Schwere Straftaten

Deutsches Gericht lässt Anom-Chats als Beweise zu

Web
10.01.2025 07:28

Zur Klärung von Straftaten dürfen Ermittler in Deutschland Daten von Kryptohandys des Anbieters „Anom“ nutzen, die das FBI gezielt an Kriminelle verkaufen ließ. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe entschied, dass die von den USA übermittelten Daten als Beweismittel verwertbar sind, wenn sie der Aufklärung schwerer Delikte dienen.

Das deutsche Bundeskriminalamt (BKA) startete im März 2021 im Auftrag der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main – Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität – Ermittlungen in diesem Zusammenhang. Nach früheren Angaben geht es um Daten zu rund 2700 Nutzern mit Deutschlandbezug und um schwerste Straftaten im Bereich der organisierten Kriminalität.

Bis Ende September 2024 hat das BKA mehr als 1400 Nutzer identifiziert und knapp 830 Ermittlungsverfahren eingeleitet. 378 Haftbefehle seien vollstreckt, 279 Urteile gesprochen. In der Bilanz nach mehreren Durchsuchungen stehen unter anderem jeweils mehrere Tausend Kilogramm Cannabis und synthetische Drogen sowie 96 sichergestellte Schusswaffen und fast 4000 Stück Munition.

Staat will geheim bleiben
Bisher war es mangels höchstrichterlicher Rechtsprechung umstritten, ob die „Anom“-Daten als Beweise verwertet werden dürfen, wie es in einem Beitrag der „Kriminalpolitischen Zeitschrift“ heißt. Mit den sogenannten „EncroChat“-Fällen sei „AnomChat“ nicht vergleichbar. Wegen vieler rechtlicher Fragen und den Umständen der Datenerhebung habe die Rechtsprechung zu letzteren dazu tendiert, ein sogenanntes Beweisverwertungsverbot anzunehmen.

Hintergrund ist unter anderem, dass ein Server, an den bei Versand einer Chatnachricht eine Kopie gesendet wurde, seit Sommer 2019 in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union stand, dessen Identität das FBI auf dessen Bitte nicht preisgab. Unbekannt ist nach BGH-Angaben auch, warum dieser Staat um Geheimhaltung bat. Das Aus- und Weiterleiten der Daten sei laut einem Gerichtsbeschluss bis zum 7. Juni 2021 begrenzt gewesen.

Das BKA habe über eine internetbasierte Auswerteplattform Zugang zu den entschlüsselten Daten mit Deutschlandbezug erhalten. Das US-Justizministerium habe auf ein Rechtshilfeersuchen der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft hin dem Verwerten der Daten zugestimmt.

„Designed by criminals for criminals“
Nach Auffassung des 1. Strafsenats am BGH in Karlsruhe wiegt es in der Abwägung nicht so schwer, dass einige Informationen geheim sind und selbst die deutsche Justiz manches nur vom Hörensagen weiß. Ob ein Beweisverwertungsverbot besteht, sei ausschließlich nach deutschem Recht zu beantworten. Ausländische Ermittlungsmaßnahmen müssten nicht nach dortigem Recht überprüft werden. „Es ist auch nicht entscheidend, ob die deutschen Ermittlungsbehörden in gleicher Weise hätten vorgehen dürfen.“

Die Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis seien begrenzt gewesen, befand der BGH laut Mitteilung: „Die Maßnahmen richteten sich ausschließlich gegen Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für die Beteiligung an Straftaten der organisierten Kriminalität, insbesondere im Bereich des Betäubungsmittel- und Waffenhandels, bestanden.“

Schon der Vertriebsweg habe sich auf kriminelle Kreise beschränkt. Der BGH zitiert den Slogan „designed by criminals for criminals“ (auf Deutsch: von Kriminellen für Kriminelle entwickelt). Dies und die hohen Kosten sprächen für den Verdacht, dass der Nutzer das Gerät zur Planung und Begehung schwerer Straftaten im Bereich der organisierten Kriminalität einsetzte.

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