Burg-Premiere

Heuchler „Tartuffe“ im Kabinett zerstörter Seelen

Kritik
27.01.2025 10:20

Endlich ein gelungener Molière am Wiener Burgtheater. Ein tolles Ensemble wächst unter Barbara Freys Meisterhand über sich hinaus.

Wundersam sind die Wege der Spielplandramaturgie: Statt Kleist, Schiller und Nestroy zeigt die Burg den dritten Molière in 14 Monaten. Dabei hätte man Martin Kusejs beleidigten „Menschenfeind“ und Stefan Bachmanns aus Köln importierten „Eingebildeten Kranken“ mit Freuden durch ein Werk obgenannter Herren ersetzt gesehen. Den gegenständlichen „Tartuffe“ allerdings ließe man sich ungern entgehen.

Die Regisseurin Barbara Frey versteht sich auf die Tonalität großer Literatur und die finsteren Subtexte unter dem scheinbar Heiteren. So wird dieser „Tartuffe“ zum dunklen, bis ins Absurde getriebenen Kammerspiel mit diskreter Klavierbegleitung. Vor Regenschleiern nimmt eine Abnormitätenprozession verbogener Seelen den Weg des Verhängnisses. Wer verbogen hat, wird gleich klar. Die bigotte Übergroßmutter hat die Familienhölle möbliert (Bild: Martin Zehetgruber), und es geschieht das Erwartbare: Der Spießer Orgon verfällt einem Hochstapler, der ihm Achtung, Lauterkeit und menschliche Wärme heuchelt. Was zwischen Bibiana Beglau und ihrem Opfer Michael Maertens an verdeckter Homoerotik glost, ist allerhand und rechtfertigt ohne dümmliche Diversitätsdiktate den weiblichen Einsatz für die Titelrolle.

Mit hoher Musikalität in Simon Werles feine Alexandriner-Übersetzung eingewiesen, begeistert ein Ensemble der Virtuosen, die umwerfend an die Grenzen der Selbstentstellung gehen und doch alle ein Schicksal zu erzählen haben. Maria Happel, Sarah Viktoria Frick auf Himalaya-Höhe der Verwandlungskunst und Barbara Petritsch ragen unter lauter Augenhohen noch ein Stück hervor.

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