Österreich trauert um ein „theatralisches Jahrhundertgenie“: Otto Schenk hat am Donnerstagmorgen im Alter von 94 Jahren die Bühne für immer verlassen. Über sieben Jahrzehnte prägte der Wiener die Schauspielhäuser und Opern dieser Welt.
Weit über 70 Jahre stand Otto Schenk als Schauspieler auf der Bühne, hat sich aber auch als Theater- und Opernregisseur einen Namen gemacht. Darüber hinaus leitete der Wiener von 1988 bis 1997 das Theater in der Josefstadt.
Nun starb der Vielbeschäftigte, der bis zuletzt mit Lesungen das Publikum erfreute, in den frühen Morgenstunden des heutigen Donnerstags im Alter von 94 Jahren in seinem Haus am Irrsee. Dies gab sein Sohn Konstantin Schenk bekannt.
„Theatralisches Jahrhundertgenie“
„Österreich verliert mit ihm ein theatralisches Jahrhundertgenie mit einer Universalität, die seinesgleichen sucht. Vom Würschtelmann bis zum Wozzeck, von den Sachen zum Lachen zum Ring des Nibelungen, vom Kellertheater zur Met und Scala Milano, vom Burgtheater über das Theater in der Josefstadt bis hin zur Staatsoper erschallt sein Ruf ...“, würdigte der Sohn den verstorbenen Vater.
„Ich bin ein schwerer, träger Mühlstein, und immer wieder hat es Leute gegeben, die dieses Mühlrad bewegt haben“, kokettierte Schenk einmal mit der eigenen Trägheit, die so schlimm nicht sein konnte, wenn er im Rückblick auf rund 170 Inszenierungen kommt, die er im Laufe seiner langen Karriere geschaffen hat.
Stand bereits als Teenager auf der Bühne
Schenk wurde am 12. Juni 1930 in Wien als Sohn eines Notars und einer aus Triest stammenden Mutter geboren. Sein Bühnendebüt feierte er bereits 1947 als Gendarm in Karl Schönherrs „Karrnerleut“ im Theater der Jugend, das damals in der Urania untergebracht war. Beim Vorsprechen am Max-Reinhardt-Seminar als Zettel überzeugte er u.a. die große Helene Thimig.
Mit einer Gruppe gleichgesinnter Theater-Enthusiasten übernahm er in dieser Zeit auch das Parkring-Theater und landete mit Erich Neubergs Inszenierung von Becketts „Warten auf Godot“ einen großen Erfolg. Aus den Kellertheatern wechselte er Mitte der 50er über das Volkstheater ans Theater in der Josefstadt.
Den Durchbruch als Regisseur feierte Otto Schenk 1960 mit seiner Josefstadt-Inszenierung von Eugene O‘Neills „O Wildnis!“. Es folgten Horvath-Inszenierungen an den Münchner Kammerspielen („Geschichten aus dem Wiener Wienerwald“, 1966 und „Kasimir und Karoline“, 1969), Regiearbeiten am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, bei den Salzburger Festspielen – u.a. Shakespeares „Was ihr wollt“ (1972) und „Wie es euch gefällt“ (1980) sowie die Nestroy-Stücke „Der Talisman“ (1976) und „Der Zerrissene“ (1982, mit sich selbst als Gluthammer) – und an der Burg.
Sein Schauspieldebüt am Burgtheater gab er erst 1996 als Hohes Alter in Raimunds Zaubermärchen „Der Bauer als Millionär“.
Weltkarriere als Opernregisseur
Als Opernregisseur machte Otto Schenk Weltkarriere. Seine erste Oper inszenierte er mit Mozarts „Zauberflöte“ bereits 1957 am Salzburger Landestheater. Den endgültigen Durchbruch in dieser Sparte schaffte Schenk 1962 mit Bergs „Lulu“ an der Wiener Staatsoper. Bei den Salzburger Festspielen (wo er 1986-88 Direktoriums-Mitglied war) inszenierte er u.a. die Uraufführung von Cerhas „Baal“ (1981).
Die New Yorker Met, wo Schenk 1970 mit „Fidelio“ debütierte und 2009 noch einmal seinen „Ring des Nibelungen“ (1986-88) auf die Bühne brachte, wurde seine zweite Heimat. Hier brach er für eine Zusammenarbeit mit Anna Netrebko 2006 auch seinen Eid, sich endgültig von der Regie zurückzuziehen, und inszenierte Donizettis „Don Pasquale“.
Unzählige Rollen
Schenk hat sich mit unzähligen Rollen in das Gedächtnis des Publikums gespielt, etwa als „Bockerer“ (1984 im Münchner Volkstheater bzw. 1993 in der Josefstadt), als Fortunatus Wurzel in „Der Bauer als Millionär“ (Salzburger Festspiele, 1987), als „Volpone“ (1989), als Salieri in Shaffers „Amadeus“ (1991), als Zauberkönig in „Geschichten aus dem Wiener Wald“ (1994), als Molieres „Der Geizige“ (1995), als Rappelkopf in Raimunds „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ (Salzburger Festspiele, 1996), in Turrinis „Josef und Maria“ (1999) oder als Thomas Bernhards „Theatermacher“ (2006).
Seine letzte große Premiere im Theater in der Josefstadt feierte er 2019 in Tschechows „Der Kirschgarten“, noch im Jahr 2023 stand er mit einem Erinnerungsabend auf der Bühne im Theater Akzent, nachdem er nach dem Tod seiner Ehefrau Renée im Jahr 2022 eine Bühnenpause eingelegt hatte. Der Titel: „Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut“.
Brachte Menschen zum Lachen
Seine Popularität in Österreich verdankte Schenk auch seiner regen Bildschirm-Präsenz wie etwa in „Mein Opa ist der Beste“ (1995) oder „Mein Opa und die 13 Stühle“ (1997) in der Regie von Helmuth Lohner und seinen zahlreichen Lesungen.
In der deutschen Version des mit dem Trickfilm-Oscar ausgezeichneten Animationsstreifens „Up“ lieh er dem ebenso abenteuerlustigen wie grantigen Witwer Carl Fredricksen seine Stimme.
Mit Kabinettstücken wie „Die Sternstunde des Josef Bieder“ (seit 1992) oder „Othello darf nicht platzen“ (ab 1990) hat er sich vor allem als Komiker ins kollektive Gedächtnis eingeschrieben.
Zuletzt war Otto Schenk 2020 in Michael Kreihsls TV-Komödie „Vier Saiten“ mit einem neuen Werk am Bildschirm zu erleben. „Es war nicht immer komisch“, hat er dagegen ein Erinnerungsbuch genannt, „Ich war nie darauf aus, dass es komisch wird. Ich war darauf aus, dass man mir glaubt.“
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