Vor gut einem Jahrzehnt wurde die erste immunonkologische Therapie zugelassen und leitete eine Revolution in der Krebstherapie ein. Diese Behandlungsansätze, Immuntherapien genannt, haben seither das Leben vieler Menschen, die an Krebs erkrankten, verlängert und ihnen eine neue Perspektive gegeben. Und die erfolgreiche Forschung geht immer weiter!
Durch weiterhin intensive Forschung und Entwicklung hat diese Therapieform nun die Weichen für eine neue Zukunft gestellt: Eine Zeit, in der Krebs viel mehr als chronische denn als tödliche Krankheit betrachtet wird. Denn Überlebensraten, aber auch Lebensqualität während der Behandlung haben in den vergangenen Jahren extrem zugenommen.
Immer mehr Krebspatienten
Dennoch steht das System vor großen Herausforderung: 2040 wird es doppelt so viel Bedarf an Krebsbehandlungen geben als heute. Denn Menschen und damit auch Krebspatienten werden immer älter. Doch die gute Nachricht ist, dass Forschung boomt: Alleine 2023 wurden global über 2000 klinische Studien zu innovativen Krebstherapien gestartet.
Tumor wächst am Immunsystem „vorbei“
Krebs entsteht durch genetische Veränderungen in den Zellen, die das Gleichgewicht zwischen Zellwachstum und -abbau stören. Zu den häufigsten Krebsarten in Österreich zählen Brust-, Lungen-, Darm- und Prostatakrebs.
In einem gesunden Körper erkennt und zerstört das Immunsystem erfolgreich alle Krebszellen, die aus zufälligen Mutationen resultieren. Krebs tritt dann auf, wenn das Immunsystem aus irgendeinem Grund fehlerhaft funktioniert und sich bösartige Zellen aktiv zu teilen beginnen und einen Tumor bilden – ohne dabei vom Immunsystem erkannt zu werden.
Wir stehen erst am Anfang dieser Entwicklung. Durch das weltweite Engagement wurden und werden viele neue Substanzen entwickelt, etliche haben bereits den Weg in die Klinik gefunden.
Prim. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Hilbe, Klinik Ottakring, Wien
Die Abwehr stärken
„Früher hatten wir nur die Chemotherapie zur Verfügung und dachten uns: Mehr hilft mehr. Heute haben wir viel dazu gelernt und unterstützende Behandlungen eingeführt. Wir erkannten, wie stark das Immunsystem ist und haben diese Kraft im vergangenen Jahrzehnt zu steuern gelernt“, erklärte Onkologe Prim. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Hilbe, Klinik Ottakring in Wien, auf einer Pressekonferenz.
Wie funktioniert nun die revolutionäre Immuntherapie? „Diese aktiviert das eigene Immunsystem des Körpers, um Tumorzellen zu erkennen und zu bekämpfen. Anders als herkömmliche Ansätze, wie eben Chemo- oder Strahlentherapie, die neben Tumorzellen oft auch gesunde Zellen schädigen, stärkt die Immunonkologie die körpereigene Abwehr, um so eine nachhaltige Kontrolle der Krankheit zu ermöglichen“, so der Experte.
Die Immuntherapie hilft dem Körper, besser mit Krebs umzugehen, indem sie entweder die natürliche Abwehr stärkt oder dem Immunsystem spezifische Werkzeuge an die Hand gibt, um Krebszellen gezielt anzugreifen. Zu den Formen der Immuntherapie gehören Checkpoint-Inhibitoren, CAR-T-Zelltherapien und Krebsimpfstoffe. Diese Behandlungen können allein oder in Kombination mit anderen Therapien wie Chemotherapie oder Strahlentherapie eingesetzt werden. Ziel ist es, das Immunsystem dazu zu bringen, den Krebs effektiver zu bekämpfen und das Wachstum der Tumoren zu verlangsamen oder zu stoppen.
Höhere Überlebensraten
Die Fortschritte in der Krebsbehandlung, einschließlich der Immunonkologie, haben zu einer teils enormen Verbesserung der Überlebensraten geführt. Gleichzeitig präsentieren sich diese Behandlungen als gut verträglich, womit die Experten ursprünglich gar nicht gerechnet hatten. „Auch wenn für die Patienten natürlich nicht immer alles leicht ist, können viele heute gut und lange mit der Erkrankung leben“, freut sich Prim. Hilbe.
Heute gibt es immunonkologische Therapien überdies für immer mehr verschiedene Tumorarten, darunter auch seltene und aggressive Krebsarten.
Hautkrebs besiegen
Besonders gute Erfolge der Immuntherapie zeigen sich beim schwarzen Melanom (Hautkrebs). „Diese Krebsart kann man bei Früherkennen schnell operieren und damit behandeln. Bei 20 Prozent der Patienten treten jedoch Metastasen auf, denn das Melanom vermag überall im Körper zu streuen“, erklärte AO Univ.-Prof. Dr. Christoph Höller, Medizinische Universität Wien. Hier braucht es eine Behandlung. „Ein Vorteil: Das Immunsystem kann diesen Krebs gut erkennen, da eine hohe Rate an genetischen Veränderungen im Tumor vor sich geht. Das hilft der Abwehr, diese Zellen als nicht gesund zu entlarven.“
Früh das Immunsystem aktivieren
Im Krankheitsfall ist immer wichtig, früh mit einer Therapie zu beginnen. Um noch effizienter behandeln zu können, stellen sich Experten die Frage, ob eine Immuntherapie in manchen Fällen, etwa eben bei Hautkrebs, schon vor einer Operation sinnvoll wäre. So könnte man das wichtige Tumorumfeld, in dem auch Immunzellen aktiv sind, zur Abwehr zu nutzen und sie nicht sofort mit dem bösartigen Gewebe entfernen.
Wie wichtig diese Fortschritte für Patienten sind, beschrieb DI Thomas Derntl, Vorstandsmitglied der Allianz Onkologischer Patientenorganisationen, Obmann der Multiples Myelom Selbsthilfe Österreich und selbst Betroffener: „Ich würde ohne Forschungserfolge heute hier nicht stehen. Noch vor 13 Jahren sprach man bei meinem Krebs, dem Multiplen Myelom (eine Form von Blutkrebs) von Überlebensraten von 3 bis 4 Jahren. Dank der dynamischen Entwicklungen in der Onkologie und der intensiven Forschung können heute viele Betroffene mit einer unbestimmten Lebenserwartung rechnen.“
Trotz allem sprechen nicht alle auf Immuntherapien an. Forschende arbeiten daran, die Mechanismen besser zu verstehen und personalisierte Behandlungsstrategien zu entwickeln. Prof. Hilbe: „Ich bin aber optimistisch, dass wir in den kommenden Jahren weitere enorme Fortschritte machen werden, mit denen wir noch gezieltere Therapien entwickeln und anbieten können. Der Traum, Krebs heilbar zu machen, rückt immer näher.“
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