Migration & Frieden

Schönborn-Predigt: Wer hier genau hinhören sollte

Österreich
19.01.2025 06:00

Nach mehr als 30 Jahren feierte Kardinal Christoph Schönborn am Samstag seinen Abschied als Wiener Erzbischof mit einer großen Dankesfeier im Stephansdom. Und zwar nicht, ohne uns an Werte zu erinnern, die gerade in diesen Zeiten in Vergessenheit zu geraten drohen. Eine Einordnung.

Wer beim Dankesgottesdienst am Samstag in Wien dabei war, konnte sie direkt spüren: die Herzlichkeit, die Freude, die Wärme, die einen überkamen, inmitten des bis zum Bersten gefüllten Stephansdoms. Rund 4000 Menschen feierten mit dem „großen Brückenbauer“, Erzbischof Christoph Schönborn, mit – erwartungsvoll bei stimmigem Gesang zuvor; glücklich bis ausgelassen ob der schwungvollen musikalischen Begleitung später.

Und dazwischen: ein Kardinal, mittlerweile körperlich nicht mehr ganz so frisch wie am Beginn seiner Amtszeit noch vor fast 30 Jahren, aber ansonsten wie eh und je: herzlich, verbindend – aber deutlich, wenn man zuhört. 

So ist ihm nicht nur der Dank an Österreich zum Abschied wichtig, sondern vor allem auch seine Hoffnung, „dass wir gemeinsam auf einem guten Weg bleiben“. Migration und Religionsfrieden wählte der Kardinal als Themen seiner letzten Predigt als Wiener Erzbischof.

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Beginnen will ich mit meinem Dank an Österreich und mit meiner Hoffnung, dass wir gemeinsam auf einem guten Weg bleiben.

(Bild: Antal Imre)

Kardinal Christoph Schönborn

Kardinal mahnt Mitgefühl und Menschlichkeit ein
Er entlässt seine Schäfchen also nicht ohne Appell, ohne einzumahnen, was nötig ist: Mitgefühl und Menschlichkeit, auch jenen gegenüber, die – wie er einst 1945 als Flüchtlingskind - in Österreich ihre neue Heimat finden möchten.

„Sie kommen als Fremde und werden hier heimisch. Sie werden Österreicherinnen und Österreicher“, sagte der Erzbischof: „Sie bringen ihre Sprachen, Kulturen und Religionen mit. Sie bereichern, nicht ohne Spannungen, unser Land und prägen seine Zukunft mit.“

Schönborn: „Der nüchterne Blick auf die Demografie Österreichs und Europas muss uns klarmachen, dass es in Zukunft nicht anders sein wird. Das Gelingen dieses Miteinanders von Eingesessenen und Dazugekommenen ist entscheidend für unsere Zukunft.“

„Migration mit ihrer dramatischen Form, den Flüchtlingsströmen, bestimmt das Leben zahlloser Menschen“, so der Kardinal: „Österreich wird hier auch in Zukunft keine Ausnahme bilden. Danken wir, dass wir in Frieden leben dürfen. Es ist keine Selbstverständlichkeit. Ein Herz für Flüchtlinge zu haben, gehört zur Menschlichkeit. Es kann auch unser Schicksal werden.“

Und er sagt weiters: „Mitgefühl ist das, was erst eine Gesellschaft menschlich macht. Unbarmherzigkeit vergiftet die Gesellschaft und uns selbst.“

Der Kardinal mahnt also Menschlichkeit und Mitgefühl ein. Und das jetzt, in einer offenbaren Zeit der politischen Wende, und das nicht nur hier bei uns in Österreich. Wer also sollte besonders genau hinhören, wenn der Kardinal von Zukunft, Frieden, Heimat, Menschlichkeit und Mitgefühl spricht? Wohl wir alle.

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Ein Herz für Flüchtlinge zu haben, gehört zur Menschlichkeit. Es kann auch unser Schicksal werden.

(Bild: Antal Imre)

Kardinal Christoph Schönborn

Miteinander der Religionen nicht selbstverständlich
Dankbar zeigt sich Schönborn auch über das gute Miteinander der Religionen in Österreich: „Auch das ist nicht selbstverständlich. Es ist die Frucht ständigen Bemühens um gegenseitige Achtung und Wertschätzung.“

„Wir wissen viel zu wenig voneinander – von der Religion der anderen und leider auch von der eigenen Religion“, sagte er. „Wir nähern uns einem weitverbreiteten religiösen Analphabetismus. Die Eltern haben oft kaum das elementare Wissen über den Glauben, der in unserem Land die Generationen geprägt hat. Wie sollen die Kinder den Glauben kennenlernen?“

Trotz allem sei er zuversichtlich, so Schönborn und er zitierte den deutschen Dichter Friedrich Hölderlin: „Wo Gefahr wächst, wächst das Rettende auch.“

Neues Interesse der Jungen an Religion
So zeigt eine aktuelle Studie über Religion in Österreich ein neues, stärkeres religiöses Interesse bei der jungen Generation. Erfreulich, sagte der Kardinal – und nicht ganz überraschend, „wenn wir ernst nehmen, dass in jedem Menschenherzen die Suche nach Sinn und Erfüllung lebt“.

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Mitgefühl ist das, was erst eine Gesellschaft menschlich macht. Unbarmherzigkeit vergiftet die Gesellschaft und uns selbst.

(Bild: Antal Imre)

Kardinal Christoph Schönborn

Religion, Glauben als einen persönlichen Weg zu entdecken, „ist gerade in unserer scheinbar glaubensfernen Welt immer möglich“, betonte Schönborn: „Wie erklärt es sich, dass im säkularen Frankreich am letzten Osterfest 13.000 meist jüngere Erwachsene um die Taufe angesucht haben? Der religiöse Analphabetismus kann auch, so bedauerlich er ist, eine Chance sein für ein neues Suchen nach Sinn und ein Entdecken des Glaubens.“

Frischer Glaube statt starre Traditionen
Dazu hob er diesen einen, besonderen „Ruf“ hervor: „Mitten im Leben erfahren Menschen eine Art ,Folge mir nach.‘ Das ist die unerschöpfliche Ressource, aus der der Glaube sich in allen Generationen neu und frisch erweist.“

Neben zahlreichen Gläubigen, Mitarbeitern, Vertrauten und Weggefährten fanden sich auch zahlreiche Prominenz unter den Mitfeiernden. (Bild: Antal Imre)
Neben zahlreichen Gläubigen, Mitarbeitern, Vertrauten und Weggefährten fanden sich auch zahlreiche Prominenz unter den Mitfeiernden.

„Sonst“, so sagte Schönborn, „wäre er längst erloschen, an seinen Traditionen und Institutionen erstarrt und erstickt oder erfroren. Dass er immer wieder frisch und lebendig ist, das liegt an dem, der heute weitergeht.“ Und da, das muss man sagen, war er immer schon einer, der beispielhaft vorangeht.

Seine letzte Predigt als Wiener Erzbischof schloss Schönborn mit den Worten: „Ich danke Ihnen allen für das Wohlwollen, das Sie mir erweisen. Mein größter Wunsch: Das gegenseitige Wohlwollen soll nie verloren gehen, auch wenn wir miteinander Konflikte haben.“

Der Kardinal war, wie gesagt, eben schon immer ein Brückenbauer – „Pontifex austriacus“ nannte ihn Bundespräsident Alexander Van der Bellen – und bleibt es bis zuletzt.

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