Prozess um Derby-Eklat

Angeklagter: „Ich bereue es seitdem jeden Tag“

Steiermark
22.01.2025 12:27

Schwere gemeinschaftliche Gewalt wird fünf Männern (20, 29, 33, 34 und 36) im Zuge des Grazer ÖFB-Cup-Derbys im November 2023 vorgeworfen. Sie sollen mit einem Mob an Sturm-Fans auf gegnerische „Rote“ losgegangen sein. Im Zuge dessen wurden mehrere Personen zum Teil schwer verletzt. 

Fünf Männer unterschiedlicher sozialer Verhältnisse, zwei von ihnen mehrfach einschlägig vorbestraft, sitzen vor dem Schöffensenat im Grazer Schwurgerichtssaal. Sie wurden laut Staatsanwältin Ines Eichwalder erwischt, als ein Mob von 30 bis 50 Sturm-Fans beim ÖFB-Cupderby auf GAK-Fans losging. Aufgeheizt von einem Einpeitscher in der Grazer Gruabn, der dazu aufrief, den Hass auf die gegnerische Truppe auszulassen, wie sie sagt. In Folge kam es zu Plünderungen eines Fanshops der „Roten“ und teilweise schwer verletzten Personen. Ein junger Mann wurde etwa so schwer zugerichtet, dass er bewusstlos mit einem Schädelbasisbruch am Boden liegen blieb.

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Es kann nicht sein, dass man sich in Graz nicht mehr sicher fühlen kann.

Staatsanwältin Ines Eichwalder

Eichwalder: „Das war Gewalt in Reinkultur. Leider sind diese Ausschreitungen kein Einzelfall. Immer wieder solche Aufeinandertreffen, vor allem gewaltbereite Fans, schrecken nicht vor erheblicher Gewalt zurück. Leidtragende sind die Polizisten, die nur ihre Arbeit machen und dafür sorgen müssen, dass sich rivalisierende Fans nicht die Schädel einschlagen. Es kann nicht sein, dass man sich in Graz nicht mehr sicher fühlen kann. Das muss unbedingt unterbunden werden.“

Naturgemäß gehen die Verteidiger mit den Ausführungen der Staatsanwaltschaft gegen ihre Mandanten nicht d‘accord: Verteidiger Martin Sauseng: „Mein Mandant war nur zufällig in Graz, weil er seine Großeltern besucht hat. Seine Schwester hat ihm Karten angeboten. Er wurde in den Mob gedrängt und wollte dann nur noch weg. Dabei wollte er den Zaun im Sektor überklettern und lief der Polizei in die Arme, er ließ sich gleich widerstandslos festnehmen.“

„Sturmhaube war einfach in der Jacke im Kinderzimmer“
Ganz so einfach macht es die Vorsitzende Richterin Verena Oswald dem jungen Angeklagten, einem Studenten und Fußballer, aber nicht: „Wenn alles nur ein Zufall war, wieso haben Sie sich dann mit einer Sturmhaube vermummt und auch noch einen Zahnschutz mit dabeigehabt?“ – „Ich kann es heute rational nicht mehr erklären, was da passiert ist, ich bereue es seitdem jeden einzelnen Tag. Ich habe mir einmal eingebildet, dass ich das brauche. Das Zahnschutz-Etui war einfach in der Jacke, die ich aus dem Kinderzimmer meiner Großeltern mitgenommen habe, genauso wie die Haube.“ Dass es prinzipiell ein Vermummungsverbot gibt, davon will der junge Mann noch nichts gehört haben.

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Wenn alles nur ein Zufall war, wieso haben Sie sich dann mit einer Sturmhaube vermummt und auch noch einen Zahnschutz mit dabei gehabt?

Richterin Verena Oswald

Auch der Angeklagte Nummer Zwei (33) wurde laut seines Verteidigers Marko J. Peschl nur in die Situation hineingedrängt: „Er hat seit 20 Jahren eine Saisonkarte, ist unbescholten und hat noch nie irgendwas angestellt. Er findet sich in einem Pulk von Menschen, wo er gar nicht durchkommt, auf einmal setzt sich alles in Bewegung. Er, betrunken, merkt, das ist keine gute Idee, möchte da wieder raus und klettert zurück über den Zaun – und läuft der Polizei in die Hände. Getan hat er aber absolut nichts.“

„Ich habe zwischen sechs und zehn große Bier getrunken“, bestätigt er das Gesagte seines Anwalts. „Ich war maskiert und wollte den Zaun auch überklettern, hab es aber nicht gleich geschafft. Ich wusste, es ist falsch, was ich da mache und wollte dann nur noch raus aus dem Stadion.“ Kurz darauf nimmt ihn die Polizei inmitten der grölenden Masse fest. Auch er bleibt, gleich wie sein Vorgänger, eine Begründung schuldig, wieso er mittendrin war, und dennoch nichts getan, gehört oder gesehen haben will. „Ich glaube Ihnen das alles nicht“, schüttelt Frau Rat den Kopf.“

Gewaltbereite Fans warfen mit Pyrotechnik um sich (Bild: Pail Sepp)
Gewaltbereite Fans warfen mit Pyrotechnik um sich

Ein weiterer Grazer Anwalt, der namentlich nicht genannt werden will, verteidigt einen ehemaligen Lehrer: „Mein Mandant ist seit 2010 aktiv in der Sturm-Fanszene tätig. Nie ist irgendwas passiert. Es ist unrealistisch, über ihn als gewaltbereiten Fan zu sprechen. Er ist ein Ultra, aber kein Gewalttäter. Er war stets ein fähiger und empathischer Pädagoge.“ 

Die Anwälte Raimund Hofmann und Armin Posawetz (Bild: Monika König-Krisper)
Die Anwälte Raimund Hofmann und Armin Posawetz

„Keiner kann stolz sein, dass solche Dinge in Graz passieren“, beginnt Anwalt Armin Posawetz sein Plädoyer. „Mein Mandant war an diesen Vorfällen aber nicht beteiligt. Er hat an diesem Tag bis 17 Uhr gearbeitet und wollte dann zum Stadion, hatte aber einen Reifenplatzer. Daher kam er erst unmittelbar vor dem Ankick beim Stadion an. Kurz gesagt: Er war zum Zeitpunkt der Vorfälle nicht einmal da und ist somit freizusprechen.“

„Mangelhafte Sicherheitsbedingungen“
Anwalt Raimund Hofmann räumt ein, dass sein Mandant – derzeit arbeitslos und mehrfach vorbestraft – ein durchaus bewegtes Vorleben vorweist. Jedoch: „Er hat sich gar nicht im relevanten Bereich befunden. Die Lichtbilder zeigen irgendeinen schwarz gekleideten Mann, aber nicht ihn. Ja, er war im Stadion. Aber das war's auch schon.“ Außerdem kritisiert der Jurist die mangelhaften Sicherheitsbedingungen im Stadion: „Es hat beim vorgezogenen Einlass zum Beispiel keine Ordnerketten gegeben. So hätte man einiges verhindern können.“ Ein Urteil ist im Laufe des heutigen Abends zu erwarten.

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