Während die EU an Wirtschaftsmacht verliert, spielt sich das Wachstum in den USA und China ab. Als große Belastung empfinden viele Unternehmen die massive Bürokratie. Die EU-Kommission will diese Woche ihre Entlastungspläne vorstellen. Im „Krone“-Gespräch machen sich heimische Topmanager gegen das Lieferkettengesetz und andere Bürokratiemonster stark.
Es ist bereits beschlossen, doch in der Wirtschaft wird die Hoffnung größer, dass die Politik das Lieferkettengesetz wieder aufschnürt und entschärft. Stand jetzt sind Unternehmen ab Mitte 2026 für die Einhaltung bestimmter Standards in ihrer Lieferkette selbst verantwortlich. Das soll Umweltschutz und Menschenrechte stärken. Gegen die Ziele sei auch nichts einzuwenden, doch seit Inkrafttreten der Richtlinie kritisieren zahlreiche Wirtschaftsvertreter die praktische Umsetzung.
Vorschlag für eine „Blockliste“
„Die Überprüfung sollte eine Aufgabe des Staates sein. Die Politik wälzt sie aber einfach auf die Firmen über“, kritisiert Günther Ofner, der Chef des Flughafens Wiens. So sollen parallel Tausende Unternehmen wiederum Tausende Lieferanten überprüfen, ob sich diese an Standards halten.
Dafür hat auch Roman Billiani, ein Vorstand der Mayr-Melnhof Karton AG, wenig Verständnis. Er schlägt vor, eine Blockliste einzuführen. „Auf der Liste sollen alle Lieferanten aus Drittstaaten aufscheinen, die nicht den europäischen Standards entsprechen“, so der Manager. Ebenfalls für dieses Vorhaben sprechen sich Verbund-Chef Michael Strugl, der Industrielle Kari Ochsner, Porr-Boss Karl-Heinz Strauss sowie Ofner in einer gemeinsamen Initiative aus.
Billiani befürchtet, dass mit der derzeitigen Regelung viele große Firmen ihre Lieferantenbeziehungen ausdünnen würden. „Bei diesem Aufwand werden viele versuchen, auf wenige große Lieferanten zu setzen. Das trifft dann naturgemäß die kleineren“. Die EU betont zwar, dass die Lieferkettenrichtlinie nur große Betriebe trifft, allerdings sind in den sehr komplexen Lieferketten auch zahlreiche kleinere Firmen gelistet, die dann mit den bürokratischen Regeln konfrontiert sind.
Eine weitere Gefahr: Da China und die USA weniger strenge Regularien haben, könnten diese dann jenes Geschäft machen, das europäischen Unternehmen aufgrund zu komplizierter Vorschriften entgeht. „Wir sehen bereits, dass China und die USA deutlich aufgeholt haben. Tut Europa nicht endlich etwas gegen diese überbordende Bürokratie, geht das so weiter“, sagt Ofner. Tatsächlich waren Europa und die USA vor rund 30 Jahren noch gleichauf beim Anteil an der globalen Wirtschaftsleistung und China lag weit darunter. Mittlerweile ist die Wirtschaftsmacht der EU im Verhältnis klar geschrumpft. Nun ist man gleichauf mit China und ganze 35 Prozent hinter den Vereinigten Staaten.
EU-Kommission präsentiert diese Woche Pläne
Doch die EU-Kommission hat zumindest bereits öffentlich eingestanden, dass die Berichtspflichten zu hoch sind und einen Bürokratieabbau von 25 Prozent angekündigt. Diese Woche werden Pläne präsentiert. Weniger Berichtspflichten, eine Lockerung der Wettbewerbsregeln und auch Änderungen beim Lieferkettengesetz sollen bevorstehen.
Ein Vorschlag wäre eine Blockliste, auf der Firmen stehen, die EU-Standards nicht entsprechen.
Mayr-Melnhof-Karton-Vorstand Roman Billiani
Bild: Mayr-Melnhof Karton AG
„Meint es die EU tatsächlich ernst mit dem Bürokratieabbau, muss sie einige bereits beschlossenen Gesetze wieder aufschnüren und deutlich reduzieren. Jedenfalls dürfen bis zum Erreichen der 25-Prozent-Marke keine neuen regulatorischen Initiativen ergriffen werden“, meint Ofner.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will eine Omnibus-Verordnung schaffen, die einige Bürokratie-Materien zusammenfasst. „Stand jetzt wird die Bürokratie nur mehr und mehr. Dabei sollte sie eigentlich dringend sinken“, so der Flughafen-Vorstand.
Derzeit gibt es aber auch Signale, dass auch beim bereits beschlossenen Lieferkettengesetz das letzte Wort doch noch nicht gesprochen ist. Zuletzt setzte sich auch der grüne deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck gegen die Pläne ein und findet das Lieferkettengesetz in der jetzigen Form überschießend. Erst vor wenigen Tagen hat sich auch der französische Minister Benjamin Haddad gegen das Gesetz stark gemacht, damit sind zwei Wirtschaftsgrößen der EU bereits für Nachverhandlungen.
Auch in Österreich änderten sich im Jänner die Vorzeichen. In den Dreier-Verhandlungen war eine kritische Haltung zum Lieferkettengesetz noch an der SPÖ gescheitert, FPÖ und ÖVP sind hingegen gegen „standortfeindliche“ Bestimmung in dem Gesetz. Ofner und Billiani hoffen, dass die künftige Regierung sich im Rat für weniger EU-Bürokratie einsetzt.
Ganze Abteilungen in Unternehmen sind mit Nachhaltigkeitsberichten beschäftigt.
Flughafen-Chef Günther Ofner
Doch nicht nur beim Lieferkettengesetz nimmt die Bürokratie überhand. Auch die zahlreichen Berichtspflichten in puncto Nachhaltigkeit sind der Wirtschaft ein Dorn im Auge. „Mittlerweile werden ganze Abteilungen damit beschäftigt, diese Berichte zu schreiben“, so Ofner. Selbst bei einer kompletten Abschaffung der Nachhaltigkeitsberichterstattung wären die Berichtspflichten in Europa aufgrund des Aktienrechts noch immer deutlich strenger als etwa in den USA.
EU ist Weltmeister im Regulieren
Billiani kritisiert auch die Entwaldungsverordnung und hofft, dass diese noch einmal diskutiert wird. Zuletzt drängte die Europäische Volkspartei auf ein Aufschieben. „Die exzessiven Vorgaben sind ein Wettbewerbsnachteil für europäische Firmen“, so der Vorstand des Verpackungsriesen. Während andere Länder bereits Belastungen für Unternehmen nach unten drücken, wartet Europa noch ab – auch, weil man mitunter noch in einer zu bequemen Lage ist.
Ofner fordert, das „Gold Plating“ (Übererfüllen von EU-Richtlinien, Anm.) zu beseitigen und Berichtspflichten zu reduzieren“. Derzeit sind schon wieder 400 neue Rechtsakte aus Brüssel in der Pipeline. Während der vergangenen fünf Jahre wurden in den USA rund 5500 neue Rechtsakte erlassen. In der EU verfassten die Beamten hingegen mehr als 13.000 Rechtsakte, die beschlossen wurden.
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