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Kronenwechsel

Österreichs erster Kaiser war ein Italiener

Warum es österreichische Kaiser gibt? Wegen einer politischen Notlösung. Um Napoleon zuvorzukommen, gründete Franz II. das österreichische Kaisertum. Denn die Kaiserwürde des Heiligen Römischen Reiches war für die Habsburger nicht mehr zu retten. Das alte Reich löste Kaiser Franz einfach auf.

Falls Sie sich jemals gefragt haben, warum beim Namen des österreichischen Kaisers Franz I. stets eine weitere römische Zahl in Klammer steht – er wird in der Literatur als Franz I. (II.) geführt – dann sind Sie bei einem der spannendsten Kapitel der österreichischen und europäischen Geschichte angekommen. Spannend deshalb, weil dieser „doppelte“ Kaiser für eine Zeitenwende steht, in der man jahrhundertealte Kaiserreiche schnell mal ad acta legen und dafür neue blitzschnell aus dem Hut zaubern konnte.

Die Rede ist von jenem Kaiser Franz, der erster Kaiser von Österreich war. Er wurde 1768 in Florenz geboren und war der älteste Sohn von Leopold, Großherzog von Toskana. Wie ein toskanischer Prinz zum Kaiser von Österreich aufrücken konnte? Indem sein Onkel seine Pflicht zur Zeugung eines Thronerben verweigert hatte und ein ehemaliger General aus Korsika über Europa hinweggefegt war.

Kaiser Leopold II. (1747-1792) (Bild: akg-images / picturedesk.com)
Kaiser Leopold II. (1747-1792)

Als Franz an die Macht kam, gab es keinen österreichischen Kaiser
Doch der Reihe nach: Besagter Onkel des toskanischen Prinzen namens Franz war Kaiser Joseph II., Sohn und Nachfolger Maria Theresias. Nach zwei Witwerschaften weigerte sich der kinderlose Joseph partout, eine dritte Ehe einzugehen. Die Nachfolge solle jemand anders sichern, nicht er.

Die Thronfolge rutschte also auf die Seite: Statt in direkter Linie lief die Erbfolge nun über den nächstältesten Bruder weiter, und dieser war Großherzog Peter Leopold der Toskana. Maria Theresias zweitältester Sohn regierte übrigens deshalb in Mittelitalien, weil deren Ehemann Franz Stephan von Lothringen mit der Toskana entschädigt worden war, nachdem er auf sein Stammland Lothringen verzichtet hatte, um die Habsburger Erbin heiraten zu können.

Nach Kaiser Josephs II. Tod im Jahr 1790 beerbte ihn also sein Bruder Peter Leopold als Kaiser Leopold II. Doch zwei Jahre später starb auch Kaiser Leopold, und nun wurde unser Protagonist, dessen 24-jähriger Sohn Franz, Kaiser. Er folgte seinem Vater als Kaiser Franz II. nach. Franz war aber nicht Kaiser von Österreich, sondern Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Denn einen Kaiser von Österreich gab es 1792 noch nicht: Die Habsburger hatten seit Jahrhunderten ausschließlich die Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gestellt.

Die Habsburger als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 
Dieses prestigeträchtigste Reich der europäischen Geschichte, welches sich zu seinen Spitzenzeiten über halb Europa erstreckte, galt als die Verkörperung des christlichen Abendlandes. Es handelte sich um einen im 10. Jahrhundert entstandenen Staatenbund mehrheitlich deutschsprachiger Königreiche, Herzog- und Bistümer, an dessen Spitze ein von den sieben Kurfürsten gewählter Kaiser stand.

Die Reichskrone (Bild: akg-images / picturedesk.com)
Die Reichskrone

Dank ihres Einflusses und ihrer Bedeutung wurden seit Rudolf I. von Habsburg (1218-1291) bis auf wenige Ausnahmen stets Habsburger zu Königen und Kaisern besagten Heiligen Römischen Reiches gewählt. Das, was wir gemeinhin zu dieser Zeit unter Österreich verstehen, waren die habsburgischen Erblande. Die Habsburger waren Erzherzöge von Österreich, aber – noch – nicht Kaiser von Österreich.

Die österreichische Kaiserwürde sollte erst Franz II. begründen, und zwar aus purer Not. Denn der mächtigste Mann Europas war nun Napoleon Bonaparte, der in den Nachwirren der Französischen Revolution an die Macht gekommen war und nun Europa im Sturm einnahm. Napoleon hatte sich – abgesegnet durch eine Volksbefragung – zum erblichen Kaiser der Franzosen ausgerufen.

Kaiser Napoleons Krönung 1804 in Paris (Bild: Roger Viollet / picturedesk.com)
Kaiser Napoleons Krönung 1804 in Paris

Besser das Reich auflösen, als Napoleon die Krone zu überlassen
Das ging nun gar nicht für die Habsburger: Der Sohn eines korsischen Kleinadeligen sollte einen erblichen Kaisertitel führen, während die Habsburger Kaiser nur gewählt waren? Noch dazu, wo Kaiser Franz das Heilige Römische Reich buchstäblich unter dem kaiserlichen Allerwertesten zerfiel? Denn erstens war dieses alte Lehnsreich mit Wahlkaisertum im Zeichen des aufkommenden Nationalismus bereits ein Anachronismus. Und zweitens streckte Napoleon sowieso schon seine Hand nach der deutschen Reichskrone aus. Dass er sie den Habsburgern entreißen würden, war nur eine Frage der Zeit.

Franz II. rettete, was noch zu retten war: Er proklamierte sich am 11. August 1804 zum Kaiser von Österreich. Damit war das Kaisertum Österreich geboren, und aus Kaiser Franz II. wurde Kaiser Franz I., schließlich war er der erste Kaiser namens Franz dieses neuen Kaiserreiches.

Kaiser Franz im Krönungsornat und mit den Insignien des neuen österreichischen Kaisertums (Bild: picturedesk.com/Austrian Archives (AA) / brandstaetter images / picturedesk.com)
Kaiser Franz im Krönungsornat und mit den Insignien des neuen österreichischen Kaisertums

Die Kaiserwürde des Heiligen Römischen Reiches war für die Habsburger nicht mehr zu retten. Den letzten Schlussakt setzte Kaiser Franz schließlich als Reaktion auf ein Ultimatum Napoleons. Der französische Kaiser drohte ihm nach dem für Österreich desaströsen Dritten Koalitionskrieg mit einem weiteren Krieg, wenn Franz nicht die deutsche Kaiserkrone niederlegt. Der österreichische Kaiser gab der Gewalt nach und verkündete am 6. August 1806 die Niederlegung der Reichskrone. Er tat aber noch mehr: Um zu verhindern, dass Napoleon oder ein anderer Unberufener seine Nachfolge antreten konnten, löste Franz I. mit einem Federstreich nach fast 1000 Jahren das Heilige Römische Reich Deutscher Nation einfach auf.

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