Mehrere Obdachlose haben in und rund um die Grazer Herrengasse Quartier bezogen und harren dort bei klirrender Kälte aus. Die Behörden sind machtlos.
Unter der grauen Decke lässt sich ein menschlicher Körper nur erahnen, davor steht ein Napf mit Wasser und einer mit Feuchtfutter, was auch auf (zumindest) einen vierbeinigen „Mitbewohner“ schließen lässt. Der Spendenbeutel davor ist noch leer, und den Inhalt des Einkaufswagens würde man auf den ersten Blick wohl als Krimskrams bezeichnen – für den Menschen unter der Decke ist es aber wahrscheinlich sein ganzer Besitz.
Diese Szene vor einer Litfaßsäule am Eisernen Tor spielt sich in der Grazer Innenstadt aktuell jeden Morgen ab, viele Passanten gehen daran vorbei – der eine oder die andere schaut genauer hin, in Sorge, ob der Mensch unter Decke überhaupt noch am Leben ist. Das gleiche Bild zeigte sich gestern noch zweimal in der Herrengasse und auch einmal in der Bürgergasse.
„Können die Menschen nicht zwingen“
„Diese Personen stammen aus Osteuropa, sie werden auch von uns betreut. Wir haben sie etwa mit Schlafsäcken und Isomatten ausgestattet“, sagt Christian Taucher von der Caritas. Bei Temperaturen im zweistelligen Minusbereich ist das Übernachten im Freien aktuell lebensgefährlich. „Wir hätten bei den Vinzi-Werken auch Platz für sie gefunden, aber sie wollen nicht, und wir können die Menschen auch nicht zwingen mitzukommen“, stellt Taucher klar.
Notschlafstellen sind fast alle voll
Die 35 Plätze der Caritas-Winternotschlafstelle sind im Moment alle belegt, ebenso jene 35 in der Arche 38 – auch die insgesamt 240 Plätze der Vinzi-Werke sind fast ausgelastet. „Im Vinzi-Nest haben wir für Notfälle aber noch Platz. Wir kennen die Betroffenen in der Herrengasse auch. Aber manche Menschen wollen eben keine Hilfe“, sagt Vinzi-Sprecherin Svjetlana Wisiak.
Jeder Mensch, der in Graz keinen Platz zum Schlafen hat, könnte einen haben.
Elke Kahr, Grazer Bürgermeisterin
Bild: Jauschowetz Christian
Der Kältebus der Caritas und auch der mobile Sozialarbeitsdienst der Stadt stehen aktuell im Dauereinsatz – auch beim Kältetelefon unter 0676/880158111 sind bereits um ein Drittel mehr Meldungen eingegangen als zuletzt. Laut Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ) wird alles versucht, um die Betroffenen dazu bewegen, in eine Einrichtung zu gehen. „Jeder Mensch, der in Graz keinen Platz zum Schlafen hat, könnte einen haben“, betont die Stadtchefin. Das Problem lasse sich aber eben nicht von heute auf morgen lösen.
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