Mit blutigen Clan-Kämpfen, Dschihadismus und Sittenwächtern schaffen es in Österreich lebende Tschetschenen immer wieder in die Schlagzeilen. In einer aktuellen Studie geben Frauen und Männer Einblicke in das streng patriarchalische Gesellschaftsleben und warum westliche Lebensweisen abgelehnt werden.
Mit mehr als 40.000 Tschetschenen beheimatet Österreich eine der größten Gemeinschaften in Europa, die Hälfte davon lebt in Wien, nicht immer konfliktfrei. So sorgten bereits selbst ernannte Sittenwächter in Wien – unter anderem am Handelskai – für Empörung. Burschen hatten versucht, die Scharia (Islamisches Recht) gemäß ihrer eigenen Interpretation umzusetzen.
Außerdem ist der Anteil derjenigen, die sich dschihadistischen Gruppierungen in Syrien anschließen, bei Austro-Tschetschenen, besonders groß. Wie es dazukommt, wurde in einer Studie der Dokumentationsstelle Politischer Islam in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik erstellt. Der Arm von Tschetscheniens Präsident Ramsan Kadyrow reicht weit bis in die Diaspora.
Flucht im Familienverbund
Der Großteil der Tschetschenen kam durch Flucht vor der russischen Armee und ihren Verbündeten vom Nordkaukasus nach Europa, insbesondere während der beiden Tschetschenienkriege, ein Konflikt, der die Menschen bis heute beeinflusst. In den Gesprächen berichteten sowohl männliche als auch weibliche Befragte, dass sie ersten Kontakt mit dem IS über das Internet bzw. soziale Medien hatten.
Für Eltern ist es schwierig, die Internet-Aktivitäten ihrer Kinder zu kontrollieren. Da durch den Kadyrow-Clan die Sippenhaftung in Tschetschenien Anwendung findet, wird im Familienverband geflüchtet.
Tschetschenische Blutlinie erhalten
Frauen in der tschetschenischen Community können sich ihren Partner nicht selbst aussuchen, der Druck der Gemeinschaft zwingt sie dazu, ihre Körper zu verhüllen. Die jungen Männer setzen dabei auf das tschetschenische Gewohnheitsrecht nach den vorislamischen Traditionen des Adat, welches stark patriarchal ausgerichtet ist. Die Sittenwächter fokussieren sich vor allem auf die (in ihren Augen illegalen oder verpönten) Verhaltensweisen von Mädchen und Frauen der eigenen Community, womit versucht wird, deren Selbstbestimmungsrecht zu untergraben.
Internationale Forschungskooperationen sind wichtig, da sie es ermöglichen, über Österreich hinausreichende transnationale Strukturen angemessen zu analysieren.
Lisa Fellhofer, Dokumentationsstelle Politischer Islam
Bild: krone.tv
Sie richten sich ganz besonders gegen „westliche“ Verhaltensformen und wollen die „tschetschenische Blutlinie“ um jeden Preis erhalten. Ein Hauptmotiv liegt laut den Studienergebnissen darin, Beziehungen und Ehen von Tschetscheninnen mit von außerhalb der Gemeinschaft stammenden Männern zu verhindern. Dazu werden auch Social-Media-Kanäle durchforstet.
Sittenwächter geben sich Hinweise in Online-Gruppen
Frauen werden bedroht und sogar verletzt. Opfer berichten, dass Fotos in Badekleidung oder eine Beziehung zu einem Nicht-Tschetschenen für die Sittenwächter schon ausreichten. Die Bilder wurden dann in Moscheen aufgehängt, um auf das angebliche Fehlverhalten der Frau hinzuweisen. Ihre Aktivitäten organisieren die Sittenwächter über Online-Chatgruppen. Die Ursachen für diese Entwicklung liegen, wie die Studie aufzeigt, vor allem in der Perspektivlosigkeit, in Kombination mit der Instrumentalisierung der Religion als „Widerstandsideologie“.
Kommentare
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.