Stehende Ovationen für Monteverdis „L‘Orfeo“ bei den Mozartwochen: Nikolaus Habjan zeigte berührend das Seelenleben der Hauptfiguren in seiner fantastischen Inszenierung.
Die Oper ist bekannt dafür, Gefühle hörbar zu machen. Sie allerdings auch glaubhaft darzustellen, das gelang Regisseur Nikolaus Habjan am Freitagabend mit seiner Inszenierung von Claudio Monteverdis „L'Orfeo“ bei der Salzburger Mozartwoche so erfolgreich, dass es das Publikum im Haus für Mozart von den Stühlen riss.
Der Erfolg kam nicht ganz überraschend. Nikolaus Habjans Inszenierung, deren genialer Kniff die Darstellung des Seelenlebens der Hauptpersonen durch Stabpuppen ist, wurde bereits 2023 an der Semperoper in Dresden gefeiert. Damals sang Mozartwochen-Chef Rolando Villazón bereits die Titelpartie und beschloss laut eigenen Aussagen bereits am ersten Probentag: „Diese Produktion muss zur Mozartwoche kommen.“
Selbstzweifel, Trauer und Tod
Mit kleineren Eingriffen, die den unterschiedlichen baulichen Voraussetzungen der jeweiligen Opernhäuser geschuldet waren, zog die Produktion also von der Elbe an die Salzach. Unverändert, die heimlichen Stars des Abends, die beiden weißen Stabpuppen mit den Glitzeraugen, die Orfeo und Euridices Seelenzustände abbildeten.
Die von Habjan selbst entworfenen Alter Egos agierten, unterstützt von Puppenspielern, mal im Einklang mit ihren menschlichen Darstellern, konterkarierten deren Handeln aber auch immer wieder.
Wie stark diese Regieidee in ihrer Emotionalität ist, zeigte sich vor allem in der Schlüsselszene der Orpheus-Sage: als sich in der Unterwelt der Sänger, der mit seiner Stimme selbst Steine zum Weinen bringt, verbotenerweise zu seiner Gattin umdreht und damit ihr Schicksal besiegelt. Die Puppe Orfeo rang mit dem Menschen Orfeo hin und her, bis die Hand schließlich den Kopf der Puppe gewaltsam umdrehte, woraufhin die Puppe Euridice leblos auf der großen Bühnentreppe zusammensank.
Ergreifender lassen sich Selbstzweifel und Trauer und endgültiger der Tod kaum darstellen. Dass man sich in dieser Inszenierung eindeutig von jeglicher Realität verabschiedet und ganz der magischen Wirkung der Puppenwelt verschrieb, war nicht zuletzt auch den opulenten und verspielten Kostümen von Cedric Mpaka und den allegorischen Bühnenbildern von Jakob Brossman zu verdanken.
Musikalisch kein einfacher Spaziergang
Musikalisch ist Monteverdis „L’Orfeo“ alles andere als ein Spaziergang. So erwies sich Christina Pluhar am Pult des von ihr gegründeten „Ensemble L’Arpeggiata“ als trittsichere Wegbegleiterin, die ihre Sänger klanglich vielfarbig, warm und mit einem guten Gespür für Balance bettete. Durch diese Klangwelten wandelte ein solide bis sehr gut besetztes Ensemble. Daraus hervor strahlten vor allem Luciana Mancini als Messaggera und der französische Tenor Cyril Auvity in der Doppelrolle als Pastore und Apollo, von denen man gerne noch mehr gehört hätte.
Umjubelter Tausendsassa
Auf Rolando Villazón in der Titelrolle trifft dies nicht unbedingt zu, doch der mexikanische Tausendsassa ist mittlerweile auch nicht mehr als Sänger, sondern als „Gesamterscheinung“ zu verstehen. Den Anforderungen der Titelpartie hielt sein Tenor gerade in den Tiefen und unter voller Orchesterbegleitung kaum stand. Doch die höheren und leiseren Stellen seiner Partie zeigten dann doch überzeugend, dass sein Schmelz eben noch nicht ganz versiegt ist.
Darstellerisch konnte Villazón dagegen nach wie vor keiner das Wasser reichen, und genau wegen seiner insgesamt durchschlagenden Ausdrucksstärke liebt und feiert ihn sein Publikum schließlich bis heute.
Am Ende war es die gesamte Erscheinung des Premierenabends, die das Publikum mit dem Verklingen der letzten Töne in laute Jubelstürme und schließlich zu stehenden Ovationen hinriss.
Weitere Vorstellung am 31. Jänner (um 19.30 Uhr) – es gibt noch Karten: tickets.mozarteum.at
Larissa Schütz
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