„The Bad Fire“

Mogwai: Hellere Musik in dunkleren Zeiten

Musik
26.01.2025 09:00

Hartnäckigkeit zahlt sich aus: Seit mittlerweile 30 Jahren liefert die schottische Postrockband Mogwai großteils instrumentale Stücke, die sich zwischen feingeistiger Melodieführung, einer weite Landschaften öffnenden Atmosphäre und brutalen Härteeinschüben entfalten. Nicht unbedingt ein massentauglicher Sound, und doch erreichten sie mit ihrem zehnten Album „As The Love Continues“ 2021 Platz 1 der britischen Charts. Nun gibt es Nachschub.

(Bild: kmm)

„Es war schon schräg“, erinnert sich Gitarrist Stuart Braithwaite an den unerwarteten Erfolg mitten in der Coronapandemie. „Wir haben nie an so was gedacht oder es gar erwartet. Aber natürlich war es schön für uns. Es ist doch gut, dass hin und wieder auch ein eigenartiges Album die Nummer eins sein kann“, schmunzelt er im APA-Interview. In einer Zeit des verordneten Innehaltens und der Introspektion schien der Mogwai-Kosmos vielen als willkommener Zufluchtsort. „Es gibt nicht viele Bands, die schon so lange existieren wie wir und noch so viel Aufmerksamkeit bekommen für ein neues Album. Es hat uns definitiv einen Schub gegeben.“

Gefühlvolle Klangwege
Das soll sich nun auch bei „The Bad Fire“ bemerkbar machen: Die neue Platte knüpft nahtlos dort an, wo der Vorgänger aufgehört hat und bietet träumerische Passagen wie den mit reichlich Groove ausgestatteten Opener „God Gets You Back“, kann aber auch geradlinig rocken, wie „Fanzine Made Of Flesh“ beweist. Wie gefühlvoll man den Weg von ganz leise nach richtig laut gehen kann, stellt hingegen „If You Find This World Bad, You Should See Some Of The Others“ unter Beweis. Mehr als sieben Minuten lang darf sich dieses Stück entwickeln, zunächst mit vorsichtig gesetzten Gitarrenharmonien und dezentem Drumming, bevor sich zum Ende hin der Horizont blutrot färbt und alles in einer Wall-Of-Sound untergeht.

Entwickelt wurden die Stücke im vergangenen Jahr, wobei der Prozess recht ähnlich abgelaufen sei wie zuletzt, also zunächst einzeln an Ideen gefeilt wurde, bevor es ans gemeinsame Ausarbeiten ging. „Die Gründe waren diesmal allerdings andere“, so Braithwaite. „Barry (Burns, Anm.) hat sich eine Auszeit für seine Familie genommen, weil seine Tochter krank war. Es hat einige Zeit gedauert, bis wir alle wieder zusammen waren. Bei der Pandemie war das ebenso.“ Letztlich haben sich Braithwaite, Burns, Martin Bulloch und Dominic Aitchison mit Produzent John Congleton ins Studio begeben und die zehn Stücke eingespielt.

Hellere Musik als früher
Betrachtet man die zweite Schaffensphase Mogwais, so fällt gerade bei den jüngeren Alben auf, dass ihr Faible für harte Gitarrenmusik mit kathartischen Momenten zugunsten eines optimistischeren Grundtons abgeschwächt wurde. Verlangen dunkle Zeiten womöglich nach hellerer Musik? „Wahrscheinlich“, überlegt Braithwaite. „Es ist schwierig für uns, das genau zu analysieren oder zu benennen. Aber ja, die Welt ist gerade in einer beschissenen Lage. Auch persönlich hatten wir teils schwierige Phasen zuletzt. Vielleicht haben wir deshalb eine Spur Optimismus in diese Songs getragen.“

Aber Mogwai wären nicht Mogwai, würden sie einen solchen Zugang nicht mit absurd-komischen Titeln konterkarieren. In diese Kategorie fällt auch der Albumname, ein schottischer Ausdruck für Hölle. Wie das zur Musik passt? „Um ehrlich zu sein, haben wir nicht viel darüber nachgedacht“, lacht Braithwaite. „Wir fanden den Titel einfach lustig. Natürlich steht das nun im Kontext all dieser Schwierigkeiten. Wir tendieren dazu, das erst im Nachhinein zu bewerten. Dann verbinden wir erst die Punkte, könnte man sagen.“ Folglich muss man das sehr elegisch ausgefallene „Pale Vegan Hip Pain“ oder das enorm aufgekratzte „Lion Rumpus“ auch nicht semantisch auseinander nehmen, sondern kann sich einfach an den mitreißenden Songs erfreuen.

Neues wichtiger als Nostalgie
Und das dürfte auch noch einige Zeit so bleiben, selbst wenn es Mogwai auf ein mittlerweile recht ordentliches Lebensalter gebracht hat. „Ich bin schon stolz darauf“, meint Braithwaite auf das heurige 30-Jahre-Jubiläum angesprochen. „Aber es ist nicht so wichtig wie ein neues Album. Neue Musik ist immer wichtiger als Nostalgie. Aber sicher ist es eine Leistung.“ Das nostalgische Zurückblicken ist ohnehin nicht die größte Stärke der Gruppe, selbst wenn Braithwaite vor ein paar Jahren mit „Spaceships Over Glasgow“ seine Memoiren niedergeschrieben hat. „Wir vier haben ja nicht das beste Gedächtnis“, schmunzelt der Musiker. „Wobei meines sicher das schlechteste ist. Plaudern Martin und Dominic über einen bestimmten Gig in allen Einzelheiten, kann ich mich oft gar nicht daran erinnern.“

Unabhängig davon bleibe die Musik für ihn ein Vehikel, dem grauen Alltag zu entfliehen. „Es ist der Blick nach innen, um sich nicht immer dem Horror der Außenwelt aussetzen zu müssen. Und natürlich ist der künstlerische Ausdruck ein sehr kraftvolles Instrument gegen Faschismus. Wenn mehr Menschen Kunst machen würden, gäbe es wahrscheinlich weniger Kriege.“ Ein bisschen zu einer ausbalancierten Welt trägt also auch „The Bad Fire“ bei.

APA/Christoph Griessner

Porträt von Wien Krone
Wien Krone
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