„Krone“-Interview

Good Wilson: Zwischen Aufruhr und Eskapismus

Musik
28.01.2025 09:00

Fünf lange Jahre hat das in Wien ansässige Indie-Gespann Good Wilson am Zweitwerk „It Is Done“ herumgedoktert. Den Albumtitel kann man daher durchaus selbstironisch nehmen, doch mit seiner Musik ist es dem Quintett sehr ernst. Günther Paulitsch und Yannic Steuerer gaben uns im „Krone“-Gespräch nähere Einblicke.

Mit dem alteingesessenen Spruch „Gut Ding braucht Weile“ fährt man im Musikgeschäft für gewöhnlich nicht so gut. Wer heute interessant bleiben will, sollte am besten alle paar Wochen eine Single veröffentlichen und sich auf den gängigen Social-Media-Plattformen zum Hampelmann machen. Das ist nicht so einfach, wenn man persönlich und auch musikalisch ganz anders gestrickt ist. Das Quintett von Good Wilson ist beruflich im Musikbereich tätig, definiert sich aber lieber über Instrumente als über Postings und kreiert Klänge, die mit dem gängigen Formatradio wenig gemein haben. Das ambitionierte Debütalbum erschien fünf Tage nach Eintritt des ersten Corona-Lockdowns und verhinderte möglicherweise, dass der Band rund um Frontmann Günther Paulitsch eine kometenhaftere Indie-Laufbahn beschienen war. Trotz all der Querelen folgten ausverkaufte Konzerte in Wien und Graz und Auftritte bei renommierten internationalen Showcase-Festivals wie dem Hamburger Reeperbahnfestival, dem Eurosonic in Holland und dem Great Escape in England.

Eine schwere Geburt
Der Nachfolger hört auf den doppelbödigen Namen „It Is Done“ und hat tatsächlich fünf Jahre Blut, Schweiß und Kompositionstränen am Rücken. „Es war kein quälender, aber doch ein längerer Prozess“, schmunzelt Paulitsch im „Krone“-Gespräch, „wenn ein Album fast fünf Jahre braucht, dann ist man irgendwann einfach froh, dass es geschafft ist.“ „It Is Done“, also auf Deutsch „Es ist vollbracht“ ist als Titel dafür durchaus ironisch zu sehen. „Es war ein Marathon, vielleicht sogar ein Iron Man – mit vielen Ups And Downs und einer ganzen Pandemie dazwischen. Manche Songs sind schon vor fünf Jahren entstanden, andere erst im letzten Halbjahr fertig geworden. Ein paar Lieder sind auch schon seit ein paar Jahren draußen. Es war auch unseren Lebensumständen geschuldet, dass alles so lange gedauert hat.“ Die Bandmitglieder arbeiten im Musikbereich und haben unzählige andere Projekte und Bands, in denen sie tätig sind. Auch wenn Good Wilson eine hohe Wichtigkeit besitzt, das strukturierte und gemeinsame Zeitfinden und sich Hineinfallen lassen geht halt doch nicht immer so leicht, wie man es sich in der Theorie ausmalt.

Nicht zuletzt sorgten auch diverse Besetzungswechsel dafür, dass der Zugang zu neuen Songs immer wieder neu kalibriert werden musste. „Unsere Philosophie ist, dass das Gesamtprodukt wichtig ist. Die Musik, das Artwork, die Videos, die Aufmachung – einfach alles. Wenn man die Platte hört, sollte sie stimmig und schlüssig klingen.“ „It Is Done“ ist eine Indie-Reise durch die Pop- und Rock-Historie, die zwar markant von Vorbildern wie Big Thief oder Adrienne Lenker gesteuert, aber doch selbstständig und originär durch unterschiedliche Klangwasser geführt wird. Psychedelische, folkloristische und alternative Soundkörper vermengen sich mit poppig-zugängigen Momenten, die mal näher an Tame Impala, Kurt Vile oder musikalisch auch den Beach Boys liegen. Je nachdem, in welche Richtung man die Ohren spitzt und mit welchen Erwartungen man sich in Songs wie „Closure“, „Undecided Changes“ oder „Stay Away“ hineinfallen lässt.

Schlenker sind erlaubt
Songs wie „Bats From The Buffet” oder „Comedown Primetime” haben unzählige Schleifen hinter sich und mit der Ursprungsidee oft kaum noch was zu tun. „Wir spielen die Songs aber auch live immer ganz anders, manchmal spontan“, ergänzt Gitarrist Yannic Steuerer, „Günther hat auch schon mal live eingezählt und dann ganz anders losgelegt. Da wussten wir am Anfang nicht genau, wie wir darauf spielen sollen.“ Dieses spontane Überraschungsmoment macht Songs, die schon einige Jahre auf dem Buckel haben, gegenwärtig und präsent. Fernab jeglicher Trends strömt bei Good Wilson die Gitarre als elementares Hauptinstrument aus den Boxen. „Die Grundessenz besteht vielleicht manchmal sogar aus zu viel Gitarren“, lachen beide, „aber die Gitarre und die Stimme bestimmen eben unseren Sound.“ Ausflüge in sanfte Country- und Jazz-Sphären sind erlaubt und erwünscht. Good Wilson haben sich musikalisch zwar ganz gut definiert, lassen aber stets Raum für neue Schlenker und Erweiterungen offen.

Inhaltlich ist „It Is Done“ gleichermaßen Werkschau ins Innere persönlicher Probleme und Befindlichkeiten, als auch der Blick auf eine zerrüttete Welt, deren Krisen schneller aufpoppen als eine viel beschäftigte Indie-Band Songs schreiben kann. Paulitsch ist der Haupttexter, Kollege Alex Connaughton unterstützt zuweilen. „Es war nicht immer leicht, alle Sachen zu sortieren. Die Gedanken und Lebensumstände, die sich durch den Lauf der Zeit so ergeben haben“, so Paulitsch, „es ist mir schon wichtig, dass es nicht nur persönliche Geschichten und Befindlichkeiten sind, sondern auch eine Art Dokumentarfilm zu den gesellschaftlichen Umständen. Die Ungleichheiten und Krisen der Welt sind in der Symbiose zwischen Klängen und Arrangements abgebildet. Ein großes Thema ist auch die Frage, woher der ständige Wunsch nach Eskapismus und dem Entfliehen kommt.“

Ganz ohne Eskapismus geht es nicht
Regulär endet das Album mit „Will It Ever Stop“ – mehr Frage als Ansage. „Von der Innenpolitik über die ganzen Krisen, mit Kolonialismus und wieder aufkommendem Imperialismus, von Leuten, die willkürlich Striche auf der Weltkarte ziehen wollen, gibt es viele Themen, die uns beschäftigen. Wir wollen als Band aber nicht nur warnen, sondern ein bisschen ins Motivierende gehen. Die Leute dazu animieren, Dinge positiv zu sehen, für Veränderungen aufzustehen und sich manchmal auch dagegenzustemmen.“ Ganz ohne Eskapismus geht es natürlich nicht. Im Fall von Paulitsch wären das Computerspieleinheiten bei „Star Wars: Battlefront“. „Man muss aufpassen, dass man nicht nur noch Doomscrolling am Handy betreibt und sich von den Nachrichten mitreißen lässt.“

Releaseshow im Volkstheater
Eine gute Möglichkeit, sich von den Tücken und Problemen des Alltags zu entfernen, wäre der Besuch der Release-Show von Good Wilson. Am 6. März stellt die Band ihr neues Album in der Roten Bar des Wiener Volkstheaters vor. Unter www.ntry.at gibt es noch Karten und weitere Infos zum Konzert-Highlight des gitarrenliebenden Indie-Gespanns.

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