In einem potenziell richtungsweisenden Verfahren hat am Freitag die Anhörung vor dem Supreme Court über den Zwangsverkauf oder ein mögliches Verbot von TikTok in den USA begonnen. Die Richter müssen abwägen, ob die Risiken für die nationale Sicherheit solche Maßnahmen rechtfertigen oder das von der Verfassung garantierte Recht auf freie Meinungsäußerung schwerer wiegt.
Dem TikTok-Anwalt Noel Francisco zufolge ist die Einschränkung der Redefreiheit das eigentliche Ziel des umstrittenen US-Gesetzes. Es basiere auf der „Angst, dass Amerikaner, selbst wenn sie vollständig informiert sind, von chinesischen Fehlinformationen überzeugt werden könnten. Eine solche Entscheidung überlässt der erste Verfassungszusatz aber den Menschen.“
Algorithmus gilt als wertvollstes Gut des Konzerns
Weiters betonte er, dass der Empfehlungsalgorithmus der App eine redaktionelle Ermessensentscheidung repräsentiere. Das im vergangenen Jahr verabschiedete US-Gesetz verbiete die Nutzung dieses Algorithmus, sofern der chinesische Mutterkonzern ByteDance TikTok nicht verkaufe. „Das ist eine direkte Einschränkung der Redefreiheit von TikTok.“
Die Software, die Nutzern weitere Videos vorschlägt, gilt als wertvollstes Gut des Konzerns. Experten bezweifeln, dass ByteDance den Algorithmus preisgeben würde. Außerdem würde die chinesische Regierung voraussichtlich ein Veto einlegen, weil sie darin eine strategisch wichtige Technologie sehe. Er verwies außerdem darauf, dass der künftige US-Präsident Donald Trump von seiner ursprünglichen Position abgerückt sei und ein Verbot ablehne. Stattdessen wolle er eine politische Lösung finden.
Spionageverdacht gegen chinesischen Eigentümer ByteDance
Der konservative Chef-Richter John Roberts verwies dagegen auf den Spionageverdacht gegen TikTok und den chinesischen Eigentümer ByteDance. „Sollen wir die Tatsache ignorieren, dass die Muttergesellschaft Geheimdienstarbeit für die chinesische Regierung leistet? Sie ignorieren hier die Hauptsorge des Kongresses: die Manipulation von Inhalten und das Sammeln von Daten.“ Sein Kollege Clarence Thomas bezweifelte, dass die Meinungsfreiheit eingeschränkt werde. Es handle sich eher um eine Beschränkung von ByteDance.
Die Fülle der Informationen, die TikTok über seine Nutzer und deren Kontakte, die selbst kein Konto bei der Plattform haben, besitze, gebe China ein mächtiges Instrument für Schikane, Anwerbung und Spionage an die Hand, sagte Generalstaatsanwältin Elizabeth Prelogar, die die US-Regierung vertrat. „Die chinesische Regierung könnte TikTok jederzeit als Waffe einsetzen, um den USA zu schaden.“
TikTok-Anwalt Francisco betonte, dass ein Verbot einen Präzedenzfall schaffen würde. Denn dann könnte eine Regierung jegliche missliebige Plattform abschalten lassen.
TikTok und ByteDance stehen wegen ihrer Nähe zur Regierung in Peking in zahlreichen Ländern unter Spionageverdacht. Obwohl die Firmen diese Vorwürfe mehrfach zurückgewiesen haben, wurde die vor allem bei Jugendlichen beliebte Kurzvideo-App TikTok in einigen Staaten ganz oder teilweise verboten. Der US-Kongress hatte im vergangenen Jahr mit großer Mehrheit ein Gesetz verabschiedet, das den chinesischen Mutterkonzern ByteDance dazu verpflichtet, sein US-Geschäft bis zum 19. Jänner 2025 zu verkaufen. Ansonsten wird die Plattform landesweit gesperrt.
Trump möchte Fristaufschub
Donald Trump, der am 20. Jänner als nächster US-Präsident vereidigt wird, bat die Richter seinerseits vor einigen Tagen um einen Aufschub der Frist. Trump argumentierte, er könne die Plattform mit Verhandlungen retten und zugleich eine Lösung für die Sicherheitsbedenken der US-Regierung finden.
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