungsverhandlungen zeigen wolle, dass er das Zepter in der Hand habe. „Für Kickls Verhältnisse war die Rede eher versöhnlich. Und persönliche Befindlichkeiten spielen bei Regierungsverhandlungen eine untergeordnete Rolle“, hört man aus ÖVP-Kreisen.
Offiziell wollte kein ÖVP-Grande die Kickl-Aussagen kommentieren. ÖVP-Landeshauptmann Markus Wallner sagte hinsichtlich seiner ablehnenden Haltung gegenüber Kickl: „Persönliche Wünsche sind das eine, Notwendigkeiten das andere.“ Es gelte nun, „staatskrisenähnliche Zustände“ zu verhindern.
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