„Eheliche Pflichten“

Menschenrechtsgerichtshof verurteilt Frankreich

Ausland
24.01.2025 09:46

Weil sie in einem Scheidungsverfahren wegen abgelehnten Geschlechtsverkehrs mit ihrem damaligen Ehemann verurteilt worden war, wandte sich die betroffene Französin an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Dieser entschied letztlich zu ihren Gunsten und verurteilte Frankreich.

Die „eheliche Pflicht“, wie das französische Gericht sie darstelle, berücksichtige nicht, dass Einvernehmlichkeit Voraussetzung für jeglichen Sex sei, betonten die Richter am Donnerstag in Straßburg. Sie gaben der Klägerin Recht. Die Existenz einer „ehelichen Pflicht“ stehe „im Widerspruch zur sexuellen Freiheit und zum Recht auf den eigenen Körper“, hieß es in der Urteilsbegründung. Jeder Geschlechtsverkehr ohne Zustimmung sei ein Akt sexueller Gewalt, betonten die Richter. 

Die Richter in Straßburg entschieden zugunsten der Klägerin. (Bild: APA/AFP/Frederick FLORIN)
Die Richter in Straßburg entschieden zugunsten der Klägerin.

„Ich hoffe, dass diese Entscheidung einen Wendepunkt im Kampf für die Rechte der Frauen in Frankreich darstellt“, ließ die 69 Jahre alte Klägerin über ihre Anwältin Lilia Mhissen mitteilen. Diese Entscheidung bedeute die Abschaffung der „ehelichen Pflicht“ und der archaischen Vorstellung von Familie, betonte Mhissen. 

„Ehe nicht gleichbedeutend mit sexueller Dienstbarkeit“
Eine zweite Anwältin der Klägerin sagte, mit der Entscheidung des Menschenrechtsgerichts werde klargestellt, „dass Ehe nicht gleichbedeutend mit sexueller Dienstbarkeit ist“. Die Entscheidung sei auch deshalb von großer Bedeutung, weil fast jede zweite Vergewaltigung innerhalb einer Ehe oder einer Beziehung stattfinde. 

Die Klägerin hatte 1984 geheiratet und mit ihrem Mann vier Kinder bekommen. 2012 reichte sie die Scheidung ein. Während sie ihrem Mann vorwarf, nur seine Karriere verfolgt zu haben, argumentierte er, dass sie jahrelang keinen Sex mehr gehabt hätten. In einem Berufungsverfahren wurde die Frau deswegen die Alleinschuld für das Scheitern der Ehe zugesprochen.

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