Abwehr von EU-Diktat

Finanzminister Mayr auf heikler Mission in Brüssel

Innenpolitik
14.01.2025 15:59

Österreichs Ersatzminister geben sich derzeit in Brüssel die Türklinke in die Hand. Nach Interimskanzler und Noch-Außenminister Alexander Schallenberg ist heute Finanzminister Gunter Mayr in die EU-Metropole gefahren, um dort die blau-schwarzen Sparpläne zu präsentieren und ein Defizitverfahren der Kommission gegen Österreich abzuwenden.

Warum Brüssel beim nationalen Budget überhaupt mitredet, hat einen einfachen Grund: Fehlentwicklungen in der Wirtschaftspolitik können Rückwirkungen auf alle Mitgliedstaaten haben, besonders auf jene mit der gemeinsamen Währung. Um Fehlentwicklungen rechtzeitig zu erkennen und gegensteuern, überwachen sich die EU-Länder gegenseitig. Sie allen haben sich verpflichten, bestimmte Kriterien einzuhalten, um Stabilität und Wachstum sicherzustellen.

Maastrich-Kriterien

EU-Mitgliedstaaten müssen bei Teilnahme an der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) gewisse Kriterien einhalten, die sogenannten Konvergenzkriterien:

  • Das öffentliche Defizit darf nicht mehr als 3 Prozent des BIP betragen.
  • Der öffentliche Schuldenstand darf nicht mehr als 60 Prozent des BIP betragen.
  • Die Inflationsrate darf maximal 1,5 Prozent über jener der drei preisstabilsten Mitgliedstaaten des Vorjahres liegen.

Die Europäische Kommission und die Europäische Zentralbank überprüfen die Erfüllung dieser Kriterien und die Kommission kann bei Nichteinhaltung ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten.

Kommt es zu einem Verfahren, gibt die EU-Kommission den Defizitsündern einen Pfad vor, wie sie die Verschuldung in den nächsten Jahren abbauen können. Dieser Referenzpfad deckt einen Zeitraum von vier Jahren ab, der bei entsprechenden Reform- und Investitionsvorhaben auf Antrag eines Staats auf bis zu sieben Jahre verlängert werden kann.

6,4 Milliarden noch heuer sind sehr ambitioniert
FPÖ und ÖVP wollen ein solches „Diktat“ aus Brüssel vermeiden und haben sich auf einen siebenjährigen Sanierungsplan geeinigt. Demnach sollen noch heuer rund 6,4 Milliarden Euro eingespart werden. Viele Budgetexperten sind skeptisch, ob sich das ausgeht, denn das Jahr läuft bereits. Es muss also sehr schnell gehen.

ÖVP und FPÖ haben als Erstes einen Sanierungsplan erstellt. (Bild: EPA)
ÖVP und FPÖ haben als Erstes einen Sanierungsplan erstellt.

Österreich hat ein Ausgabenproblem
Der wirtschaftsnahe Thinktank Agenda Austria hält das dagegen für machbar, und das nur ausgabenseitig. Sie hat eine Liste mit einem Einsparungspotenzial von bis zu elf Milliarden erstellt. Demnach kostet alleine die Überförderung beim Klimabonus 800 Millionen Euro. Die Abschaffung des gesamten Klimabonus würde 2,3 Milliarden bringen. Die Abschaffung der Bildungskarenz bringt 730 Millionen, der Stopp von Subventionen für die grüne Transformation weitere 500 Millionen. Einiges zu holen gibt es demnach auch im Sozialbereich: Der Ausgleich der Überanpassung der Pensionen seit 2009 bringt schlagartig 720 Millionen. Das Dieselprivileg kostet 500 Millionen im Jahr, die Mehrwertsteuervergünstigung für erneuerbare Energie 200 Millionen und die Erhöhung der Pendlerpauschale seit 2013 weitere 200 Millionen.

(Bild: Krone KREATIV)

Wifo-Chef Gabriel Felbermayr und IHS-Direktor Holger Bonin haben sich für ein EU-Defizitverfahren gegen Österreich anstatt eines radikalen Sparkurses ausgesprochen, damit die Konjunktur nicht abgewürgt wird. Eine sprunghafte Reduktion des Defizits auf die Maastricht-Höchstgrenze von 3 Prozent würde laut aktueller Wifo-Prognose das Wachstums um 0,5 bis 1 Prozentpunkt dämpfen.

(Bild: Krone KREATIV/Stock Adobe)

Defizitverfahren würde mehr Flexibilität bieten
Ein Defizitverfahren bietet in der Regel kurzfristig mehr Flexibilität, wenn außergewöhnliche wirtschaftliche oder finanzielle Krisen eintreten (z.B. Rezession, Naturkatastrophen oder unerwartete geopolitische Spannungen). In solchen Fällen erlaubt die EU, dass ein Land vorübergehend das Defizit überschreitet, um die Wirtschaft zu stabilisieren und notwendige Konjunkturmaßnahmen zu ergreifen. Eine strikte Begrenzung würde in solchen Zeiten zusätzliche Belastungen schaffen, da das Land möglicherweise gezwungen wäre, in einer Krise Kürzungen vorzunehmen oder Steuern zu erhöhen, was die Erholung verlangsamen könnte.

EU kann auch Sanktionen gegen Defizitsünder verhängen
Im Rahmen eines Defizitverfahrens können Sanktionen gegen einen Defizitsünder verhängt werden, wenn dieser die an ihn gestellten Anforderungen zur Korrektur eines übermäßigen Defizits nicht erfüllt. Bei Nichteinhaltung könnten am Ende Geldstrafen in Milliardenhöhe fällig werden – was allerdings noch nie vorkam.

Ist Österreich der einzige EU-Defizitsünder?
Nein, ganz im Gegenteil. Die EU-Kommission leitete im Juni 2024 gegen sieben Länder ein EU-Defizitverfahren ein. Darunter waren auch Frankreich und Italien – immerhin die zweit- und drittgrößte Volkswirtschaft innerhalb der Europäischen Union. Neben Frankreich und Italien sind auch Belgien, Ungarn, Malta, Polen, Slowakei. Auch gegen Rumänien ist ein Verfahren anhängig.

Endgültige Frist am 30. Jänner
Der Zeitplan: In einem nächsten Schritt wird die Kommission dem Rat der Minister eine Empfehlung geben. Es ist dann Sache des Rates zu entscheiden, ob ein Defizitverfahren eröffnet würde oder nicht. Die gesamte EU-Kommission tagt jeden Mittwoch in Brüssel. Morgen könnte also bereits über die Empfehlung entschieden werden. Die endgültige Frist für Österreich ist laut dem Kommissions-Sprecher der 30. Jänner. Natürlich würden diese Fragen normalerweise beim Rat der Wirtschafts- und Finanzminister entschieden, der das nächste Mal am 21. Jänner in Brüssel tagt.

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Kommentarfunktion steht Ihnen ab 6 Uhr wieder wie gewohnt zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
das krone.at-Team

User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.



Kostenlose Spiele
Vorteilswelt