Fünf Jahre nach ihrem Kickstart mit der Single „In My Mind“ veröffentlicht das Wiener Geschwistergespann Wallners endlich sein Debütalbum „End Of Circles“. Darauf zu hören: melancholischer Dreampop, Regentropfen und Grillenzirpen. Im „Krone“-Interview gab das Quartett nähere Einblicke in Wesen und Sein der Band.
Das Timing kann ein Hund sein – davon können die Wallners kein Lied singen. 2020 überraschten die vier Geschwister Anna, Laurenz, Nino und Max Wallner mit der hypnotischen Single „In My Mind“, die einen austarierten Indiepop-Sound aufwies, wie man ihn normalerweise nur von arrivierten Kapazundern der Szene kennt. Auf Promobildern und in der sehr raren Social-Media-Öffentlichkeitswirkung gab sich das Quartett so düster und zurückhaltend, wie auch ihre Musik – die wiederum entfaltete sich quasi im Rekordtempo in den Gehörgängen einer rasant zunehmenden Menge an Fans. Regisseur Christian Petzold wurde auch in den Bann des originären Sounds gezogen und erkor das fragile Lied zum treibenden Song für seinen Erfolgsfilm „Roter Himmel“. Es folgten die erste EP „Prolog I“ und ein Vertrag beim Branchenriesen Universal Music – doch bei den Wallners ergab sich plötzlich eine umgekehrte Problematik.
Angenehmer Einstieg
Während vielen anderen Bands während der Corona-Pandemie der Boden unter den Füßen weggezogen wurde, kamen die Wiener Geschwister ausgerechnet dann ins Straucheln, als sich zunehmend globale Normalität einstellte. „Der Einstieg in unsere Karriere war eigentlich angenehm, weil wir gar nicht so scharf darauf waren, gleich so viel live zu spielen“, denken die Geschwister im „Krone“-Interview an den Kickstart ihrer Karriere vor knapp fünf Jahren zurück, „wahrscheinlich hätte es sich sogar absurder angefühlt, hätten wir mit den ersten Songs sofort auf die Bühne müssen, anstatt sie einmal reifen zu lassen. Wir haben dann einfach die Zeit fürs Musikmachen genutzt“. Die Wallners ließen sich von äußeren Umständen nicht aus dem Tritt bringen und vor allem nicht stressen. Zwischen dem Single-Durchbruch und dem nun vorliegenden Debütalbum „End Of Circles“ liegt ein halbes Jahrzehnt – in Zeiten von Streaming und Turbokapitalismus mehr als eine halbe Ewigkeit.
Die Wallners funktionieren anders als Geschwisterbands, die man sonst so kennt. Weder gibt es im Hintergrund einen patriarchalen Vater wie bei Jackson 5, noch versucht man sich stimmlich im Falsett zu überbieten (Bee Gees) oder eine neue Hippie-Kommune zu gründen (die Kelly Family). Und auf die Goschn haut man sich auch nicht, dafür ist man – im Gegensatz zu den Mancunians von Oasis – viel zu wohlerzogen. Wallners finden ihr Seelenheil im Dreampop, der gerne auch einmal in die optimistische Richtung ausschlägt, aber sich klanglich mit Freude in den Untiefen der Melancholie suhlt. Wer bei manchen Tracks an die mittlerweile Hallen-großen Cigarettes After Sex denkt, ist auf der richtigen Spur – das sinistre Gespann aus Texas zählt fraglos zu den wichtigsten Inspirationsquellen der Familienbande, deren Vater in der Bundeshauptstadt ein Klaviergeschäft führt und denen die Liebe zur Musik praktisch schon in die Wiege gelegt wurde.
Akribische Puzzlearbeit
„Wenn es mit der Kreativität gerade nicht so lief, dann haben wir uns extra viel Zeit genommen, damit die Songs gut werden. Gemeinsam im Studio zu stehen und konzentriert an den Liedern zu arbeiten, das funktioniert manchmal besser, manchmal schlechter. Wir haben einzelne Songs geschrieben und Ideen versammelt und irgendwann dachten wir uns, jetzt wäre es vielleicht auch mal an der Zeit, daraus ein Album zu machen.“ Trotz der hohen Erwartungshaltung einer dürstenden (Indie)Öffentlichkeit, ließen sich die Wallners auf ihrem Weg der Ruhe nie beirren. „Es ist eine Puzzlearbeit. Manchmal ergeben sich Schlüsselmomente. Etwa, dass wir beim Song ,End Of Circles‘ plötzlich wussten, das muss auch der Albumtitel werden.“ Die Songs auf dem Album entstanden in einem Zeitraum von fast fünf Jahren und wirken trotzdem wie aus einem Guss. „Wichtig war uns, die Instrumente stärker sprechen zu lassen. Bei der EP hatten wir ein bisschen einen Overload an Spuren. Es galt darum, alles akustisch ein bisschen zu reduzieren.“
Die Schönheit ihres Sounds liegt auch in der Natur begründet. Man bunkerte sich im ländlichen Elternhaus Niederösterreichs ein und nahm den Regen, das Rufen von Käuzchen oder Grillenzirpen auf. Allesamt wichtige Elemente, die die zärtlichen Songs miteinander verbinden. „Wir spielen für gewöhnlich alles zu viert ein und sind erst mit etwas zufrieden, wenn auch alle einer Meinung sind. Das ist vielleicht auch ein Grund, warum die Dinge manchmal so lange dauern. Manches ist fast Husch-Pfusch, anderes von Perfektionismus getrieben. Bei uns ist irgendwie alles vorhanden.“ Putschversuche im musikalischen Geschwister-Korsett gab es noch keine, fügt man schmunzelnd an. Obschon die Musikgeschmäcker der einzelnen Personen stark voneinander divergieren, zieht man unter dem Banner Wallners spür- und fühlbar an einem Strang. „Es geht ein bisschen darum, mit den Songs ein Bild zu öffnen, das man eigentlich noch nicht kennt.“ Grundstock ist eine gewisse Atmosphäre, die dann in Musik und Text gegossen werden soll.
In andere Welten eintreten
„Es ist schön, etwas zu schreiben, das Räume öffnet, aber auch vieles offen lassen kann. Wir befinden uns schon in einer Traumwelt, und diese Welt kann alle Farben und Formen haben - je nach Stimmung. Manchmal ist das sehr szenisch, manchmal auch konkreter. Etwa wie bei ,Dreaming Of The Sea‘, wo wir einfach ans Meer gedacht haben. Einen Song zu schreiben, heißt auch, in eine andere Welt einzutreten. Deswegen muss die reale Welt auch gar nicht schlecht sein, aber es ist oft schön, sich woanders reinfallen lassen zu können und in dieser anderen Welt zu versinken.“ Wichtig ist dabei auch die Visualisierung, die in Videos oder dazu passenden Visualizern eine optische Zusatzkomponente zum Sound aufweist. Der Song „Old Fashioned“ funktioniert bei den Wallners fast nach dem Prinzip „Nomen est Omen“. „Es ist ein Ansporn für uns, nicht zu sehr mit der Schnelligkeit der Welt und den aktuellen Trends mitzulaufen. Musik kann auch Zuflucht sein und entschleunigen – da fühlen wir uns eher wohl.“
Live in Österreich
Mit unglaublichen fünf Jahren Verspätung gehen die Wallners jetzt auch endlich auf große Tour. Die Deutschland-Termine sind fast schon ausverkauft, in Österreich gibt es noch Karten für die Auftritte. „Es wäre auch unser Bestreben, mit dem Sound international noch weiter rauszukommen.“ Vorerst einmal darf man die Wallners mit ihrem Debüt „End Of Circles“ in Österreich sehen. Am 28. Februar im Wiener WUK und im Herbst dann auch in Rest-Österreich. Am 2. November im Spielboden Dornbirn, am 4. November im Salzburger Rockhouse, am 5. November im Linzer Posthof, am 6. November im ppc in Graz und am 12. November dann noch im Mozartsaal des Wiener Konzerthauses.
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