„Krone“-Interview

Clara Stern: „Die Frauen solidarisieren sich“

Unterhaltung
20.01.2025 15:00

Eine schwangere Taxifahrerin (Daniela Golpashin) fährt eine Finanzexpertin (Caroline Peters) durch das nächtliche Wien. Die beiden Frauen könnten nicht unterschiedlicher sein, werden aber durch das Schicksal zunehmend miteinander verknüpft. „Zwei gegen die Bank“ (20.15 Uhr, ORF 1) von Regisseurin Clara Stern ist ein humoriges und dialoglastiges Roadmovie, das heute Abend seine Premiere feiert. Die Regisseurin spracht mit uns über den Film.

„Krone“: Frau Stern, nach „Breaking The Ice” ist „Zwei gegen die Bank“ ihr zweites Projekt auf Spielfilmlänge. Haben Sie Wissen oder Routine Ihres Debüts hier lohnend einsetzen können?
Clara Stern: 
Auf jeden Fall. Fernsehen muss noch einmal schneller gedreht werden als Kino, insofern war die Erfahrung der Kinoproduktion „Breaking The Ice“ sehr wichtig. Gleichzeitig war es ein neues Erlebnis, einen Stoff zu verfilmen, wo ich das Drehbuch nicht selbst geschrieben habe. Ich hatte große Lust darauf, nicht als Autorin, sondern als Regisseurin in diese Welt reinzugehen.

Das hatte den Unterschied, dass Sie durch das vorhandene Drehbuch ein bisschen fremdbestimmter waren und nicht alles selbst ausfeilen konnten.
Ich bekam das Drehbuch von Dominic Oley und es war klar, dass Daniela Golpashin und Caroline Peters die Hauptrollen spielen werden. Auch ein Teil des Teams, wie der Kameramann Thomas Dirnhofer, war schon dabei. Ich konnte aber viel mitentscheiden und habe das Drehbuch aus Regiesicht mit überarbeitet. Ich hatte die Freiheit, komplett von außen reinzugehen und zu überlegen, wo man die Komödie ausbauen und wo man Slapstick-Elemente einbauen kann. Ich konnte mitentscheiden, wie man aus dem Stoff eine filmisch unterhaltsame Komödie erschaffen kann und wie ich die passende Musik einsetze.

Von Billie Eilish bis Taylor Swift hört man sehr viele angesagte, vor allem weibliche Popstars in der Produktion.
Nachdem von den fünf Hauptfiguren vier weiblich sind und es trotzdem ein Gangster-Film ist, hatte ich große Lust darauf, die Musik als zusätzliche Stimme einzusetzen. Musik kann etwas direkt aussprechen, was die Figuren nicht aussprechen können und ich habe da ein bisschen von meinem eigenen Humor hineingelegt. Es geht manchmal in die Hip-Hop-Richtung und manche Lieder sind dem Publikum vielleicht bekannt, sodass es damit etwas verbinden kann. Ich mochte auch, dass die Musik die Erzählung noch einmal extra beschleunigen kann.

„Zwei gegen die Bank“ lebt von den beiden sehr konträren weiblichen Hauptfiguren. War es für die Gesamthandlung essenziell, die weibliche Stärke so stark hervorzukehren?
Ich glaube nicht. Für mich war es zwar spannend, diese Frauenfiguren zu zeigen, aber es geht nicht um Weiblichkeit. Die Figuren sind so unterschiedlich, dass es nicht um ihre Gemeinsamkeiten geht. Das Hauptduo könnte nicht gegensätzlicher sein, aber trotzdem finden sie einen gemeinsamen Nenner. Sie solidarisieren sich miteinander. Man weiß in dem Film nie genau, wer gut und wer böse ist. Wer gerade wen austrickst. Das in Frauenfiguren zu zeigen, war sehr schön. Sie werden nicht auf bestimmte Klischeerollen wie etwa der Liebhaberin oder der Mutter hinunter reduziert.

Die beiden Hauptfiguren kommen aus verschiedenen sozialen Klassen und haben ganz unterschiedliche Lebensgeschichten und Probleme. War diese Unterschiedlichkeit eine elementare Sub-Story für das Gesamtprojekt?
Diese Richtung hat Oley sehr stark im Drehbuch ausgeformt. Es gibt nicht nur den Klassenunterschied, sondern auch die unterschiedlichen Sichtweisen zu Geld. Was ist Geld eigentlich wert und wie arbeitet wer für sein Geld? In unserer Gesellschaft geht die Schere zwischen Arm und Reich stark auseinander und 500 Euro sind nicht gleich 500 Euro. Für eine Gesellschaftsklasse ist das nichts, für die andere ist der Betrag relevant, um überhaupt die Miete zahlen zu können. Das Drehbuch weist eine Mischung auf aus sehr ernsten Themen, aber auch aus viel Leichtigkeit und humoristischen Aspekten.

Gab es für Sie Vorbilder für „Zwei gegen die Bank“? Einerseits im Sinne der starken Frauenfiguren, andererseits in der grundsätzlichen Herangehensweise, eine Art Gangster-Komödie zu machen?
Mit Darsteller Murathan Muslu haben wir uns für seine Figur viel von Slapstick-Größen wie Peter Sellers abgeschaut. Es ist eine Art physische „Body Comedy“. Natürlich gibt es großartige Vorbilder aus Amerika, die dann diese „Body Comedy“ ins Weibliche tragen.

Der Film geht durchaus in das Genre Roadmovie. Wollten Sie das Genre in diesem Film „einwienern“?
Das war ohnehin die Grundidee des Buchs, das während der Pandemie entwickelt wurde. Es war die Überlegung, was man auf engem Raum machen könnte und durch die Lockerungen der Maßnahmen hat sich das Buch dann verändert. In einem Auto in einer Stadt zu bleiben, war als Roadmovie-Grundlage sehr reizvoll. Wir haben uns aber nicht auf das klassische und touristische Wien draufgesetzt, sondern auf das kalte und unbekannte, um dem Publikum etwas Neues zu zeigen.

War der Bezirk Hernals dafür der perfekte Dreh- und Angelpunkt?
Dort waren eher die perfekten Locations. Hernals brachte aber mit, dass es dort, im Gegensatz zu den anderen Bezirken, noch Schnee hatte. Im Schnee, im Winter und nachts zu drehen, waren einige große Herausforderungen. Trotz Minusgraden und Nachtschichten hatten wir alle immer Freude am Arbeiten.

Das nächtliche Wien zieht sich ein bisschen durch Ihre Werke. Was fasziniert Sie denn so besonders daran?
Ich bin selbst ein wahnsinniger Nachtmensch und arbeite gerne nachts. Wenn der Tag zu Ende geht, dann trifft man leichter Entscheidungen. Nachts verschieben sich Prioritäten und man traut sich viel mehr Dinge, weil die Nacht eine Pseudoanonymität hat. Filmisch sind eine gewisse Leere, die Straßen und die Lichter spannend. Man hat nachts viel mehr Freiheiten, wenn der Großteil der Menschen schläft. Das Drehbuch hat es verlangt, dass wir nachmittags starten und in der Früh ankommen.

Zwei grundverschiedene Frauen, die sich im Laufe des Films aber in vielen Aspekten finden. (Bild: ORF)
Zwei grundverschiedene Frauen, die sich im Laufe des Films aber in vielen Aspekten finden.

Hat sich die Chemie zwischen Golpashin und Peters erst während des Drehs herauskristallisiert, oder war sie schon immer gegeben?
Das Tolle daran war, dass Oley das Buch beiden auf den Leib geschrieben hat. Das hat man gespürt und das war auch als Regie ein Geschenk. Ich musste sie oft stoppen, weil sie zwischen den Takes einfach weiter geplaudert haben. Daniela hat eher das Direkte, Caroline das Kalt-Argumentative. Es war großartig, den beiden dabei zuzusehen und es gab Momente, wo ich die Regieassistentin bitten musste, danke zu sagen, weil ich so viel lachen musste.

Was waren die größten Herausforderungen beim Dreh? Woran erinnern Sie sich besonders gerne zurück?
Es gibt so Momente, an die ich mich sehr gerne zurückerinnere. Etwa dort, wo alle Figuren aufeinandertreffen. Wenn man so lange einzeln an den Parallelgeschichten arbeitet, ist es schön, wenn sich dann einmal der Kreis schließt – eine besonders schöne Szene. Alles, was Verfolgungsjagden angeht, ist im Winter und nachts herausfordernd. Die Split-Screen-Szenen, wo zwei Figuren miteinander telefonieren, waren visuell auch sehr herausfordernd, damit sie stimmig waren. Von der Produktionsfirma bis zu den Schauspielern haben mir aber alle die Türen geöffnet. Eine besonders schöne Szene ist, als Muslu das Fahrrad stiehlt – das hat uns allen großen Spaß gemacht.

In einer Szene sagt Caroline Peters, dass sie immer dachte, Bestechlichkeit wäre in Österreich ein Kavaliersdelikt. War es eine besondere Freude, diese Spitzen gegen gängige Mechanismen im Land umzusetzen?
Der Satz war schon im vorgefertigten Dialog drinnen. Dominic Oley ist ein Deutscher, der schon sehr lange in Österreich lebt und dadurch einen anderen Blick hineingebracht hat. Ich konnte seinen Blick mit meinem österreichischen dann ergänzen. Golpashin sagt am Anfang zu Peters, dass man gar nicht hört, dass sie schon so lange in Österreich wäre. Das sind alles Dinge, die wahrscheinlich aus Dominics realer Erfahrung stammen. Unterhaltung und Filme sind dazu da, um uns emotional als Menschen zu verbinden. In Momenten, wo wir gemeinsam lachen, oder uns fürchten, können wir uns auch Themen öffnen, bei denen wir im Alltag vielleicht gar keine Zeit und Ressourcen haben, darüber nachzudenken. Das Leben rennt unaufhaltsam weiter und es ist wichtig, sich mal hinzusetzen, einen Film zu schauen und in eine Welt einzutauchen. Man drückt kurz auf eine Stopp-Taste und unterhält sich und diese Unterhaltung erzählt einem vielleicht wieder was über die eigene Welt.

Ist es gut, dass man schwere Themen wie Korruption oder Kapitalismuskritik, wie im Fall von „Zwei gegen die Bank“, komödiantisch zeigt?
Auf jeden Fall. Gesellschaftlich sind wir gerade so, dass wir Diskussionen sehr schnell beenden oder dass es schwierig ist, bei Diskussionen auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, wenn man unterschiedliche Ansichten hat. Wenn man sich aber gemeinsam unterhält oder über Dinge lachen kann, sieht man oft, dass man gar nicht so unterschiedlich ist. Oft wirken diese verschiedenen Meinungen nur extremer, sind sie aber in Wahrheit gar nicht.

Was steht bei Ihnen in nächster Zeit alles an? Wo sind Sie gerade dran?
Ich schreibe gerade an meinem nächsten Kinofilm und warte sozusagen auf die nächsten Angebote vom Fernsehen. Mir hat dieses Projekt großen Spaß gemacht und ich würde gerne wieder eine Komödie drehen. Wie immer in der Filmbranche dauert aber alles seine Zeit. Die Fördermühlen mahlen langsam. (lacht)

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