Welche Zahlen stimmen?

Streit über Personalknappheit in den Kindergärten

Vorarlberg
10.01.2025 07:55

Immer wieder wird über einen „Personalnotstand“ in Vorarlbergs Kindergärten diskutiert. Ist es wirklich so schlimm? Die „Krone“ hat nachgefragt. 

Fragt man bei der Gewerkschaft younion nach, wie es um den Personalstand in Kindergärten bestellt ist, lautet die Antwort: „Nicht gerade gut bis erschreckend schlecht“. Beim Land heißt es: „Vorarlberg hat im bundesweiten Vergleich den besten Betreuungsschlüssel.“ Demnach betreuen aktuell 1352 Pädagogen 662 Kindergartengruppen. Der Betreuungsschlüssel liege bei 1:6. Zusätzlich stünden zwei Assistenten für jede Gruppe zur Unterstützung zur Verfügung.

Von einer „belastenden Situation für das Personal“, wie es bei der Gewerkschaft heißt, will das Land nicht sprechen. „Natürlich habe ich keine konkreten Zahlen vorliegen“, bedauert younion-Landesvorsitzender Thomas Kelterer. „Wir wissen aber von unseren unzähligen Beratungen und Besuchen in den Einrichtungen, dass die Lage durchaus prekär und belastend ist.“ Er verweist auch auf eine Umfrage der younion aus dem Jahr 2023, an der österreichweit rund 6000 Beschäftigte in elementaren Kinderbildungseinrichtungen teilgenommen haben. 94 Prozent sprachen von einer zunehmenden Arbeitsbelastung.

Gefährliche Situationen
Rund 60 Prozent müssen regelmäßig Überstunden leisten. 68 Prozent des Personals sehen sich an der Belastungsgrenze bzw. stufen die Belastung als „sehr Hoch“ ein. Und – vor allem für die Eltern brisant – die Hälfte der Befragten gab an, dass der Personalmangel bereits zu gefährlichen Situationen geführt hat.

Thomas Kelterer von der Gewerkschaft.  (Bild: Phillip Vondrak)
Thomas Kelterer von der Gewerkschaft. 

Weiters ergab eine Studie des Instituts für Gesundheitsförderung und Prävention aus dem vergangenen Jahr mit knapp 7000 Befragten: 56 Prozent der Kindergartenleiter und 63 Prozent der Pädagogen empfinden eine hohe emotionale Erschöpfung. Acht von zehn Leiter und Elementarpädagogen sind überfordert. Einen Karrierewechsel erwägen 46 Prozent der Leiter und 58 Prozent der Elementarpädagogen. Ein entsprechendes Stimmungsbild zeigte auch eine Protestkundgebung vor zwei Jahren vor dem Landhaus in Bregenz, an der rund 300 Personen teilgenommen haben.

Hintertür offen gelassen
Landesrätin Barbara Schöbi-Fink hat vor zwei Jahren anlässlich einer Konferenz der Landesbildungsreferenten selbst von einem „spürbaren“ Fachkräftemangel in der Elementarpädagogik gesprochen. Eine Antwort auf die Frage, was sie mit „spürbar“ genau meinte, blieb ihr Büro auf Anfrage leider schuldig. Im neuen Kinderbildungs- und Betreuungsgesetz wurde jedenfalls eine Hintertür offengelassen, im Falle, dass zu wenige Fachkräfte vorhanden sind. Eigentlich dürfen nur Pädagogen die Leitung einer Gruppe übernehmen. Fällt die Fachkraft jedoch über einen längeren Zeitraum aus oder kann eine Stelle nicht zeitgerecht nachbesetzt werden, kann eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden und auch eine Assistenzkraft als Gruppenleiter einspringen.

Landesrätin Barbara Schöbi-Fink. (Bild: Mathis Fotografie)
Landesrätin Barbara Schöbi-Fink.

 Immerhin könnte so zumindest ein wenig Druck aus der Situation genommen werden – insofern die Regelung von Gemeinden nicht ausgenutzt wird, um bei den Personalkosten zu sparen. Im Betreuungsjahr 2023/2024 ist laut Land für rund vier Prozent der Gruppen und im Betreuungsjahr 2024/2025 für bislang etwa fünf Prozent der Gruppen eine entsprechende Anzeige eingegangen. „In vielen Fällen bezieht sich die Anzeige an die Landesregierung nur auf einzelne Tage oder einzelne Nachmittage, an denen keine Fachkraft anwesend ist“, heißt es aus dem Büro der Landesrätin. Hier braucht es keine Ausnahmegenehmigung.

Doch wie kommen nun diese unterschiedlichen Auffassungen zustande? Gewerkschafter Kelterer vermutet, dass das Land die unter Verschluss gehaltenen Daten öffentlich positiver darstellt als sie sind. Offensichtlich seien Urlaube und andere Abwesenheiten nicht berücksichtigt. „Ich weiß aus der Praxis und unzähligen Rückmeldungen des Personals, dass die Realität anders aussieht.“

Beste Jobaussichten garantiert
Wegen Personalmangel mussten auch schon Öffnungszeiten – etwa in Feldkirch – reduziert werden. Das Land verweist auf die laufende Ausbildungsoffensive und erwartet sich bald einen Schub an Fachkräften. „Bereits im Sommer werden die ersten Abschlüsse der zusätzlich geschaffenen Ausbildungsplätze – etwa im neuen Tageskolleg am BORG Lauterach – vorliegen.“ Ob diese Absolventen dann jedoch auch in den Beruf wechseln, wird sich zeigen. Laut Kelterer sind nur 16 von 60 Schülern der Bildungsanstalt für Elementarpädagogik in Feldkirch im letzten Abschlussjahr in den Beruf eingestiegen. Die Personalsituation bleibt damit auch im heurigen Jahr eine der größten Baustellen für das Land. Aber immerhin sind die Jobchancen und Möglichkeiten für Interessierte in diesem Bereich so gut nie zuvor.

Porträt von Vorarlberg-Krone
Vorarlberg-Krone
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