Barbora Horákovás Neuinszenierung von Mozarts „Zauberflöte“ erntete in der Wiener Staatsoper Jubel, aber auch heftige Buhs – Ovationen für Bertrand de Billy am Pult und einige Sänger!
Frankenstein-Autorin Mary Shelley, Dracula-Biograf Bram Stoker oder die Wolverine-Väter hätten mit Barbora Horákovás neuer „Zauberflöte“ wohl ihren Spaß: Wenn der Vorhang aufgeht, radeln Mozarts drei Knaben um eine vergammelte, abbruchreife Residenz. Irgendwo in Döbling? Nervenkitzel – das ist’s, was die Flegel suchen. Und in Bühnenbildner Falko Herolds Horrorvilla mit ihren Todessymbolen, Gitterkäfigen, in gefährliche Folter- und Traumwelten führenden Treppenhäusern finden. Plötzlich öffnen sich wie in einem Horrorfilm zahllose Türen. Ein Mahlstrom zieht die drei mit magischer Kraft in die Schreckenskammern der Villa, in die seltsame Bar der Eingeweihten oder zum großen Auftritt Sarastros, der in der blauen Robe der Königin der Nacht auf einer Mondsichel aus olympischen Höhen herabschwebt. Die Drei werden Zeugen, wie eine schmatzende – projizierte – Riesenschlange Prinz Tamino bedroht, aber auch fragwürdiger Moralproben, in denen es um Liebe, Leben und Tod geht. Und wie die Königin der Nacht ihre Tochter Pamina zum Mord an Sarastro drängt. Ihre Seele tragen sie am Buckel angeschnallt. Horáková erzeugt Hochspannung. Zwar vermisst man in mutwillig gestrichenen Dialogen beliebte Einlagen wie die Tierparade oder viele beliebte Gags. Aber Horáková erzählt die Geschichte klar, klug, ein wenig abgerückt von der Freimaurer-Ideologie des Werks und mit Gespür – auch für ein junges Publikum!
Nach den uninspiriert ratlosen „Zauberflöten“-Inszenierungen der Staatsoper von Joachim Herz, Marco Arturo Marelli oder Leiser & Caurier in den vergangenen Jahrzehnten erlebt man endlich eine spannende, durchwegs praktikable Inszenierung mit kluger Personenführung in magisch stimmungsvollen Tableaux. Für die große Prüfungsszene, wenn Tamino und Pamina in der Feuer- und Wasserprobe ihre mythische Bestimmung für einander beweisen müssen, hätte ich allerdings mir weniger banale Grau-in-Grau-Bilder gewünscht. Und dass die Liebenden hier am Buckel ihr gealtertes zweites Ich herumschleppen müssen, das zuletzt zum Himmel fährt – Motto: „Verkauft’s mein G’wand, ich fahr in den Himmel“, finde ich lächerlich. Wenig Effektvolles lässt Horáková sich für den Schluss einfallen: Die Königin der Nacht lässt zwar den Tempel stürmen, tritt aber dann sofort mit Sarastro zur großen Versöhnungsparty an.
Musikalisch rettet Bertrand de Billy nach Franz Welser-Mösts krankheitsbedingter Absage die Premiere. Er hat das Staatsopernorchester fest im Griff, lässt kraftvoll und klangschön musizieren; im Chor klang manche Stelle unsicher oder verwackelt.
Die Besetzung überzeugt nur teilweise: Julian Prégardiens Tamino lässt tenoralen Glanz und Innigkeit vermissen, die Stimme klingt immer wieder eng, seine „Bildnis“-Arie uninspiriert: Die Dialoge sind farblos. „Pamina“ Sláva Zámečníková begeistert durch die Eleganz ihres edlen Soprans und Wärme des Timbres und ihre noble Phrasierung. Der Spanierin Serena Sáenz als Königin der Nacht dürften dramatische Effekte das Wichtigste sein. Die Koloraturen in den beiden Arien sitzen nicht immer perfekt. Verlässlich wie stets Georg Zeppenfeld als würdevoll heroischer Sarastro. So ein rechter Naturbursch Papageno ist der Ludwig Mittelhammer mit hübschem Bariton, ebenbürtig seine liebe Papagena Ilia Staple, politisch korrekt – statt Mohr ein Kohlenschaufler – „Monostatos“ Matthäus Schmidlechner, zum etwas blassen Barkeeper verdammt ist der „Sprecher“ Jochen Schmeckenbecher. Eher blass die drei Damen und die Geharnischten.
Kommentare
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.