Kippt FPÖ Sky Shield?

„Können uns nicht verlassen, dass anderer schießt“

Innenpolitik
18.01.2025 21:55

Für die ÖVP bleibt es wichtig und richtig, die FPÖ sieht dadurch unsere Neutralität gefährdet. Jetzt wird in den Regierungsverhandlungen darüber debattiert: ja oder nein zu Sky Shield? Lesen Sie, wo die Streitpunkte rund um die Luftabwehr-Initiative liegen – und wofür der Chefeinkäufer des Österreichischen Bundesheers plädiert ...

„Nein zum Militärbündnis ,Sky Shield‘ – Ja zur Neutralität!“ Diesen Titel trägt jener Entschließungsantrag, den Herbert Kickl gemeinsam mit FPÖ-Kollegen bereits am 7. Juli 2023 einbrachte. Darin wird der Sorge Ausdruck verliehen, dass die gemeinsame Initiative (auch) mit NATO-Staaten Österreichs Neutralität gefährde. Und zwar dann, wenn die ausgebauten oder neu geschaffenen Fähigkeiten der gemeinsamen Beschaffungsinitiative in die Luftverteidigung von NATO-Gebiet eingebunden würden. In gewisser Weise ortet die FPÖ so einen NATO-Betritt „durch die Hintertür“.

Die Blauen sind erklärte Gegner des Luftverteidigungssystems, könnten die Milliardenbeschaffung in der neuen Regierung trotz des glühenden Befürworters ÖVP kippen. „Natürlich brauchen wir eine starke Luftabwehr in Österreich, aber wir brauchen eine, die wir alleine, also nationalstaatlich, betreiben“, sagte FPÖ-Wehrsprecher Volker Reifenberger im Herbst 2024.

Die ÖVP, allen voran Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, sah und sieht das anders. Zeitgleich zum obigen Entschließungsantrag hatte Tanner zusammen mit ihrer Schweizer Amtskollegin nicht nur eine Sky-Shield-Absichtserklärung unterzeichnet, sondern auch eine gemeinsame, schriftliche Erklärung zur Neutralität ihrer Länder abgegeben. Letzten Mai dann der nächste Schritt, als in Brüssel das sogenannte Memorandum of Understanding, eine Kooperationsvereinbarung für die „European Sky Shield Initiative“ (ESSI) unterzeichnet wurde.

Für Klaudia Tanner ist Sky Shield ein Prestigeprojekt. (Bild: APA/GEORG HOCHMUTH)
Für Klaudia Tanner ist Sky Shield ein Prestigeprojekt.

Wichtiges Thema in Verhandlungen
Die Meinungen in den Parteien gehen mitunter deutlich auseinander, in den jetzigen Regierungsverhandlungen wird ESSI trotzdem eine zentrale Rolle spielen. Fakt ist, dass Russlands Angriffskrieg in der Ukraine auch ein Schlaglicht auf die Verteidigungsfähigkeit Österreichs warf. Offenbar wurde, dass heimische Mittel zur bodengebundenen Luftverteidigung veraltet und nur von sehr kurzer Reichweite seien. Um sich bei Bedarf adäquat verteidigen zu können, müsse nachgerüstet werden. Sky Shield, dem sich bis dato 21 Länder anschließen wollen, mache dies möglich.

Generalleutnant Bruno Hofbauer, stellvertretender Generalstabchef und Chefplaner/Einkäufer des Österreichischen Bundesheeres, ordnet das Vorhaben ein: „Sky Shield als Air-Defence-System ist am Ende einfach ein Angebot aus Deutschland, um gemeinsam Mittelstrecken-Raketen zu beschaffen, bei der Verteidigung zu kooperieren und sich an ein System anzubinden. Es geht nicht darum, sich der NATO einzugliedern!“

(Bild: stock.adobe.com, Krone KREATIV)

Durch die Zusammenarbeit aller teilnehmenden Staaten sollen Luft- und Raketenabwehrsysteme rascher beschafft werden, es gehe aber auch um gemeinsame Schulungen, Übungen und Instandhaltungsarbeiten sowie einen verbesserten Informationsaustausch. Letztlich sollen und müssen einzelne Länder ihren Luftraum trotzdem selbst aktiv schützen – so auch Österreich. „Wir müssen selbst bestimmen, wann oder auf was die österreichische Luftwaffe schießt.“

„Zunehmende Bedrohung aus der Luft“
Die Luftverteidigung zu vernachlässigen, sei laut Hofbauer in Zeiten wie diesen fahrlässig: „Es gibt eine zunehmende Bedrohung aus der Luft. Wie man etwa auch bei den Huthi-Rebellen im Yemen sieht, die einen amerikanischen Trägerverband angreifen, oder wenn die Luftabwehr in Israel überlistet wird. Wir können es uns einfach nicht leisten, in der Mitte von Europa als einziger kein Luftverteidigungssystem zu haben. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass wer anderer für uns schießt!“

Bezüglich Kurzstrecken- bzw. Drohnen-Flugabwehr rüstete Österreich bereits nach, u.a. wurden 36 „Skyranger“ bestellt und die 35-mm-Zwillingsgeschütze modernisiert. Durch Sky Shield soll die Flugabwehr mit Raketen mittlerer Reichweite (40 km), etwa durch in Deutschland produzierte IRIS-T-Systeme, auf Sicht aber auch jene mit hoher Reichweite (ab 50 km) ausgebaut werden. Ein langwieriger Prozess. „Die Ausbildung, um dieses System zu verstehen, dauert acht bis zehn Jahre“, weist Hofbauer auf die Wichtigkeit der Zusammenarbeit hin.

Und das auch in monetärer Hinsicht: „Wenn wir selbst als Käufer für Raketen anstatt im Verbund aufzutreten, wird es natürlich teurer“, sagt der Experte. Bei gemeinschaftlichen Beschaffungen könnten bis zu 20 Prozent Preisvorteil erreicht werden. Was bei geschätzten Kosten für die Raketensysteme von 8 Milliarden Euro immerhin 1,6 Milliarden an Einsparung für Österreich wären.
Zudem könne man bei Systemanpassungen während des Betriebes „gemeinsam viel stärker gegenüber der Industrie auftreten“.

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