(Bild: KMM)

Sofort viele Hörer

Wie das neue Massenmedium Radio durchstartete

„Goebbelsschnauze“ und „Volksempfänger“: Zuerst brachte das Radio die große Welt ins Wohnzimmer, später war es lebensgefährlich, die „falschen“ Sender zu hören. In Berlin wurde 1923 die erste deutschsprachige Radiosendung ausgestrahlt. Im Jahr darauf begann auch in Österreich der Hörfunk.

Der erste offizielle Rundfunkteilnehmer des deutschsprachigen Raums hieß Wilhelm Kollhoff. Der Zigarettenhändler lebte in Berlin, und hier schlug auch die Geburtsstunde des deutschen Rundfunks. Am 29. Oktober 1923 strahlte dieser aus dem Vox-Haus nahe dem Potsdamer Platz seine erste Unterhaltungssendung aus – es war der Beginn des ersten elektronischen Massenmediums.

Die erste Ansage des deutschen Rundfunks lautete: „Achtung, Achtung. Hier ist die Sendestelle Berlin im Vox-Haus, auf Welle 400 Meter. Meine Damen und Herren, wir machen Ihnen davon Mitteilung, dass am heutigen Tage der Unterhaltungsrundfunkdienst mit Verbreitung von Musikvorführungen auf drahtlos telefonischem Wege beginnt.“ Die erste Übertragung endete in deutscher Gründlichkeit mit dem Satz: „Die Benutzung ist genehmigungspflichtig.“

Der Vorläufer des ORF war die RAVAG
In Österreich war es ein Jahr später so weit: Am 1. Oktober 1924 nahm die Österreichische Radio-Verkehrs AG (kurz: RAVAG) ihren Sendebetrieb auf. Das Programm begann mit einem Festkonzert; gesendet wurde zunächst aus einem provisorischen Studio auf dem Dach des ehemaligen Kriegsministeriums. Man übertrug zunächst ausschließlich Opern- und Konzertaufführungen sowie Lesungen und Vorträge, erst Jahre später folgten auch Sportübertragungen.

Anfangs wurde auch nur wenige Stunden pro Tag gesendet. Dennoch explodierten die Hörerzahlen: ­Ein Jahr, nachdem die RAVAG den Sendebetrieb aufgenommen hatte, konnte sie bereits 100.000 Rundfunkteilnehmer zählen, und bis zum Ende der Ersten Republik waren schon mehr als 650.000 Radiogeräte im Einsatz.

Das neue Medium Radio faszinierte und inspirierte auch die Mode. Hier das Modell „Ätherwelle“. (Bild: picturedesk.com/Austrian Archives / brandstaetter images / picturedesk.com)
Das neue Medium Radio faszinierte und inspirierte auch die Mode. Hier das Modell „Ätherwelle“.

Rundfunkgebühren im Jahr 1923: Zwei Schilling
Wer gleich zu Beginn der Einführung des Radios das Programm hören wollte, musste dafür in Deutschland 780 Milliarden Papiermark zahlen – schließlich war 1923 der Höhepunkt der Inflation. Die Hörer der RAVAG mussten für das Programm hingegen nur zwei Schilling berappen. Denn im selben Jahr, als die RAVAG ihren Betrieb begann, wurde in Österreich erstmals mit dem Schilling bezahlt – mit dessen Einführung 1925 endlich die Hyperinflation beendet wurde.

Der Hörfunk war ein Riesenerfolg, als politisch problematisch erwies sich jedoch seine frühe Verstaatlichung. In Deutschland wurde er 1932 verstaatlicht, in Österreich gab es von Beginn an ein Rundfunkmonopol. Damit konnten die Nationalsozialisten ab ihrer Machtergreifung in Deutschland 1933 – und 1938 nach dem „Anschluss“ Österreichs – das mächtigste Propagandainstrument ihrer Zeit sofort und komplett in den Dienst ihrer Ideologie stellen.

NS-Reichspropagandaleiter Joseph Goebbels bei der Eröffnung der Funkausstellung 1936. Die Nationalsozialisten erkannten das Radio sofort als bestes Propagandainstrument ihrer Zeit. (Bild: akg-images / picturedesk.com)
NS-Reichspropagandaleiter Joseph Goebbels bei der Eröffnung der Funkausstellung 1936. Die Nationalsozialisten erkannten das Radio sofort als bestes Propagandainstrument ihrer Zeit.

„Goebbelsschnauze“, so hieß der „Volksempfänger“ umgangssprachlich
Vor allem Propagandaminister Joseph Goebbels wusste um die Macht des Radios. Günstig produzierte „Volksempfänger“ wurden schnell unters Volk gebracht, niemand sollte der NS-Propaganda entkommen. Nicht jeder war von der „Goebbelsschnauze“, so die umgangssprachliche Bezeichnung des „Volksempfängers“, und dessen Programmen angetan. Wer jedoch ausländische Sender – „Feindsender“ im NS-Jargon – hörte, wurde bestraft. Ab Kriegsbeginn 1939 konnte man dafür sogar die Todesstrafe erhalten.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Österreich ging die RAVAG zunächst im „Großdeutschen Rundfunk“  auf, wurde während der Besatzungszeit erstmals „Österreichischer Rundfunk“ genannt und 1957 offiziell als „Österreichische Rundfunk Ges.m.b.H.“ neu gegründet. Sein Rundfunkmonopol verlor der Rechtsnachfolger der RAVAG erst 1997 (Radio) und 2001 (TV) – als letztes Land in Europa gab es nun auch in Österreich private Radio- und TV-Sender.

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