Moses Pelham zählt zu den bekanntesten deutschen Rappern und Produzenten. Zu den von ihm entdeckten Künstlern gehören Größen wie Xavier Naidoo, GLASHAUS und Sabrina Setlur. Nun steht er vor dem Release seines vermutlich letzten Albums „Letzte Worte“. Mit der „Krone“ sprach er über seine Emotionen, die erneute Zusammenarbeit mit Xavier Naidoo und darüber, was er am meisten bereut ...
Mehr als 30 Jahre war Moses Pelham im Geschäft, jetzt veröffentlichte er sein wohl letztes Album. Songs wie „Du liebst mich nicht“ von Sabrina Setlur, „Wenn das Liebe ist“ von GLASHAUS oder „20.000 Meilen“ von Xavier Naidoo hat er mitgeschrieben und produziert. Im Laufe seiner Karriere wurde er mit zahlreichen Gold- und Platinauszeichnungen, Preisen und Ehrungen gewürdigt. Seit heute kann man sich „Letzte Worte“ überall anhören. Doch wie fühlt sich dieser Abschied von der Musik an? Wir haben mit Moses Pelham über dieses Werk, emotionale Momente und die Zusammenarbeit mit Weggefährten gesprochen ...
„Krone“: Wie fühlt es sich für Sie an, nach der Abschiedstour im Dezember, nun Ihr Abschiedsalbum zu veröffentlichen?
Moses Pelham: Da kommt ein bisschen Wehmut auf, wir sind natürlich noch mit der Veröffentlichung beschäftigt. Es soll ordentlich werden, nach all der Arbeit, die man da hineingesteckt hat. Ein bisschen Torschlusspanik kommt auch noch dazu, aber ich würde sagen, das vorherrschende Gefühl ist vor allen Dingen Dankbarkeit. Und ich würde sagen, dass nach der Tour und mit dem fertigen Album, und wir haben ja auch schon vier Stücke vorher veröffentlicht, ich einfach froh bin, getan zu haben, was ich getan habe. Ich bin damit sehr zufrieden. Ich bin mit der Entscheidung auch im Nachhinein sehr glücklich.
Finden Sie, das war der richtige Zeitpunkt?
Wenn man so eine Entscheidung trifft, gerade in Bezug auf den Zeitpunkt, ist man ja immer ein bisschen unsicher. Aber ich fühle mich in meiner Entscheidung, vor dem Hintergrund der Erfahrungen, die ich mit den Menschen auf der Tour machte, gerade sehr bestätigt. Ich hielt es erstmal für einen Dienst an meinen Hörerinnen und Hörern, dass wir da noch mal so zusammenkommen und uns vor Augen führen, was wir alles hatten. Aber im Nachhinein muss ich sagen, dass es auch mir sehr gutgetan hat, mir das alles noch mal vor Augen zu führen. Und es war eine tolle Gelegenheit für uns, voneinander Abschied zu nehmen.
Ihr letztes Album erschien genau am 24. Januar und das Debütalbum Ihres Rödelheim Hartreim Projekts, „Direkt aus Rödelheim“, kam auch an einem 24. Januar, nämlich 1994, heraus. War das eine bewusste Entscheidung? Quasi eine Metapher für den Kreis, der sich jetzt schließt? Oder war das nur reiner Zufall?
Nein, es ist kein reiner Zufall. Aber das ist wie in der Kunst. Man versucht, gewisse Dinge zu provozieren und sagt „Oh, guck mal, was passiert, wenn wir das und das machen“. Aber was da wirklich die Möglichkeiten sind, weiß man nicht. Man muss halt probieren. Ich hielt dann, als klar wurde, dass wir Anfang des Jahres veröffentlichen wollten, nach einem entsprechenden Datum Ausschau und fand dann den 24. Aber es war nicht so, dass man sagt, wir machen ein Album und das muss unbedingt am 24. rauskommen. Man muss die Gelegenheit ergreifen, wenn sie da ist, und nach ihr Ausschau halten. Nach der Gelegenheit Ausschau zu halten, die Arme offen zu haben, halte ich ohnehin für sehr wichtig. In der Kunst, im Leben, bei allem.
Das Album vereint zwei der schönsten Stimmen Deutschlands. Wir haben auf der einen Seite Xavier Naidoo und auf der anderen Cassandra Steen. Künstler, die Sie damals selbst entdeckt haben. Wie war es für die beiden, als sie erfuhren, dass Sie ein letztes Album planen?
Ach, die sind verrückte Ideen von mir gewohnt. Alle beide.
Warum war es Ihnen wichtig, dass sie dabei sind?
Ehrlich gesagt, geben das die Titel vor. Bei allen Leuten, die auf der Platte sind, sagen mir das die Stücke. Ich merke, okay, das Stück könnte das und das noch gebrauchen. Und beim Titel „Der Anfang vom Ende“ bietet sich, glaube ich, niemand so sehr an wie Xavier. „Alles, was Du brauchst“ erinnerte mich sehr an den Titel „Strugglin´“ von 2004. Davon gibt es zwei Teile und das war ein bisschen Teil drei davon, auch in der Verbindung mit dem Künstler Illmatic. Also, wer dabei sein soll, diktiert mir der Song.
Gab es einen bestimmten Moment oder ein Ereignis, das Sie dazu gebracht hat, jetzt mit der Musik aufzuhören?
Ich höre ja nicht mit der Musik auf. Mir geht es auch nicht ums Aufhören. Mir geht es darum, diesen Schlussstrich zu ziehen. Die meisten Leute erfahren drei, vier Jahre nachdem sie ihr letztes Album gemacht hatten, dass das ihr letztes Album war, einfach weil kein weiteres mehr kam. Mir ging es darum, eine Platte zu machen, die sich damit beschäftigt, dass sie das letzte Album ist. Sich so auch mit den letzten Dingen beschäftigt, gewisse Dinge noch mal Revue passieren lässt. Ich glaube, dass ich es meinen Hörerinnen und Hörern und meinem Werk schulde, das ordentlich zu Ende zu bringen, einen Schlussstrich zu ziehen. Ich halte das für einen Teil der Kunst.
Was meinen Sie damit genau?
Wie ein Konzert ein letztes Stück hat. Dann kann es auch nochmal eine Zugabe geben, aber das ist das letzte Stück. Das will was sagen, das will was bedeuten. Und diese Auseinandersetzung damit, dass es die letzte Platte ist, hat mir unglaublich gutgetan. Mir ging es auch darum, zu vermeiden, irgendwann dazusitzen und zu denken, hätte ich gewusst, dass das die letzte Platte ist, hätte ich noch dieses und jenes gesagt. Diese Platte ist, wie sie heißt. Es sind letzte Worte, aus meiner Sicht wohl gewählte.
Wie sieht Ihr kreativer Prozess aus? Schreiben Sie im Studio drauflos oder haben Sie besondere Orte, die Sie inspirieren?
Gerade bei dieser Platte ist es so, dass ich, seit ich wusste, dass es das letzte sein sollte, mich damit beschäftigt habe, Dinge dafür zu sammeln. Das ist seit sechs Jahren der Fall. Auch während wir an anderen Sachen arbeiteten. Also, das kommt zur Seite, das ist für dieses eine letzte Album. Es gibt sogar ein Stück, das ich im Rahmen der Produktion meines letzten Albums „Nostalgie Tape“ machte und dann sagte: „Nein, das kommt hier nicht drauf“. Das ist für „Letzte Worte“. Also immer viel Sammelarbeit. Ich schreibe fast nie im Studio, ich mache mir im Studio mal eine Notiz. Das Studio ist für mich eher zum Produzieren und zum Aufnehmen da. Eine Zeile schreibe ich überall auf, weil ich die nehme, wenn sie zu mir kommt. Da geht es nicht um mich, sondern um die Zeile oder ein Wort, das ich höre. Aber das Ausarbeiten geschieht meist zu Hause. Ich sitze manchmal acht Stunden vor einem Turnaround, lasse ihn laufen und mache mir Notizen. Dann kommt mal eine Zeile, dann kommt eine andere. Wenn nichts kommt, sortiere ich Notizen, die ich habe. Vielleicht kommt dann wieder was. Und das mache ich schon in meinem Musikzimmer. Das braucht einfach viel Zeit!
Was ist Ihr Lieblingssong des Albums?
Ich habe auch für diese Platte natürlich an viel mehr Stücken gearbeitet, als jetzt drauf sind. Das heißt, es sind alles Lieblingssongs. Es gibt auch Stücke, die mir sehr am Herzen liegen, die es einfach nicht auf die Platte geschafft haben. Nicht, weil sie schlechter waren als die Stücke, die drauf sind, sondern weil sie dann nicht in den Ablauf passten. Das sind also schon alles meine Lieblingsstücke. Aber wenn ich mich jetzt auf ein Stück festlegen müsste, wäre es „Alles verschwimmt“ mit NI-KA und Hagen Stoll. Weil es auf eine Art und Weise der Schlüssel-Song des Albums ist, weil es so sehr dieses Abschiedsding formuliert.
Wenn Sie jetzt auf Ihre Karriere zurückblicken, gibt es etwas, das Sie anders machen würden?
Es gibt einiges. Hinterher ist man ja meistens schlauer. Oftmals sind das aber produktionstechnische Details. Diese Platten sind auch immer ein Abbild der Zeit, in der sie entstanden. Was fasziniert mich gerade, was beschäftigt mich gerade? Was war der Stand meiner Fähigkeiten? Was beschäftigte mich als Mensch? Was glaubte ich zu dem Zeitpunkt? Was waren die Fragen, die ich mir stellte? Meine Hoffnung ist, dass man am Ende seines Lebens insgesamt schlauer und verständnisvoller ist als am Anfang. Vor diesem Hintergrund hoffe ich, dass da jede Platte in der Chronologie einfach vernünftiger ist und handwerklich besser. Da gab es den einen oder anderen Moment, in dem ich mich auch in Dinge, die ich unbedingt wollte, verrannte, von denen ich jetzt hinterher sagen würde: „Ja, das geht vielleicht so nicht“. Aber ich glaube, das gehört auch dazu. Das ist ein bisschen wie im Leben.
Gibt es etwas, das Sie bereuen?
Wenn Sie mich fragen, was ich am allermeisten bereue, dann ist es der Streit mit Xavier Naidoo, als wir bestimmt zehn Jahre überhaupt nicht miteinander sprachen.
Glauben Sie, bereut er es auch?
Das weiß ich nicht. Ich glaube, dass es für mich sehr viel schmerzhafter war als für ihn.
Sie haben gesagt, Sie hören nicht komplett mit der Musik auf. Denken Sie daran, irgendwann als Produzent zurückzukehren, um junge Talente zu fördern und zu produzieren, so wie Sie das damals taten?
Nein, eigentlich nicht. Das muss passen. Man muss so sehr auf einer Wellenlänge sein, dass man da einander über eine lange Zeit immer wieder was geben kann. Ich glaube, ich sollte nicht für Leute arbeiten, mit denen ich nicht befreundet bin. Und ich glaube, wenn die Altersdifferenz zu groß ist, ist es schwierig, befreundet zu sein, weil man sich ganz andere Fragen stellt, wenn man an einem anderen Punkt in seinem Leben steht.
Was möchten Sie jetzt machen, wo Sie mehr Zeit haben? Gibt es etwas, das Ihnen abseits der Musik besonders wichtig ist?
Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, was ich als Nächstes machen werde. Ich war einfach die letzten zwei Jahre so damit beschäftigt, das hier nach meinen Vorstellungen zu Ende zu bringen und habe dabei auch einen gewissen Druck verspürt, dass ich einfach keine Gelegenheit hatte, mir über etwas anderes Gedanken zu machen. Wenn wir das hier jetzt komplett abgeschlossen haben, dann werde ich hoffentlich mal einen Moment haben, mich hinsetzen und mir Gedanken machen, was wir als Nächstes machen. Ich hoffe, es gibt noch viele Abenteuer und Gelegenheiten, das Gelernte anzuwenden. Ich habe mich bei der Arbeit an dem GLASHAUS-Album „Kraft“ ein bisschen mit bildender Kunst auseinandergesetzt, was mir große Freude machte. Vielleicht mache ich da was, aber ich weiß es nicht.
Ihre letzten Worte an Ihre Fans - was möchten Sie ihnen mit diesem Album noch mitgeben?
Deshalb liebe ich diese Kunstform so: Ich kann darin viel besser mit den verschiedenen Mitteln und den Kräften, die da noch wirken, formulieren, was mir wirklich wichtig ist, als ich es jemals jetzt und hier in zwei Sätzen formulieren könnte. Ich glaube, alles, was ich wirklich zu sagen habe, habe ich auf dieser Platte gesagt. Ich mag zum Beispiel – das ist mir auch erst später aufgefallen und geplant habe ich das auch nicht –, dass die letzten Worte, die ich auf diesem Album sage, folgende sind: „Eins noch, vergiss nicht, wie sehr wir dich lieben“ …
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