„Politisch motiviert“

Faktenchecker kritisieren Zuckerbergs Kehrtwende

Web
08.01.2025 13:55

Europäische Faktencheck-Organisationen haben sich über die Ankündigung des Facebook-Konzerns Meta, die Zusammenarbeit mit Faktencheckern zu beenden, enttäuscht gezeigt. Der Schritt sei „politisch motiviert“ im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Amtsantritt Donald Trumps, heißt es in einem Statement des European Fact-Checking Standards Network (EFCSN). 

Faktenüberprüfung mit Zensur gleichzusetzen, sei eine „falsche und böswillige Behauptung“. Factchecking sei keine Zensur, sondern bereichere öffentliche Debatten, liefere Kontext und Fakten, damit sich jede und jeder eine eigene Meinung bilden könne, schreibt das EFCSN. „Die Überprüfung von Fakten hat sich als wirksames Mittel gegen Fehlinformationen erwiesen, und zwar immer wieder“, betonte das Netzwerk.

Facebook-Gründer und Konzernchef Marc Zuckerberg hatte am Dienstag in einem Video überraschend angekündigt, die Kooperation mit Faktencheckern zu beenden und künftig weniger stark bei der Verbreitung von Falschbehauptungen auf seinen Plattformen eingreifen zu wollen. Faktenchecker seien zu „politisch voreingenommen“ gewesen und hätten viel Vertrauen zerstört, sagte Zuckerberg.

Statt der Kennzeichnung von Postings mit Falschbehauptungen und den verlinkten Faktenchecks soll es künftig – ähnlich wie bei X (früher Twitter) nur mehr sogenannte Community Notes geben. Das heißt, dass jeder Nutzer und jede Nutzerin selbst Posts und deren Wahrheitsgehalt bewerten kann.

Journalistische Standards durch unabhängige Prüfung gewährleistet
Es sei „schlichtweg falsch“, dass Faktenchecker zu politisch voreingenommen seien, betonte das EFCSN in seinem Statement. Faktenprüfer würden den „höchsten journalistischen Standards der unvoreingenommenen Berichterstattung, Transparenz, Integrität und Verantwortlichkeit“ unterliegen, wobei Organisationen wie das EFCSN diese Standards durch eine unabhängige Prüfung aufrechterhielten.

Sorge vor Wahlbeeinflussung
Das Netzwerk warnte angesichts bevorstehender Wahlen in mehreren europäischen Ländern vor steigender Wahlbeeinflussung durch ausländische Akteure, sollte der Kampf gegen Desinformation reduziert werden. Die EU müsse deshalb bei der Durchsetzung ihrer eigenen Gesetze bleiben, „auch wenn andere Länder Druck ausüben“. Das EFCSN ermutige die Europäische Union, dem „politischen Druck standzuhalten“ und sich in ihren Bemühungen, die Verbreitung von Falsch- und Desinformationen auf großen Online-Plattformen zu stoppen, nicht beirren zu lassen, hieß es.

Nobelpreisträgerin Ressa warnt vor „extrem gefährlichen Zeiten“
Auch die philippinische Journalistin und Nobelpreisträgerin Maria Ressa zeigte sich besorgt über die Entscheidung Zuckerbergs. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP am Mittwoch warnte Ressa vor „bevorstehenden extrem gefährlichen Zeiten“ für die Demokratie, für den Journalismus und für die Nutzer von Online-Medien.

Zuckerberg gehe es nicht um die Rede- und Meinungsfreiheit. „Mark Zuckerberg sagt, es ist eine Frage der Redefreiheit – das ist vollkommen falsch.“ Sie fügte hinzu: „Nur wenn du profitorientiert bist, kannst du das behaupten. Nur wenn du Macht und Geld willst, kannst du das behaupten“, sagte Ressa. Das Ende des Faktenüberprüfungsprogramms würde zu einer „Welt ohne Fakten führen“, sagte sie. Und eine Welt ohne Fakten ebne den Weg für Diktatoren.

Kehrtwende
Meta hatte erst vor wenigen Monaten, im Vorfeld der EU-Wahlen im Mai des vergangenen Jahres, betont, wie wirksam die Kennzeichnung von faktengeprüfter Desinformation sei. „Zwischen Juli und Dezember 2023 wurden beispielsweise über 68 Millionen Inhalte in der EU auf Facebook und Instagram mit einem Faktencheck-Label versehen. Wenn ein Beitrag mit einer Kennzeichnung zur Faktenüberprüfung versehen ist, klicken sich 95 Prozent der Nutzer nicht durch den Beitrag, um ihn anzusehen“, teilte der Konzern damals mit.

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