„Krone“-Interview

Avec: Es braucht noch viel mehr Bodenständigkeit

23.01.2025 09:00

Fünf Jahre hat sich Avec für ihr neues Album Zeit gelassen. In diesen fünf Jahren blieb weder privat noch geschäftlich ein Stein auf dem anderen. Ihr viertes Studioalbum „Avec“ ist gleichermaßen eine innere Nabelschau, wie auch ein Freistrampeln zur eigenen Verantwortung. Im „Krone“-Gespräch gab uns die Künstlerin nähere Einblicke.

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Die Musikhistorie zeigt: Ein selbstbetiteltes Album ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass der Künstler mit sich selbst in medias res geht, besonders tief schürft und die intimsten Gedanken, Sorgen und Emotionen als Liedgut mit der Öffentlichkeit teilt. Was bedeutet aber ein selbstbetiteltes Album im Fall der oberösterreichischen Musikerin Avec? Einer Frau, die seit mittlerweile zehn Jahren mit jedem einzelnen Song ihr Herz in die Hand nimmt, es auswringt und allen Menschen zur Verfügung stellt? „Während des Schreibprozesses bin ich draufgekommen, dass da noch ganz viel aus mir rausgeht“, lacht die sympathische Musikerin im Gespräch mit der „Krone“, „mein letztes Album liegt ganze fünf Jahre zurück. Ich habe zwar einige Songs und EPs veröffentlicht, aber in dieser Zeitspanne hat sich in meinem Leben viel angehäuft, das auch wieder rausmusste. In diesem Album steckt sehr viel Liebe, aber auch sehr viel Wut – eben alles, was ich in den letzten fünf Jahren erlebt habe.“

Nur mit Familie
„Avec“, das mittlerweile vierte Studioalbum der Amadeus-Preisträgerin aus Vöcklabruck, ist eine emotionale Nabelschau im Singer/Songwriter-Korsett. Es ist gleichermaßen ein Eindringen in die persönliche Welt einer introspektiven Persönlichkeit, vermittelt dank zarter Instrumentierung und dem markanten Gesang aber stets auch eine breite Bedeutung, die sich auch im eigenen Sinne interpretieren lässt. Die Künstlerin und Musikerin Avec gibt es aber nur mit Familie, das ist auf diesem Album vielleicht noch stärker herausgestellt als je zuvor. War schon ihr erster Erfolgssong „Granny“ vor exakt zehn Jahren eine liebevolle Ode an die eigene Oma, kommen dieses Mal auch andere Frauen stärker in den Vordergrund. Der Opener „Veronica“ ist ihrer Mutter Veronika gewidmet, „Sun Moon“ dreht sich um die besondere Beziehung zu ihrer Schwester.

„Wir sind von Grund auf verschieden – wie Tag und Nacht oder eben Sonne und Mond. Ich bin die kinderlose Künstlerin, die in Wien lebt. Sie lebt mit ihrer Familie bodenständig in Oberösterreich. Es ist manchmal schwierig, weil wir viele Konflikte auszutragen haben. Wir sind nicht beste Freundinnen und werden das nie sein, aber ich kann mich auf sie verlassen. Sie ist immer da, wenn ich sie brauche, und ich liebe sie über alles. Dieser Song musste einfach aus mir raus.“ Die Songs „Silently“ und „What’s On Your Mind“ drehen sich um das Thema Verlust, mit dem die Sängerin mittlerweile öfters konfrontiert war. Nicht zuletzt deshalb hat sie ihr neu gegründetes Label Jim Bob Records nach ihrem geliebten Onkel benannt, der mit Mitte 40 in seiner Wahlheimat Frankreich an den Folgen von Krebs verstarb und einen elementar wichtigen Teil im Leben Avecs einnahm. „Er war zum Zeitpunkt seines Todes so weit weg, dass Frieden schließen mit dem Thema umso schwerer war. Wenn eine geliebte Person verstirbt, verarbeitet man das wohl sein ganzes Leben lang, aber in meiner Musik kann ich den Verarbeitungsprozess zumindest ständig weiterführen.“

Vöcklabruck statt Irland
Mit „Silently“ und „King Of Spain” begann schlussendlich auch die Reise, die nach langer und harter Arbeit zu diesem Album führte. Die bereits zuvor angesprochene Bodenständigkeit war Avec für dieses Album besonders wichtig. „Natürlich wäre ich, wie schon beim zweiten Album, gerne wieder nach Irland gefahren, um es dort aufzunehmen. Aber es fehlte schlichtweg an den finanziellen Mitteln, um die Musiker und das Team dort einzufliegen. So haben wir daheim in Vöcklabruck daran gearbeitet und geschraubt.“ Für die malerischen Promofotos mit den vielen Schafen hat sich Avec ebendort einen langgehegten Traum erfüllt. „Wir haben einen Bauern aus der Gegend angeschrieben, der 120 Schafe hat. Bei einem Shooting mit Tieren muss man viel Geduld mitbringen und ganz anders an die Sache rangehen. Als die Schafe dann auf mich zukamen, war ich unheimlich glücklich. Viel mehr brauche ich im Leben gar nicht“, lacht sie, „der Bauer kannte meine Musik vorher nicht, aber ich habe ihn natürlich auf mein Konzert eingeladen.“

Im Vorfeld hat sich Avec zum zweiten Mal in ihrer Karriere von ihrem Management getrennt. Nun hält sie die Zügel in der eigenen Hand und will so in eine selbstständigere Zukunft starten. „Simpel gesagt, ging mir viel zu wenig weiter. Wir hatten als Band immer weniger Liveauftritte, obwohl ich viel mehr spielen wollte. Manchmal hatte ich das Gefühl, ich wäre die einzige Person in dem Projekt, die noch richtig motiviert sei und das hat mich genervt. Ich habe mir schon nach dem ersten Wechsel geschworen, in so einer Situation nicht mehr lange zuzuschauen und habe deshalb den Veränderungsprozess eingeleitet.“ Das eigene Label dient Avec nicht nur als Unterlage für ihre Musik, sondern kann auch als Testlauf für Weiteres herangezogen werden. „Ich könnte mir gut vorstellen, irgendwann in Zukunft anderen jungen Künstlern zu helfen als Label, mit dem Management und auch dem Booking – also rundum. Ich habe in den letzten zehn Jahren so viel gesehen und erlebt, was nicht okay ist, dass ich da sicher kundig helfen könnte.“

Bodenständigkeit benötigt
Mit den gängigen Mechanismen im Musikbusiness hadert Avec zuweilen, auch wenn sie sich an so manches gewöhnt hat. „Am wichtigsten im Leben ist mir Ehrlichkeit. Im Musikgeschäft ist jeder mit cool mit dem anderen und immer geht sich irgendwie alles aus. Dann gibt es noch Social Media, eine Scheinwelt. In den fünf Jahren bis zu diesem Album bin ich dahingehend aufgewacht. Ich bin sehr introvertiert und es fällt mir schwer, Vertrauen zu fassen oder mich mit Menschen zu umgeben. Die Musikwelt ist oft nicht echt, aber ich brauche die Bodenständigkeit. Ich weiß, woher ich komme und wohin ich gehöre. Vielleicht habe ich mich zuweilen auch ein bisschen verloren, aber ich habe mich wieder gesucht und schlussendlich gefunden. Man kann in meiner Szene schnell zum Small Talk kommen, aber das ist mir zu wenig. Ich freue mich viel mehr über Gespräche, die in die Tiefe gehen, mit Leuten, die ich kenne und denen ich vertraue.“

Nach zehn Jahren ist Avec jetzt Musikerin und Unternehmerin. Sie veröffentlicht mit „Avec“ ihr viertes Album als Entrepreneurin, die sich auch wirtschaftlich zunehmend von externen Faktoren entfesselt. „Ich war recht lang das junge und naive Mädel, das zu allem Ja und Amen gesagt hat. Das ist jetzt ein Sprung ins kalte Wasser, dessen bin ich mir bewusst, aber es fühlt sich gut an. Ich habe zum ersten Mal die volle Kontrolle über mich und meine Karriere. Ich will die Vergangenheit aber auch nicht schlecht reden. All die Erfahrungen haben mich erst dorthin gebracht, wo ich jetzt bin. Ich bin dieser Mensch, weil alle Dinge so geschahen, wie sie eben geschahen.“ Für Avec bedeutet das auch, dass ältere Songs in ihren Schoß zurückkehren. „Alte Verträge laufen aus und meine älteren Nummern kommen jetzt in mein Label zurück.“ In nicht allzu ferner Zukunft könnte sie auch musikalisch überraschen. „Es ist nicht so unbekannt, dass ich mit Countrymusik aufgewachsen bin. Vielleicht geht es auch mal in diese Richtung.“

Österreich-Tour im Frühling
Live ist Avec heuer des Öfteren zu sehen. Am 25. Jänner spielt sie in der Ottakringer Brauerei in Wien beim FM4-Geburtstagsfest, das aber bereits restlos ausverkauft ist. Ihre Tour zum neuen Album führt sie dann am 4. April in den Linzer Posthof, am 8. April ins Orpheum Graz, am 9. April ins Salzburger Rockhouse, am 10. April ins Treibhaus Innsbruck, am 11. April in den Spielboden Dornbirn und dann am 16. Dezember noch in die Wiener Arena. Unter www.officialavec.com finden Sie alle Termine und Informationen zu den Konzerttickets.