Oft belächelt, aber:

Gaming in Österreich ist „Zukunftsbranche“

Spiele
14.01.2025 12:21

Die Zukunft ist digital. In besonderem Maße gilt das für die Spieleindustrie, die sich seit Jahren auf Wachstumskurs befindet. Dazu trägt auch die österreichische Szene bei, gibt es hierzulande doch rund 150 Unternehmen, die aktiv in der Games-Entwicklung tätig sind. 

„Die Branche ist ein Krisengewinner“, blickt Martin Filipp vom Gamesverband PGDA auf die Coronazeit zurück. In der Zeit der Lockdowns war Gaming für viele Menschen ein Tor in die Welt. „Im Verhältnis zu anderen Bereichen hatten wir ein Distributions- und Vertriebssystem, durch das wir mit dem Kunden direkt kommunizieren konnten“, so Filipp. Und was oft vergessen werde: „Wir haben Hilfestellung geleistet – mit einem Produkt, das oft belächelt wird, das in die Shooter-Ecke abgeschoben wird.“ Dabei hat sich die Szene längst differenziert, gibt es neben Blockbustertiteln wie „GTA“ auch die vielen Casual-Games am Smartphone oder Indie-Titel, die bewusst andere narrative Zugänge wählen.

Kreative, die Geschichten erzählen
Dafür steht auch das Wiener Entwicklerstudio Mi‘pu‘mi, für das Filipp als COO tätig ist und das neben der Mitarbeit an großen internationalen Spielen wie „Hitman“ oder „Indiana Jones und der Große Kreis“ so detailverliebte Eigenproduktionen wie „The Lion‘s Song“ oder „Howl“ auf den Markt gebracht hat. Ein anderes Beispiel aus Österreich wäre das 2024 sehr erfolgreiche „Dungeons of Hinterberg“ von Microbird Games (siehe Trailer unten). Hier finden sich Helden abseits machistischer Stereotypen und werden gesellschaftspolitische Themen im interaktiven Setting behandelt. „Wir sind Kreative, versuchen unsere Geschichten zu erzählen und uns über das Medium Games auszudrücken. So wie es ein Maler, ein Musiker oder ein Schriftsteller machen würde“, betont Filipp.

Aus seiner Sicht ist „Interaktivität der Faktor, der die Zukunft definieren wird“. Das gehe weit über den reinen Unterhaltungsbereich hinaus. Zwar seien aktuell etwa 80 Prozent in der Branche „Popcorn und Entertainment. Aber: 20 Prozent, und dieser Teil ist wachsend, geht in Fortbildung, Ausbildung, Training.“ Soll heißen, dass Lerninhalte immer öfter mittels interaktivem, eben spielerischem Setting aufbereitet werden. Hier sieht Filipp großes Potenzial, gerade im schulischen Sektor. „Ich wäre sehr traurig, wenn wir in zehn Jahren noch einen Unterricht haben, der auf Frontalunterricht basiert. Das stärker projektbezogene Arbeiten, das Miteinander und Interaktive ist genau das, was das Medium Games anbietet.“

Aufschwung dank Ausbildung
Apropos Ausbildung: Neben der Professionalisierung der Branche selbst liege der Aufschwung auch an den Fachhochschulen in Salzburg, Hagenberg, Graz und Wien. „Es kommen sehr viele gut ausgebildete Absolventen in den Markt hinein, die auch ihren Weg ins Ausland finden“, so Filipp. Das wurde auch in der zuletzt durchgeführten Game-Development-Studie untermauert. Zudem haben Spieleentwickler in Österreich im vergangenen Jahr einen gesamtwirtschaftlichen Umsatz von 188,7 Millionen Euro lukriert.

Mit dem 2017 gestarteten Branchenverband PGDA (Pioneers of Game Development Austria) will man zusätzlich für mehr Sichtbarkeit sorgen. „Der Verein wurde gegründet, um das Leben für die Jungen leichter zu machen“, meint Filipp. Die Branche sei trotz der positiven Entwicklung nicht die einfachste. „Es ist eine Hochschaubahn, der alle Medienschaffenden ausgesetzt sind. Es ist kein stilles Wasser, sondern ein Rollercoaster-Ride.“ Dennoch könne er mit Überzeugung sagen: „Diese Zukunftsbranche, die immer gesucht wird, ist schon da.“ Jung, gut ausgebildet, mitten in der digitalen Transition – all das treffe auf den Gamesektor zu. „Man kann uns gerne anrufen und mit uns reden“, ergänzt Filipp schmunzelnd.

(Bild: ÖVUS)

Flut an neuen Apps jeden Tag
Die Agilität von Spieleentwicklern wird bei genauerem Blick schnell offenkundig. Wer ein möglichst großes Publikum erreichen will, müsse „plattform- und technologieagnostisch“ vorgehen – also für PC, Konsolen und Mobile gleichermaßen entwickeln. Und trotzdem ist der Weg zu den Spielenden kein einfacher. „In Mobile Stores kommen jeden Tag vierstellige Zahlen an neuen Applikationen. Das ist so eine Flut, es wird wenig kuratiert und der Kunde findet sich nicht zurecht“, gibt Filipp zu bedenken. Dennoch: Content werde immer gefragt sein. Ob man diesen am Smartphone, dem Fernseher, einer Konsole konsumieren wird? „Das ist irrelevant, weil wir es noch nicht sagen können. Außer, dass es in zehn bis fünfzehn Jahren nicht so aussehen wird wie heute.“

Bei einem anderen, den Mediendiskurs zuletzt dominierenden Thema gibt sich der Spieleentwickler eher gelassen: Künstliche Intelligenz. „Es braucht den Faktor Mensch, um diese emotionalen Produkte und Geschichten zu kreieren und in eine Form zu bringen, dass sie auch Spaß macht beim Konsumieren. Aus meiner Sicht wird das auch nicht weggehen“, sagt Filipp. „Ich glaube nicht, dass die KI in meiner Lebensspanne oder anderen Generationen so schnell einen Faktor haben wird im Gefüge von komplexen Produkten.“ Außerdem sei anzumerken, dass es beim Medienhype um ChatGPT und Co weniger um klassische KI, denn maschinenunterstütztes Lernen gehe. „Das wird immer vermengt. Der Konsument kriegt über den Hype die Terminator-Fantasie, aber eigentlich reden wir nur vom machine learning.“

Bei KI „an das Positive glauben“
Grundsätzlich sei er für eine differenzierte Betrachtung. „Ich finde es auch schade, weil man es sehr viel positiver besetzen müsste – in aller Vorsicht“, so Filipp. „Es ist ein Werkzeug, und wir werden lernen, es einzusetzen. Es wird uns allen zum Vorteil gereichen.“ Dabei müsse man nur einige Jahre zurückblicken: Vor der Einführung des ersten iPhones im Jahr 2007 haben sich wohl nur wenige Menschen eine derartige Durchdringung des alltäglichen Lebens durch Smartphones und die diversen Applikationen vorstellen können. Heute ist der vielseitige Helfer in der Hosentasche eine Selbstverständlichkeit, gleichzeitig fürchte man um seinen Arbeitsplatz aufgrund der KI. „Irgendwo in der Mitte wird es sein. Kann es schiefgehen und man wo falsch abbiegen? Das kann man immer. Man kann aber auch an das Positive und Gute glauben.“

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